Autor Thema: Der Krimi  (Gelesen 1159 mal)

Agneta

  • Gast
Der Krimi
« am: Mai 27, 2018, 14:11:29 »
Der Krimi

Er lief spät abends im Fernsehen. Ich war schon eingeschlafen und wachte wieder auf.
Ein Krimi aus einer Zeit,
wo Verbrecher aus einfachen Schichten kamen,
wo Väter ihre Kinder schlugen
und das für ihr gutes Recht hielten.
Ein Krimi aus der Zeit,
wo der Platz der Frau am Herd war,
wo man offiziell erst poppte, wenn man verlobt war
und wo angetrunkene Männer abends verwaschene Bademäntel trugen,
aus Baumwolle mit Streifen.
Manchmal waren sie blau, manchmal weinrot, die Streifen.
Eine Zeit also, wo alles noch seine Ordnung hatte.
Made in Germany.

Mitten in der Nacht löschte ich die Lichter in meinem schicken Einfamilienhaus am Stadtwald.
Meine Familie schlief längst.

Ich war daran hängen geblieben.
An dem Krimi aus den Sechzigern,
an der erbarmungswürdigen Armut der Figuren,
an den schwarzen, eingerissenen Fingernägeln der Arbeiter,
an der Düsternis der verfallenden Drahtzieherei
und an dem Bademantel,
den auch mein Opa immer getragen hatte.

Erich Kykal

Re: Der Krimi
« Antwort #1 am: Mai 27, 2018, 15:02:42 »
Hi Agneta!

Guter Text, aber ich hätte ihn unter Prosa verbucht. Gedicht ist das keines.

Von Inhalt und Aufbereitung her allerdings ein Sehr gut von mir!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Martin Römer

  • Gast
Re: Der Krimi
« Antwort #2 am: Mai 27, 2018, 15:33:01 »
Auf Arteeee rieselte zuletzt ein Schwung an Stalinismusproduktionen, Scheunen also, denen man vielleicht ebenfalls nicht unbedingt die galoppierende Sanduhr konzediert.

Berlin-Schönhausen oder sowas: die blöden, blöden Beatles.

Mädchen! Mädchen! Minirock! Minirock! Mädchen!

Verbrecher und Veilchen sind ausgestorben: vor Tschernobyl war alles ein Traum, nun heißt es, Träume beschwören, um therapeutisch zu brabbeln…

Seelchenschwesterchen, trag doch mal wieder das kleine Schwarze.  :)

M.

Agneta

  • Gast
Re: Der Krimi
« Antwort #3 am: Mai 29, 2018, 11:40:06 »
natürlich hast du recht, lieber Erich. Es ist eine lyrische Kurzprosa. da es hier dafür keine Rubrik gibt, habe ich es unter Gedichte gestellt,da es ja doch mehr lyrische Elemente hat als eine Geschichte.
Ich danke dir, dass dich die Machart ansprechen konnte.
LG von Agneta

Martin, mit deinen Kommis kann man nichts anfangen, auch wenn ein Smilie dabie stehg.

cyparis

Liebe Agneta -
« Antwort #4 am: Juni 28, 2018, 15:42:41 »
kein Gedicht, keine Prosa -

der Inhalt soll dafür ausgleichen.
Die Düsternis des "einst" erhellen.
Wer der Drahtzieherei im Land  der neuesten Industrieprodukion nachweint -
irgendwann landet der altbekannte Drahtzieher im Aus.

Ich habe den Talar meines Großvaters geerbt - bin ich dermaleinst tot, wird sich keine Seele dafür interessieren.

Lieben Gruß
von
Cyparis




Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re: Der Krimi
« Antwort #5 am: Juni 30, 2018, 11:38:55 »
Auch mein Vater hatte so einen Bademantel, liebe Agneta. Er hat nur einmal verhauen, ohne dass meine Mutter ihn darum bat.

Sehr gern gelesen und zurückgeschaut.

LG gummibaum

Agneta

  • Gast
Re: Der Krimi
« Antwort #6 am: Juli 03, 2018, 11:58:23 »
doch, liebe Cyparis, ich denke, dass diese Bilder in uns weiter leben als Symbole  der Vergangenheit.
Mein Vater hat mich nie verhauen, lieber Gummibaum. ;D
Danke euch beiden und entschuldigt meine späte Antwort. Wir sind immer noch recht im Stress, irgendwie gibt es immer wieder was zu tun.

LG von Agneta