Autor Thema: Im Stadtpark  (Gelesen 947 mal)

Sokrafisch

Im Stadtpark
« am: Mai 05, 2017, 10:54:41 »
Im Stadtpark sieht er Amseln angeln,
nach Würmern, die am Schnabelhaken,
wie die Tentakel kleiner Kraken,
zu mehreren verärgert rangeln;

und Enten, die sich schmausend bücken,
an dem zur abendlichen Feier
mit rotem Licht bezognen Weiher,
den weiße Wasserrosen schmücken.

Er hört am Teich, aus tiefster Lunge,
den Frosch mit großer Klappe quaken:
"Quak, quak, schau her, ich schnappe Schnaken
mit meiner zielgenauen Zunge."

Und keine Wolken stehn wie Wärter
am Himmelstor, die´s ihm verleiden;
Und durch die weiten Lüfte schneiden
die Schwalben wie geschwungne Schwerter.

Durchs Fernglas späht ein Falkenbiest;
und die Harpune spannt ein Reiher
am Bach und schießt durch dessen Schleier,
den schnell die Strömung wieder schließt.

Da sitzt auf einer Baumstammbank
ein Opa, die Natur genießend,
die alte Herzensblume gießend
und atmet sanft und voller Dank.

Erich Kykal

Re: Im Stadtpark
« Antwort #1 am: Mai 05, 2017, 15:53:17 »
Hi Sokrafisch!

Das nimmt richtig gefangen! Das Kopfkino ist intensiv, die Sprache dynamisch-bildhaft, von einem Tableau zum nächsten eilend, all die vielen gleichzeitigen Eindrücke aus der Vogelwelt schildernd. Nur Vogelwelt - Absicht?

Wirken die ersten Strophen in fast trockener Knappheit noch beinahe naiv, als wäre das Gedicht für Kinder geschrieben, so ziehen die immer komplexeren Sprachschöpfungen den Leser mehr und mehr in ihren Bann: Schwalben wie geschwungene Schwerter, Reiher"harpune" - was für tolle, unverbrauchte Wendungen!

Und wie wundervoll herbsüß der harmomische Ausklang der Bilder dieser jagenden Vögel (okay, Nahrungssuche, aber eigentlich brutal) mit dem "die alte Herzensblume gießenden" Greis auf der Bank im Park (autobiographisch?) - einen schöneren Euphemismus für "in Erinnerungen schwelgen" habe ich wohl nie gelesen!

S3Z1 - die beiden Kommata bitte streichen, ein Einschub ist hier völlig überflüssig.

Ausgesprochen gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Im Stadtpark
« Antwort #2 am: Mai 21, 2017, 11:54:36 »
Lieber Sokrafisch,

ich kann nichts schreiben, was Erich nicht schon geschrieben hat.
Ein tolles Gedicht, in jeder Beziehung.
Eine Herzensblume, die die Wiese auf unnachahmliche Art und Weise schmückt - unvergänglich.

Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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