Autor Thema: Einsame Kindheit  (Gelesen 1602 mal)

Erich Kykal

Einsame Kindheit
« am: M?RZ 05, 2017, 13:17:16 »
Er stand abseits, wenn alle andern spielten,
der Welt in seinem Kopfe hingegeben.
Er wusste kaum, was jene andern fühlten
da draußen in der Welt, im wahren Leben.

Zu tief empfunden jedes ihn Verletzen,
zu schwer der Weg aus einem reichen Innen.
Das Außen war gefährlich, war Entsetzen,
und Einsamkeit ein mögliches Entrinnen.

Er wurde größer, aber nicht verstanden,
er glaube besser sich, so ging die Rede,
als alle anderen, und sie befanden
ihn seltsam wunderlich und etwas blöde.

Er blieb abseits, wenn alle andern lernten,
zu lieben und zu lachen und zu leben,
und ihm, dem aus der Welt Entfernten,
Verachtung oder Mitleid mitzugeben.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #1 am: M?RZ 05, 2017, 22:58:57 »
moin moin Erich,

den Inhalt kann ich aus eigener Erfahrung nachempfinden.

Das Gefühl
Zitat
Einsamkeit ein mögliches Entrinnen
war meine Zuflucht bis zum Berufsanfang.

So wie du es beschrieben hast, habe ich es gerne gelesen, wenn mir auch die Formulierungen der S4 nicht so richtig rund erscheinen. Doch eine bessere Art der Formulierung gelingt mir nicht.

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #2 am: M?RZ 06, 2017, 01:54:35 »
Hi Curd!

So richtig rund ist das Leben dieses Knaben denn auch nie gelaufen, vielleicht passt es von daher auch ganz gut ...  ;) :-\

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #3 am: M?RZ 06, 2017, 16:02:36 »
Lieber Erich,

ich finde es traurig, daß ein Mensch sein Leben lang an diesen Verletzungen leidet, aber ich kann es gut nachempfinden.
Bei mir zog es sich eigentlich bis zur Verlobung hin, die ersten "großen Lieben" ließen mich verletzt zurück.
Dafür war diese Zeit gedichtlich fruchtbar, aber jedes Gedicht ein Tasten nach Schönheit und eigentlich mißlungen.
Schwamm drüber, die Zeit hat sie vertilgt.
Dein Gedicht jedoch wird für immer lesenswert bleiben!

Lieben Gruß
von
Cypi
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Günter

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #4 am: M?RZ 06, 2017, 17:47:20 »
Lieber Erich,
mich erinnert Deine Schilderung an den Autismus. Zumindest lassen sich in solchen Fällen sicher autistische Zuge erkennen.
Dagegen ist schwerlich etwas zu tun. Wissen kann Nachsicht auslösen und damit Verletzungen vermeiden.
Gern gelesen und
lG Günter

Erich Kykal

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #5 am: M?RZ 06, 2017, 19:37:24 »
Hi Cypi!

Vielen Dank für den lieben Zuspruch. Heute bin ich drüber weg, mehr oder weniger ...  ??? ::)


Hi Günter!

Ein Autist war/bin ich bestimmt nicht, aber laut Test beinhaltet meine Persönlichkeit deutliche Aspekte eines Aspergersyndroms - aber insgesamt nicht genug für eine positive Diagnose.
Ich hatte nie - oder höchst selten - Probleme damit, mein Leben isoliert zu verbringen, und je älter ich werde, desto leichter fällt es. Wie oben im Gedicht gesagt: Einsamkeit tut nicht weh - es sind die Menschen, die einen verletzten. Oder die man selbst verletzt, absichtlich oder nicht. Als Knabe war ich einsam, denn da WILL man, dass jeder gut von einem denkt, man will respektiert und (irgendwie) integriert sein, weil man unsicher ist.
Heute will ich das auch noch, aber deshalb, weil ich gern gut auskomme -  mein Selbstwertgefühl mache ich schon lang nicht mehr daran fest, was andere von mir halten. Deshalb kann ich gerade heraus sein.

Im geregelten Umfeld des Schulunterrichts habe ich keine Probleme, auch wenn der Lärm und die Unruhe der Kids mit den Jahren stressiger werden - man selbst wird ruhiger und strahlt das auch aus! Aber offener, ungeregelter und ungefilterter Kontakt zu anderen Menschen wird mir immer rascher zuviel. Bei Sozialkontakten war ich nie gut - nie, wenn es um Gefühle ging, meine oder die anderer. Aber eine Klasse 14-Jähriger rocken oder eine Dichterlesung vor 100 Leuten - kein Problem! Wie gesagt: Kontrolliertes/kontrollierbares Umfeld, emotionsbereinigt oder diesbezüglich regulativ abgesichert.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Letreo71

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #6 am: M?RZ 07, 2017, 21:29:33 »
Lieber eKy,

dein Gedicht ist traurig und doch hab ich es sehr gern gelesen.
Ich habe großen Respekt vor deinen Zeilen, in denen du dich mitteilst!
Ich wünschte jeder Autist, bzw. Mensch mit autistischen Zügen wäre irgendwann in der Lage, sich mitzuteilen.
Mittlerweile gibt es zum Glück viele, die versuchen zu verstehen.

Freundliche Grüße

Letreo

Erich Kykal

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #7 am: M?RZ 07, 2017, 22:53:10 »
Hi letreo!

Es hat sich mittlerweile "eingeschliffen" ... - dennoch danke für dein Verständnis!  :)

Als Teenager war ich ein seltsames Mischwesen: Sensibel und völlig egomanisch zugleich, leidend und dennoch arrogant, intellektuell, aber emotional unbeholfen, allein mit mir und dennoch nach Anerkennung hungernd.
Ich liebte meine Eltern und vielleicht ein oder zwei Freunde (zumindest mit was ich glaubte, dass es Liebe sein sollte) - der Rest der Menschheit hätte jederzeit tot umfallen können, und es hätte mich ein Achselzucken gekostet - und bei nicht wenigen hätte ich sogar dankbar aufgeatmet!
Aber jede überfahrene Katze, jeder tote Igel, ein versehentlich totgetretenes Hasenjunges (ich war 11 und "erschlug" gerade Fantasiefeinde im Wald) oder einfach nur ein ebenso versehentlich von mir getötetes Heupferdchen (da war ich vier) - und ich konnte stundenlang mit wundem Herzen über soviel Unrecht und aus Mitleid Rotz und Wasser heulen!

Ebenso erging es mir mit Rilke's Panther, als ich 12 war - meine Initialzündung in Sachen Lyrik! Seit damals wollte ich das auch mit Sprache machen! Der arme an der Gefangenschaft zerbrochene Panther ließ mich heiße Tränen vergießen!
Wenn nahestehende Menschen starben, dann waren sie eben einfach nicht mehr da. Als mein Vater starb, weinte ich gar nicht, und als meine Mutter starb, zwei Mal. Vor etlichen Jahren weinte ich kurz über den frühen Tod meines ehemaligen Schuldirektors, den ich sehr gemocht und als Mensch hoch respektiert hatte.
Aber jede meiner Katzen kostete mich tiefste Trauer und minutenlange Weinkrämpfe, selbst nach Wochen noch!

Nun, ein wenig seltsam bin ich wohl heute noch!
Ich kann in Gedichten tiefe Gefühle abrufen, beschreiben und bei anderen auslösen - aber selbst bleibe ich stets beherrscht, klar und weitgehend nüchtern - so als gäbe es keine störenden Emotionen. Schon als Knabe war meine erklärte Lieblingsfigur und mein großes Vorbild in Sachen menschliche Interaktion  - na, wer wohl - Mister Spock aus "Raumschiff Enterprise"! Sein Hochziehen nur einer Braue habe ich damals als Junge stundenlang vor dem Spiegel geübt, wochenlang - bis ich es perfekt beherrschte!
Ich beneidete ihn um seine vermeintliche Seelenruhe und Emotionslosigkeit! Erst viel später begriff ich, was uns verband: auch er unterdrückte seine Gefühle nur - und ihm half wenigstens, dass er Halbvulkanier war! Ich habe es als purer Mensch geschafft, so zu werden! Zumindest weitgehend innerlich, nach außen bin ich freundlich unverbindlich bis humorig zynisch oder kühl nüchtern bis miesepetrig muffig, je nach Lage und Befindlichkeit. Aber es bleibt immer eine Fassade. Vielleicht sind die Gedichte mein Überdruckventil ...

LG, eKy

« Letzte Änderung: M?RZ 08, 2017, 23:58:57 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Letreo71

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #8 am: M?RZ 08, 2017, 22:03:16 »
Lieber Erich,

vielen Dank für deinen, sehr umfangreichen Kommentar. Deine Zeilen haben mich tief bewegt und sie stellen für mich eine Bereicherung dar.
Ich denke, es gehört viel Mut dazu, sich hier so zu äußern.
Wobei Mut, das ist wohl nicht das richtige Wort dafür, sondern Charakter und den hast du!

Lieben Gruß

Letreo

gummibaum

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #9 am: M?RZ 10, 2017, 21:38:58 »
Lieber Erich,

das Gedicht zeigt, wie sehr besonders das frühe Nicht-Verstanden Werden verletzt und wie die Ausgrenzung durch die anderen die Selbstausgrenzung nach sich zieht. Um Empfindliches und Wertvolles wächst so ein seelischer Schutzpanzer, der nur noch manchmal und dosiert durchlässig ist und immer mehr ein Gefühl der Fremdheit mit sich bringt. 

Das Gedicht aber baut eine emotionale Brücke.

LG g







   

Erich Kykal

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #10 am: M?RZ 10, 2017, 21:57:49 »
Hi Gum!

Genau. All das ist fast 40 Jahre her und eigentlich unter "bewältigt" abgelegt und lang verstaubt - aber irgendwann will es scheinbar doch digitalisiert werden ...  ;) ;D ::)

Vielen Dank für Den Gang über die Brücke!  ;) :)

LG, eKy
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Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #11 am: M?RZ 12, 2017, 17:21:26 »
das abseits stehen und sich vor der welt alleine fühlen ist wohl ein ganz gängiges grundgefühl pubertierender. ( also, es gibt nicht wenige jugendliche, die irgendwann einmal in dieser phase sind)
sensible menschen  haben es generell schwerer, sich ins gewühl der welt zu stürzen , die tun sich ihrem naturell gemäß eben leichter mit dem rückzug.
sprich: mit der einsamkeit im alter können sie möglicherwiese leichter umgehen als extrovertierte, die immer "action" brauchen!

hochbegabte haben ein zusätzliches problem: ihnen fehlen die peers - ansprechpartner auf der gleichen"wellenlänge"sind eben dünn gesät.
( und damals, als wir jung waren, gab es auch noch kein internet!)
hochbegabt + introviertiert = schwierige mischung in der jugend.  also ich kenne das auch gut von mir selber.

was noch dazukommt, und zwar bei allen jungen menschen: die erworbenen grundkonflikte der jeweiligen herkunftsfamilie, die man für sich zu klären und zu adaptieren hat!  und nebenbei noch herausfinden, wer man selber ist und wie man sich am besten durchwuschtelt durchs labyrinth leben.
alles das mischt sich zu dem neckischen cocktail: jung sein kann ganz schön mühsam sein!

mit der zeit kriegt man übung und wird auch gelassener ( alterserscheinung - aufregung kostet einfach schon zu viel kraft).

damit man dann aber nicht gleich übermütig wird, fangen postwendend die körperlichen wehwehchen an....

ich konnte das vergesellschaftet- sein auch nie lange aushalten , aber es gibt eben unterschiede: manche menschen bekommen einem, manche weniger.
die "bekömmlichen" hält man länger aus als die mühsamen. ( wobei das sehr unterschiedlich ist, was jeweils als "mühsam" erlebt wird!)

trotz alledem:"es hat schon was für sich, ganz für sich zu sein" ( zitat: hermann van veen)

fein, dass du dich aus deiner kapsel ein wenig rausgewurstelt hast, leiber erich!

lg, larin

Erich Kykal

Re: Einsame Kindheit
« Antwort #12 am: M?RZ 12, 2017, 19:53:47 »
Hi larin!

Vielen Dank für deine Gedanken und die Ermutigung!  :)

Meine "Kapsel" ist allerdings eine meterdicke Edelstahlkugel ...  ::) ;) ;D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.