Autor Thema: Neunzig  (Gelesen 1542 mal)

Günter

Neunzig
« am: Januar 05, 2017, 09:56:42 »
Die Drei ist heilig und auch hoch gepriesen,
so sei sie zigmal für uns gern verschenkt!
Ist dreimal drei dir freundlich zugewiesen,
und das mal zehn, hat Wurzeln tief gesenkt.


Das Glück ist mehr als ein gefüllter Teller
und als die Tropfen aus dem vollen Glas.
Es sind auch Tage, die uns etwas heller
und manche Stunde träumend auf dem Gras.

Nicht Schönheit, die für Reichtum zu erkaufen,
auch nicht Erfolg, der allzu schnell verglüht.
Vielleicht die Muße, etwas zu verschnaufen,
ein zarter Duft, der durch die Sinne zieht.
 
Das Glück sind Menschen, die uns nahe stehen,
ganz sicher ist es jedes gute Wort.
Die Kunst, das Böse mal zu übersehen -
wo Frieden ist, wird Heimat uns der Ort.

Nicht Herrschaft ist es, leben wie ein König,
auch Geltung nicht gemäß der Eitelkeit. 
Von allem Guten brauchen wir nur wenig
und zum Genießen immer etwas Zeit.

Sind schon die Jahre reich an Zahl verflossen,
so zählt im letzten Abschnitt nur das Glück.
Ich habe, was das Leben gab, genossen
und schaue mit erfülltem Blick zurück.

« Letzte Änderung: Januar 05, 2017, 14:34:46 von Günter »

Erich Kykal

Re: Neunzig
« Antwort #1 am: Januar 05, 2017, 11:31:28 »
Hi Günter!

Gefällt mir!

Ein paar kleine Tipps, wenn ich darf:

Die Drei ist heilig und auch hoch gepriesen,
so sei sie zigmal für uns gern verschenkt! Flüssiger lesbar: "... zigmal gern für uns verschenkt!".
Ist dreimal drei dir freundlich zugewiesen,
und das mal zehn, hat Wurzeln tief gesenkt. Wer oder was hat "Wurzeln tief gesenkt"? Da fehlt was! Wäre "versenkt" nicht klarer?

Das Glück ist mehr als ein gefüllter Teller
und als die Tropfen aus dem vollen Glas.
Es sind auch Tage, die uns etwas heller Satzbautechnisch ungünstige Verkürzung. So geschrieben erwartet der Leser einen Vergleich: "...als ... sind/scheinen usw...".
und manche Stunde träumend auf dem Gras.

Wohl nicht die Schönheit, die das Geld kann kaufen, Unschöne Inversion. Altern.: "die wir eitel kaufen,".
auch nicht Erfolg, der allzu schnell verglüht.
Vielleicht die Muße, etwas zu verschnaufen,
wie auch ein Duft, der durch die Nase zieht. Klingt etwas prosaisch, die Nase. Lyrischer: "... der durch die Seele zieht." Damit inkludierst du auch gleich die Wirkung des Geruchs im Bewusstsein.

Glück sind die Menschen, die uns nahe stehen, Betonter Auftakt! Metrischer Bruch. Anders gelesen klänge der Satz sehr unnatürlich. Lösung: "Das Glück sind Menschen, ...".
ganz sicher ist es jedes gute Wort.
Die Kunst, das Böse mal zu übersehen, Hier unbedingt ein Bindestrich anstatt des Kommas am Zeilenende, um die Sinneinheiten abzugrenzen.
wo Frieden ist, wird Heimat uns der Ort.

Nicht Herrschaft ist es, leben wie ein König,
auch nicht die Geltung nach der Eitelkeit. "Geltung" ist hier das falsche Wort. Und niemand strebt nach Eitelkeit. Würde ich anders formulieren: "auch Hoffart nicht im Sog der Eitelkeit." - oder so ...
Von allem Guten brauchen wir nur wenig
und zum Genießen immer etwas Zeit.

Sind schon die Jahre reich an Zahl verflossen,
so zählt im letzten Abschnitt nur das Glück,
dass ich, was mir gegeben, hab genossen -
fällt auf das Leben ein erfüllter Blick.


Alternative für die beiden letzten Zeilen: (Punkt nach "Glück" am Ende von Z2)

Ich habe, was das Leben gab, genossen
und schaue mit erfülltem Blick zurück.


So hättest du auch einen reinen Reim auf "Glück".


Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Günter

Re: Neunzig
« Antwort #2 am: Januar 05, 2017, 14:46:16 »
Lieber Erich,
besten Dank für Deine Hilfe!
Ich habe mich intensiv mit Deinen Vorschlägen beschäftigt und teils andere Lösungen gewählt.
Bei den Strophen 1.+ 2. tue ich mich etwas schwer. Sicher fehlt da das "was", doch das lässt sich nicht unterbringen. Wurzeln werden nach meinen Verständnis in die Tiefe gesenkt. Versenken würde ich einen Schatz.
Die "Tage, die uns heller" scheint mir nicht eines Vergleiches zu bedürfen, einzig könnte man ein Hilfsverb missen.
Bei der 1.Z. 3.S. möchte ich im Konjunktiv bleiben.
Ich freue mich sehr über Deine Hinweise, sie regen mich an, über vieles nachzudenken.
Herzlichst
Günter

Erich Kykal

Re: Neunzig
« Antwort #3 am: Januar 05, 2017, 16:44:13 »
Hi Günter!

S3Z1 hat nichts mit einem Konjunktiv zu tun.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Neunzig
« Antwort #4 am: Januar 07, 2017, 14:26:42 »
Hallo, Günter -

Dein Gedicht ist weise, warmherzig, klug und sehr tröstlich.
Mir gefällt es sehr, weil es viel von meiner Lebenseinstellung enthält.

Hat jemand so viele Jahre auf dem Buckel wie ich, weiß er Deine Philosophie 7u schätzen.

Freundlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Günter

Re: Neunzig
« Antwort #5 am: Januar 07, 2017, 23:49:48 »
Lieber Cyparis,
auch wenn im Detail einige Mängel bestehen, so hat doch die Aussage Deine Zustimmung gefunden.
Dein Lob freut mich sehr. Vielen Dank!
Herzlichst Günter

gummibaum

Re: Neunzig
« Antwort #6 am: Januar 13, 2017, 13:21:59 »
Das gefällt mir gut, lieber Günther, zumal es nicht, wie manche Geburtstagsgedichte, abgedroschene Phrasen eng um den Jubiliar flicht. Du hast einige  Gedanken zum Leben neu formuliert, so dass sie übertragbar und erfrischend daherkommen.

LG gummibaum   

Günter

Re: Neunzig
« Antwort #7 am: Januar 16, 2017, 10:47:33 »
Hallo gummibaum,
Dein Kommentar freut mich sehr! Herzlichen Dank!
Herzliche Grüße
Günter