Hi Cypi!
Ich kenne meine dunkle Seite, weil ich sie zu umarmen gelernt habe. So gärt sie nicht in mir und kann mich nie verschlingen.
Nicht umsonst trage ich anderswo den Beinamen "Tenebrae" ...
Dort schrieb ich diese Antwort an eine Userin, die sich an "Das Schweigen der Lämmer" erinnert fühlte:
Interessant, dass du das erwähnst! Der Film "Das Schweigen der Lämmer" war auch das Vorbild für dieses Werk, das mir beim Schreiben vor Augen stand.
Sowohl die Getriebenheit des "Buffalo Bill", der begehrt, was er täglich sieht, bis er sich nicht mehr beherrschen kann und "tätig" wird, nur um in rettungslosen Wahnsinn abzugleiten, als auch die berechnende Gefühlskälte des hochintelligenten Soziopathen Hannibal Lecter, der sein Anderssein geradezu feierlich zelebriert.
Beiden Ausprägungen gemeinsam ist die Erlangung von absoluter Macht über andere, sei es Körper, Geist - oder beides.
Ich glaube, ein klein wenig von diesen Aspekten findet ein jeder in seinem Wesenskern, ob ihm das passt oder nicht. Damit müssen wir leben und zurechtkommen, und für die meisten sozialisierten Charaktere stellt das ja auch kein Problem dar. Aber wer hätte nicht schon mal - ganz heimlich bei sich - überlegt, wie es wohl wäre, alle Hemmungen und Sperren fallen zu lassen, um sich ganz und gar überlegen fühlen zu können, unbehindert von empathischen Überlegungen, Rücksichtnahme und sozialen Zwängen und Regeln ...
Dabei muss es gar nicht zu Lustmorden oder anderen lethalen physischen Kontrollverlusten kommen - den meisten genügt die Illusion von (emotionaler) Unverwundbarkeit und Allmacht, die sie empfinden (oder empfänden), wenn sie absolut unempathisch sein könnten.
Ich glaube sogar, solche Fantasien gehören bei uns dazu, um Frust und Zorn so abreagieren zu können, ohne dass es zu direkten Reaktionen kommt. In meiner Teenagerzeit, als gemobbtes Schulkind, hatte ich eine ganze Liste von "Feinden" sowie passender Todesarten für sie, die jede Menge Folter und Erniedrigung beinhalteten!
Mich nach einem Tort geistig damit zu beschäftigen, verhinderte wohl, dass ich irgendwann Amok lief ...
Aber das führt hier schon zu weit und vor allem fort von der eigentlichen Intention obigen Gedichts. Da wollte ich nur diesen Augenblick der Entscheidung beschreiben, wenn ein Soziopath zum Psychopath wird, weil er beschließt, seine Vorstellungen real zu verwirklichen, sich nicht mehr von Gesetzen und Konventionen oder der Angst vor Konsequenzen bremsen zu lassen. Für die Opfer eine Tragödie, aber aus der Sicht des Täters eine Erlösung, eine Befreiung, eine Katharsis - wie eine Metamorphose (was ja schon zum Schmetterling aus "Das Schweigen der Lämmer" passt, der diese Verwandlung symbolisiert: Aus der starren Puppe schlüpft agile Pracht, endlich frei, um zu fliegen: konzeptionelle Reinheit - vielleicht grausam und unsäglich, aber auf seltsame und verdrehte Art eben (zumindest für Außenstehende) auch faszinierend und vielleicht sogar irgendwie beneidet).
Tja, so komisch ist es zuweilen, Mensch zu sein ...
LG, eKy