Autor Thema: Betrachtungen eines Hauskaters  (Gelesen 1222 mal)

Aspasia

  • Gast
Betrachtungen eines Hauskaters
« am: Juni 29, 2016, 17:39:02 »
Nicht zu fassen: Jetzt hat mein Dicker schon dreimal auf den Radio-Wecker gekloppt und ihn mundtot gemacht! Der pennt in voller Absicht weiter und riskiert glatt seinen Job! Ich habe durchaus Verständnis für den Jammer, wenn man von seiner Lieblingskatze verlassen worden ist, da spreche ich aus Erfahrung, auch wenn ich mir deswegen noch nie eine halbe Flasche Wodka hinter die Binde gekippt habe; aber deswegen derart durchzusacken geht mir entschieden zu weit. Schließlich hängt von der geistigen Verfassung meines Dicken mein künftiges, hoffentlich noch langes Leben ab. Und dieser Ignorant riskiert einfach so seinen Job! Einfach so! Wegen so einer verdammten Mieze, die gestern mit gepacktem Koffer hier rausmarschierte, als hätte sie gerade herausgefunden, wie man die Welt erobert - und das mit einem geradezu provozierenden Schnurren! So hörte es sich für mich jedenfalls an. Unverschämtes Weib! Die wusste gar nicht, wie gut es ihr bei uns ging. Hätte mich ja mal fragen können, bevor sie ausflippte. Aber da wäre ihr ein Zacken aus der Krone gefallen, so wie die mich hasste. Am liebsten hätte sie mich erwürgt, da wäre sie die Konkurrenz auf dem Bett losgeworden. Nur, dass ich an der Matratze die älteren Rechte hatte, und die wurden von mir rund um die Uhr mit jeder einzelnen Kralle verteidigt!

Verdammt und zugenäht: Es ist halbsieben, und ich brauche unbedingt etwas von diesem Supermarkt-Dosenzeug in meinen Napf, sonst bin ich in einer halben Stunde tot!

Na warte, mein Freund! Ich werde dich Mores lehren!

Autsch! Der hat mich gehauen! Dabei habe ich ihn doch nur sanft und ganz kurz in die Wade gekniffen. Und da zieht mir dieser Sadist doch glatt die Hand über die Ohren! Hat der überhaupt kein Mitgefühl? Ich stehe kurz vor dem VERHUNGERN! VERHUNGERN! Zum Glück war er im Halbschlaf und noch reichlich alkoholbenebelt, sonst hätte er mich glatt umgebracht. Das verzeihe ich ihm nie. Nicht, bis die Sonne stirbt. Und danach auch nicht. Das lasse ich ihn aber erst merken, wenn mein Napf frisch gefüllt ist. Ich habe zwar einen unbeugsamen Stolz, doch sollte man darüber nie die Taktik vergessen, wenn es um das Erreichen eines Zieles geht. Altes Kater-Familiengeheimnis. Aber ich schwöre: Spätestens nach dem Frühstück wird dieser Schuft nur noch meinen Hintern sehen - und der ist noch zu gut für ihn.

Na, endlich rappelt sich mein Dicker auf. Jetzt nix wie weg, bevor er zu Gähnen beginnt, sonst bin ich für die nächste Viertelstunde selber blau.

Ich glaube es nicht: Jetzt steckt er sich so ein widerliches Räucherstäbchen ins Maul, hält ein Streichholz dran, legt sich wieder hin und stiert die Zimmerdecke an! Bis sich die Fluppe in Asche aufgelöst hat, muss ich eine Ewigkeit warten - bis dahin bin ich tot, tot, tot – mausetot!

Ich schrei jetzt einfach mal laut: „KOOOHLDAMPF!“

Gibt’s das: Der guckt nicht mal. Dem ist nicht einmal die Asche von der Zigarette gefallen!

Zugegeben: Mein Protest hörte sich eher wie ein „Miiiiau“ aus einer verrosteten F-Trompete an. Als ich noch ein kleines süßes Kätzchen war, genügte das zarte „Bing“ einer Harfensaite, und mein Dicker riss sich für mich die Beine aus. Ich muss mich stark verändert haben. Na ja, der Dicke aber auch, der war mal schlanker und drahtiger gewesen. Heute bekäme er mich nicht mehr so leicht vom Vorhang runter wie damals.

Ich habe eine gute Idee: Ich stiefele jetzt ins Badezimmer und fege die Utensilien von der Ablage. Das macht Spaß und einen herrlichen Radau, und wenn ich es geschickt anstelle, geht dabei das Aftershave im Waschbecken zu Bruch. Im Abspulen von Toilettenpapierrollen halte ich übrigens die städtische Meisterschaft. Also kräftig in die Pfoten gespuckt: Toi, toi, toi und dreimal schwarzer Kater! Wäre doch gelacht, wenn ich diesen tristen Fettsack nicht auf die Beine bekäme.

29.06.2016
« Letzte Änderung: Juni 29, 2016, 22:39:27 von Aspasia »

Erich Kykal

Re: Betrachtungen eines Hauskaters
« Antwort #1 am: Juni 29, 2016, 18:18:33 »
Hi Aspasia!

Ich bin ja "der Dicke" von einem Kater, insofern kann ich diese Episode gut nachempfinden!  ;D

Mein Schnurrer hat ein starkes Stimmchen - wenn er tagsüber Hunger hat oder spielen will, maunzt/jault er so laut, durchdringend und ausdauernd, dass ich es nicht lang aushalte!  ::)

Zum Glück weiß er, dass mein Schlaf mir heilig ist und wagt nicht, mich zu wecken ... - Auch was Bosheitsakte und ähnliche Protestaktionen angeht, hält er sich vornehm zurück!

Amüsiert gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Betrachtungen eines Hauskaters
« Antwort #2 am: August 09, 2016, 16:28:26 »
Aber hallo.....!
Ist das eine drollige Geschichte.
Da wird man über die Charakerstärke eines Hauskaters bestens informiert und das so amüsant, daß es nach einer Veröfdfentlichung schreit!
Jede gestandene Illustrierte, von Katzenjournalen gar nicht zu sprechen, muß saich alle zehn Pfoten danach lecken!

Aspasia, da ist Dir ein Stück Litewratur gelungen!
Daß ich das übersehen konnte.... ???

Hingerissenen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
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