Autor Thema: Erblindet  (Gelesen 1184 mal)

gummibaum

Erblindet
« am: Mai 16, 2016, 10:50:06 »
Der Himmel dunkel und im grauen Wogen
nur eine kleine, lichte Stelle blau.
Sie schwimmt dahin, bedrängt von schwerem Grau,
ein Auge, und es hat mich angezogen.

Zum Fenster geh ich, magisch hingeleitet,
und träume mich hinauf und schon hinein.
Ach, könnte ich mit ihm verbunden sein,
und fühlen, wie das Grau uns dieses neidet.

Da schiebt sich Dunst, als hätte er erraten,
was ich mir wünsche, in den hellen Fleck,
und plötzlich bin ich blind, sind alle Saaten,

die meine Seele keimen fühlte, weg.
Und schwerer Regen fällt und löscht die Taten,
die ich mir wünschte. Treibt mich ins Versteck.

Erich Kykal

Re: Erblindet
« Antwort #1 am: Mai 17, 2016, 22:24:09 »
Hi, Gum!

Schweres Geschütz anläßlich eines Fleckchens Blau in einem grauen Himmel! ;)

Scherz beiseite - das ist wirklich wunderbar gelungen! Was mich einzig ein gaaaanz klein wenig zwiebelte (aber bei weitem nicht sehr, dass ich Änderungen vorzuschlagen wagen würde!), waren der umfassende Reim in S2: "-leitet/neidet" ist leicht unrein, da würde ich vielleicht über eine Zeile mit "streitet", "widerstreitet", "weitet", usw.. nachdenken, ... sowie die männlichen Kadenzen in den Terzetten, dabei besonders die Zeile mit "weg" (S4Z1): diese lapidare, recht gemeinsprachlich klingende Formulierung klingt dort am Zeilenende für mich doch ein klein wenig ungelenk, vor allem, wenn man das sonstige Sprachniveau als Maßstab zugrunde legt!

Vom Rest bin ich restlos begeistert! ;) :)

Allergernst gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Erblindet
« Antwort #2 am: Mai 18, 2016, 14:26:45 »
Hallo Gummibaum,

ein Loch ist kein Loch ohne das Drumherum. Schoen beschrieben und gedichtet.

gefaellt mir.

Copper

Agneta

  • Gast
Re: Erblindet
« Antwort #3 am: Mai 18, 2016, 18:22:01 »
ein sehr schönes Sonett  mit Tiefgang, lieber Gum. So oft sehen wir einen blauen Fleck im Düsteren , geben alle Hoffnung hinein und sind doch nicht schnell oder mutig genug, die Chance beim Schopfe zu fassen.
Das ist die zweite, metaphorisierte Ebene hinter deiner Naturbeschreibung.
Dann ziehen wir uns verschämt in unsere Schmollstube zurück ( Versteck).
So lese ich es zumindestens.

Auch formal klasse gemacht, sogar die Terzette sind dreifach gereimt. Es wirkt flüssig, rund und nicht bemüht.  Das "weg" fällt zwar etwas aus der Sprachschicht, aber mich stört es nicht.
!!!

LG von Agneta
« Letzte Änderung: Mai 18, 2016, 18:27:25 von Agneta »

gummibaum

Re: Erblindet
« Antwort #4 am: Mai 21, 2016, 14:39:08 »
Hallo Erich, cyparis und Agneta,

tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte, aber ich habe mich sehr über eure Antworten gefreut. Schön, dass ihr die zweite Bedeutungsebene bemerkt habt.

"Leidet/neidet" und "weg" sind Schönheitsfehler in diesem Gedicht, dass ich ohne abzusetzen schrieb, aus Angst, dass mir die Stimmung entwischt.

LG gummibaum

 

Curd Belesos

Re: Erblindet
« Antwort #5 am: Mai 26, 2016, 00:29:37 »
moin moin gum,

Zitat
Ach, könnte ich mit ihm verbunden sein,
und fühlen, wie das Grau uns dieses neidet.

Es ist gut, dass du lieber ein paar Schönheitsfehler in Kauf genommen hast, denn so eine Stimmung mit solchen wunderbaren Einfällen, sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen.
Ich empfinde das von mir herausgestellte Zitat als einen grandiosen Gedanken von dir.  :)

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

gummibaum

Re: Erblindet
« Antwort #6 am: Mai 26, 2016, 10:47:03 »
Danke, lieber Cuird. Deine positive Rückmeldung tut mir gerade richtig gut.

Einen schönen Tag wünscht dir
gummibaum

cyparis

Re: Erblindet
« Antwort #7 am: Juni 10, 2016, 17:08:02 »
Hallo Erich, cyparis und Agneta,

tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte, aber ich habe mich sehr über eure Antworten gefreut. Schön, dass ihr die zweite Bedeutungsebene bemerkt habt.

"Leidet/neidet" und "weg" sind Schönheitsfehler in diesem Gedicht, dass ich ohne abzusetzen schrieb, aus Angst, dass mir die Stimmung entwischt.

LG gummibaum


Lieber gummibaum,

Du hast mich - verständlich! - namensmäßig mit Copper verwechselt.
Ich bin leider jetzt erst dran - spät und ungenügend.

Das Sonett, das so hoffnungsvoll beginnt, endet so verzagt?
Wie beklemmend, wenn auch die Seele zu erblinden droht!
Und dennoch  - wie schön gestaltet, Dein Gedicht!

Wehmütigen Gruß
von
Cyparis

Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
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