Autor Thema: Kafka revisited  (Gelesen 1646 mal)

Waldbaum

  • Gast
Kafka revisited
« am: Dezember 04, 2009, 20:15:37 »
Der Bank des Großvaters

Nächtens betrachte ich die Bank des Großvaters. Was will sie mir sagen, mir, dem Sohn des Hauses? Von fernher höre ich das Fehlläuten der Nachtglocke. Welche Botschaft will sie mir bringen? Von welchem Kaiser? Nachdenklich gehe ich am Morgen über die Brücke des alten Reiches. Ich bin von vielzähligen Schnabeltieren umgeben. Sie haben mich, als ich in Gedanken versunken beim Spazierengehen auf der Brücke  stehen blieb und apathisch in den Himmel blickte, in einem Kreise umzingelt. Was wäre, wenn ich nun von der Brücke spränge?  Ein unendlicher Strom von Fischen schwimmt unter der Brücke. Ein geradezu endloser Verkehr von schweigenden Fischen. Warum schweigen sie mit mir, dem alten und vertrauten Kunden des Kohlehändlers?

Allein mit meinen Gedanken gehe ich von Brückengeländer zu Brückengeländer. Warum kommt nicht meine Schwester, um mir zu helfen? Ich fühle, wie ich zu einem einzigen großen Ungeziefer werde. Ein alter Rabbiner sagte mir einmal: "Dieses Gesetz ist nur für dich bestimmt." Wann aber beginnt der Prozess? Und immer noch keine Nachricht aus dem Schloss meiner Heimat.  Was ist, wenn ich nun verzweifelte?  Niemand  sieht mich, niemand hört mich. Lauter Niemand! Was, wenn ich nun selber ein Niemand wäre?

cyparis

Re:Kafka revisited
« Antwort #1 am: Dezember 06, 2009, 11:16:48 »
Lieber Waldbaum,

es wird damit enden, daß Du zum Hungerkünstler wirst und unbeachtet in Deinem Käfig stirbst, Du Armer!



Lieben Gruß
von
cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Waldbaum

  • Gast
Re:Kafka revisited
« Antwort #2 am: Januar 19, 2010, 07:57:51 »
Oder Max Brod wird mich erretten - und einen schönen Schluss schreiben  dazu!  :)

Grüngold

Re: Kafka revisited
« Antwort #3 am: Dezember 31, 2020, 04:41:29 »
Der Bank des Großvaters

Nächtens betrachte ich die Bank des Großvaters. Was will sie mir sagen, mir, dem Sohn des Hauses? Von fernher höre ich das Fehlläuten der Nachtglocke. Welche Botschaft will sie mir bringen? Von welchem Kaiser? Nachdenklich gehe ich am Morgen über die Brücke des alten Reiches. Ich bin von vielzähligen Schnabeltieren umgeben. Sie haben mich, als ich in Gedanken versunken beim Spazierengehen auf der Brücke  stehen blieb und apathisch in den Himmel blickte, in einem Kreise umzingelt. Was wäre, wenn ich nun von der Brücke spränge?  Ein unendlicher Strom von Fischen schwimmt unter der Brücke. Ein geradezu endloser Verkehr von schweigenden Fischen. Warum schweigen sie mit mir, dem alten und vertrauten Kunden des Kohlehändlers?

Allein mit meinen Gedanken gehe ich von Brückengeländer zu Brückengeländer. Warum kommt nicht meine Schwester, um mir zu helfen? Ich fühle, wie ich zu einem einzigen großen Ungeziefer werde. Ein alter Rabbiner sagte mir einmal: "Dieses Gesetz ist nur für dich bestimmt." Wann aber beginnt der Prozess? Und immer noch keine Nachricht aus dem Schloss meiner Heimat.  Was ist, wenn ich nun verzweifelte?  Niemand  sieht mich, niemand hört mich. Lauter Niemand! Was, wenn ich nun selber ein Niemand wäre?

Das habe ich mal vor 11 Jahren geschrieben - und finde es immer noch gut. :)
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Kafka revisited
« Antwort #4 am: Januar 12, 2021, 18:31:05 »
Kafka hätte seine helle Freude an meiner Version.
"Imitation is the sincerest form of flattery" - wie der Engländer sagt.
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Kafka revisited
« Antwort #5 am: Januar 12, 2021, 18:31:31 »
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Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.