Im Eierschneider
In der letzten mondeshellen
Nacht erschien er riesengroß.
Griff mich, um mich abzupellen,
legte mich in seinen Schoß.
Senkte die gespannten Saiten.
Es begann ihr feiner Stahl
mühelos durch mich zu gleiten,
seltsam süß war diese Qual.
Heute muss ich liegen bleiben,
fühle mich wie ausgelutscht.
Aufzustehen in zehn Scheiben
birgt Gefahr, dass man verrutscht...
Finderlohn
Ein Ei war allzu gut versteckt
und blieb im Garten unentdeckt.
Die Elster trug es jetzt ins Nest
und brütet, wie sich denken lässt,
damit dem Ei der Sinn entschlüpft,
den mancher Mensch an Ostern knüpft…
Erlösung
Plötzlich schallt aus tiefen Zonen
unverhofft ein Freudenschrei,
und das Gold in den Ikonen
schmilzt und lässt mich endlich frei.
Munter dehne ich die Glieder,
steige von der kalten Wand.
Nehm nach tausend Jahren wieder
meine Zukunft in die Hand…
Einstimmung
Heute nahm ich Garn und Nadel,
stopfte sorgsam jedes Loch
und verlieh mir Seelenadel,
weil es schon nach Frühling roch.
suum cuique
Manchmal sind in Dichterforen
Wesen, die mit langen Ohren
klägliches I-A entfalten,
doch für Pegasus sich halten.
Schwingst du dich auf ihre Rücken,
wird ein Höhenflug nicht glücken.
Doch ihr störrisches Gebaren
kann den Kauz vorm Sturz bewahren...
Geh mit der Zeit
Wer gestern etwas auf sich hielt,
hat oft mit Bildung viel erzielt.
Wer heute etwas auf sich hält,
erpresst mit Geiseln Lösegeld.
So ändern sich nun mal die Werte,
es bleibt nicht alles, wie es war.
Und wählst du das zurzeit Begehrte,
bist du beliebt. Soviel ist klar…