Autor Thema: Das Trommelfell  (Gelesen 1344 mal)

gummibaum

Das Trommelfell
« am: Januar 30, 2016, 01:28:20 »
Im Rahmen bin ich ausgespannt,
den Schlägeln preisgegeben,
und zieh vibrierend übers Land,
den Mut zum Kampf zu heben.

Und muss die Angst, die warnend wühlt,
durch harten Takt ersetzen,
und jeden, der noch liebt und fühlt,
im Gleichschritt vorwärts hetzen.

War ich dem Leben nicht die Haut
in meinen jungen Tagen?
Und muss es nun mit kaltem Laut
dem Tod entgegen tragen!

Erich Kykal

Re: Das Trommelfell
« Antwort #1 am: Januar 30, 2016, 10:28:09 »
Hi, Gum!

Wundervoll - das ist GROSSE Lyrik vom Allerfeinsten!

Kein aufdringlich geschwungener Zeigefinger bohrt die Moral dem Leser ins Gehirn hinauf - nur trauerndes Bedauern über die menschliche Dummheit, sich einem kalten Gleichschritt zu unterwerfen, auf dumme Argumente und das eigene bornierte Vorurteil zu hören!
Dass ausgerechnet das Trommelfell, gezwungenermaßen der Weiterleiter solcher Botschaften des Hasses und des Gehorsams, hilflos über diese Stupidität trauert, ist schlichtweg ein genialer Kunstgriff: Teil des Menschen, und doch Opfer der Umstände, der eigenen Aufgabe, weil ein anderer Teil, der das Sagen hat, es ohne Rücksicht mit in die Katastrophe reißt - welch ein wundervolles Gleichnis obendrein, zusätzlich zur augenfälligen Botschaft deiner Zeilen!

Deshalb: Chapeau! Wieder eins dieser Gedichte, die ich unbedingt gerne selbst geschrieben hätte! :)

Allergernst gelesen und bewundert!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Das Trommelfell
« Antwort #2 am: Januar 30, 2016, 14:14:01 »
Du machst mir mit deinem Lob eine große Freude, Erich. Gleich geht es mir viel besser.

Einen schönen Tag wünscht dir

gummibaum

Curd Belesos

Re: Das Trommelfell
« Antwort #3 am: Februar 06, 2016, 23:32:42 »
moin moin gum,

es sind die letzten zwei Zeilen, die dein Gedicht mit bitterer Ironie unterstreichen und dadurch auffällig machen.

Es gefällt mir sehr gut und wie Erich bereits sagte :

Deshalb: Chapeau! Wieder eins dieser Gedichte, die ich unbedingt gerne selbst geschrieben hätte! :)
[/color]

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

gummibaum

Re: Das Trommelfell
« Antwort #4 am: Februar 07, 2016, 10:17:02 »
Lieber Curd,

hab Dank für deine Worte. Alles Liebe

gummibaum

cyparis

Re: Das Trommelfell
« Antwort #5 am: Februar 18, 2016, 19:03:09 »
Ich schließe mich vorbehaltlos an!

LG
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

a.c.larin

Re: Das Trommelfell
« Antwort #6 am: Februar 19, 2016, 19:34:45 »
lieber gummibaum,

man liest es das erste mal, das zweite mal - und beim dritten mal  schlägt die botschaft deiner zeilen dumpf in der magengegend auf wie eine bombe!
trommeln und musik waren ursprünglich etwas metaphysischse , gemacht, die menschen mit höherem zu verbinden ,
dass man trommeln verwendet, um sie ins verderben zu jagen, ist das grausam-entsetzlich daran.

wir verwenden, was uns helfen und heilen sollte, um einander besser massakrieren zu können.

wir müssen meschugge sein, wir menschen.

toll umgesetzt!
lg, larin

Erich Kykal

Re: Das Trommelfell
« Antwort #7 am: Februar 19, 2016, 22:59:05 »
Hi, Leute!

Erst mal: Bei meinem ersten Lesen dachte ich an das menschliche Trommelfell im Ohr und interpretierte das Gedicht dahingehend.

Nun erst erkenne ich, dass die Trommelbespannung gemeint ist, ein Leder!

Dazu:

Trommeln sind wahrscheinlich das älteste Instrument überhaupt und dienten von je als Hilfe, um sich in Trance zu versetzen. Ob bei Feiern, Ritualen, Heilungen - oder eben Kampf!
Dazu muss man verbildlichen, dass erst unser "modernes" Zeitalter den Krieg verdammt, den Kampf als Problemlösungsstrategie - zumindest vordergründig - moralisch verwirft, vor allem seit moderne Waffen den Krieg zur Massentötung Unschuldiger machten.
Früher, vor dem 20., vielleicht soagr schon dem 19. Jhdt., war das anders. Der Krieg galt als Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln, als "ehrenhafter" Brotverdienst, man errang als Krieger/Soldat Ehre. (Man denke als Beispiel nur an die Kriegstrommeln der Indianer und die Begeisterung einzelner Stämme dabei, sich gegenseitig nach Kräften zu metzeln, schon immer und lange, ehe der weiße Mann kam!)
Zudem galt das einzelne Menschenleben einfach nicht soviel, die Gruppe, der Clan, der Stamm, das Königreich usw. zählten alles. Sich dafür einzusetzen und zu opfern, galt als höchst ehrenhaft und edel. Die heutigen Militärs stemmen sich mit genau dieser Einstellung gegen modernes pazifistisches Gedankengut. Zurecht?

Daher hatten frühere Generationen gar kein Problem damit, bei Trommelklang in die Schlacht zu marschieren, und so ein Gedicht wie oben hätte sie eher befremdet, denn in ihrer Weltsicht war der Kampf ein probates und lauteres Mittel. Falls es damals schon Pazifisten oder Hippies gab, so lebten sie mit dieser Einstellung nicht lange!
Erst der Schutz durch einen starken, sicheren, stabilen und freigeistigen Staat erlaubte es dieser Saat, aufzugehen und Blüten zu treiben.

Nun, so lange nicht die ganze Welt ein sicherer, stabiler Staat ist, wird es immer Kräfte von außerhalb geben, die nur auf Schwäche warten. So lange werden Soldaten und  - heute eher metaphorischer - Trommelklang leider ein notwendiges Übel sein. ::) :'(

LG, eKy
« Letzte Änderung: Februar 20, 2016, 13:57:26 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Das Trommelfell
« Antwort #8 am: Februar 20, 2016, 08:51:07 »
Ich war wohl  s e h r  blind! >:(
Der Schönheit treu ergeben
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copyright auf alle Texte

gummibaum

Re: Das Trommelfell
« Antwort #9 am: Februar 20, 2016, 12:43:20 »
Liebe Cyparis, liebe larin, lieber Erich,

habt herzlichen Dank. Ich habe alles mit großem, ja größtem Interesse gelesen.

Nur kurz zur Entstehung des kleinen Gedichts: Begonnen am Freitagabend. Am Ende der Arbeitswoche fühlte ich mich zum Zerreißen gespannt und zerschlagen. Ich fasste das Gefühl in die ersten zwei Verse und siehe da, es löste sich schon auf.

Um die Verse zu retten, ging ich ins Internet. Dort half mir ein historischer Film, der trommelnde Soldaten zeigte. Sie marschierten getaktet trotz sichtbarer Qual über sterbende Freunde hinweg im Gleichschritt weiter.

Ein schönes Wochenende wünscht euch

gummibaum







 

a.c.larin

Re: Das Trommelfell
« Antwort #10 am: Februar 20, 2016, 21:39:59 »
hihi,
mir gings beim lesen des titels genau wir erich: ich dachte auch an das innenohr.
allerdings passte mir der text dann nicht dazu.

und die erklärung von gummibaum, dass die erschöpfung nach einer langen arbeitswoche hier mit eingeflossen ist, kann ich  nachvollziehen.

wir sollten einfach schon weniger tun dürfen, wir über-fünzigjährigen.
sonst erscheint und das leben wie ein schlachtfeld.

lg, larin