Autor Thema: LAUTERE LYRIK  (Gelesen 20804 mal)

gummibaum

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #60 am: M?RZ 16, 2016, 02:30:35 »
Dass ich lachen musste, zeigt, dass auch ich mich teilweise wiedererkannte. Aber Lächerlichkeit ist an Blickwinkel geknüpft. Wenn sich der Lust-Opa zum Beispiel als Aristoteles erweist, wird klar, dass sich Subtiles und Primitives oft bedingen, die Einsortierung in "gescheiterte Existenz" zu kurz greift. Überhaupt ist die moralische Brille ein Hilfsmittel, das Kurzsichtigkeit bisweilen mehr fördert als überwindet. 

LG g     
« Letzte Änderung: M?RZ 16, 2016, 02:42:16 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #61 am: M?RZ 16, 2016, 10:20:04 »
Hi, Gum!

Ein interessanter Aspekt: Ist "Lust-Opa" zu sein moralisch tragbarer, wenn man Aristoteles heißt, sprich, anderweitig eine Respektsperson ist oder jemand, der als enorm wichtig für eine Gesellschaft angesehen wird? So nach dem Motto - der darf das, weil er ein Genie ist und einen Ausgleich braucht, oder weil er der König und damit ohnedies sakrosankt  ist usw...?

Jahrtausende lang wurde das so hingenommen: Wenn irgendein Kesselflicker B. sich sexuell daneben benahm, wurde er verbannt, gefoltert, eingekerkert, hingerichtet - je nach Kulturkreis und Zeitalter. Wenn ein Potentat dies tat, ein Megareicher oder ein gefeierter Held der Gemeinschaft, so wurde "weggesehen", bestenfalls erpresst, wenn möglich.

LG, eKy

PS: Habe jetzt auch Munch's "Pubertät" drangenommen (Nr. 81).

 
« Letzte Änderung: M?RZ 16, 2016, 15:57:18 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #62 am: M?RZ 17, 2016, 06:29:24 »
Wie ich Euch beide doch bewundere!
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #63 am: M?RZ 17, 2016, 21:19:36 »
Lieber Erich,

Gedicht 81 finde ich überaus gelungen und habe es mit Freude gelesen. Die Laken, die ich nicht thematisiert habe, treten hier schon als zärtliche Vorboten eines herbeigesehnten Liebhabers und dessen Körper auf. Da hast du dich wirklich gut hineingefühlt.   

LG gummibaum

Erich Kykal

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #64 am: M?RZ 17, 2016, 22:07:31 »
Hi, Cypi!

Ich weiß, wie schwer dir derzeit das Tippen fällt - hab Dank! :)


Hi, Gum!

Vielen Dank! Ich möchte unsere beiden Sichtweisen aber als lyrisch durchweg gleichwertig betrachten.


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #65 am: M?RZ 19, 2016, 18:46:25 »
Hallo Erich,

Salome habe ich ja auch mal bedichtet und darum dein Sonett mit Interesse und großer Freude gelesen. Es gibt viele Gemälde zu dem Thema (ich griff auf Bernardino Luinis Bild zurück) und Stucks Ausführung kombiniert die Statik des Himmels und des Hauptes mit der Dynamik des sinnlichen Tanzes zwischen ihnen.

Mir gefallen die Wechsel und Überleitungen in deinem Sonett unglaublich gut. Salomes enttäuschte Liebe und Herodes unerfüllte Begehren verketten sich zur Greueltat. Triumpf der Macht und wilde Lust strömen hier bis in stellare Sphären. Fast müsste die letztere dort eine Supernova auslösen.  ;D

Chapeau sagt
gummibaum     


Die schrecklichen Musikanten, eine Art Rundumschlag gegen die Überheblichkeit der Dilettanten, haben mich äußerst amüsiert. Sehr gut!
« Letzte Änderung: M?RZ 19, 2016, 19:08:51 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #66 am: M?RZ 19, 2016, 23:05:47 »
Hi, Gum!

Bei den Musikanten schwebten mir beim Schreiben vor allem Pharisäer und andere Strenggläubige vor, die gern die ganze Welt nach ihrer Heilsidee tanzen sähen! Verzerrte, grimassenhafte Geister, so befangen in ihrem Missklang der Verstiegenheit, dass er ihnen wie die süßeste Melodie erscheint. Fanatisch musizieren sie ihren Wahnsinn in die Welt, um alle unter ihren kruden Takt zu zwingen, ob sie lauschen wollen oder nicht.

Deine Intertpretation mit den Dilettanten gefällt mir aber auch sehr gut  - das Bild trifft dies ebenso gut, und meine Zeilen lassen sich durchaus so deuten! Schön das! :)

Beim Salomebild gefielen mir der weiß leuchtende Leib mit dieser dennoch fast sich auflösenden Kontur, wie von innen glühend von kaltem Licht, zusammen mit der nach hinten gewandten Miene mit dem abschätzigen Lächeln einer Rachsüchtigen, die sich als Sieger wähnt. Das Tierhafte des Sklaven, der den Kopf des Täufers präsentiert, konterkariert einerleits die laszive Eleganz der Wohlgestalteten, ein längeres Studieren der gehässigen Züge der Schönen aber zeigt andererseits, dass es hier, was innere Werte betrifft,  genau entgegengesetzt sein mag, bzw., dass das hässliche Äußere des Sklaven die innere Hässlichkeit der Tanzenden spiegelt.

Vielen Dank für deine profunden Zeilen! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #67 am: M?RZ 24, 2016, 01:31:35 »
Es geht ja ungebremst voran. Ich staune nur, Erich.

Gedicht 90 ist einem der frühen Bilder v. Goghs gewidmet, die Realismus mit dem Wunsch, der Armut eine Stimme der Ehrlichkeit zu geben, verbinden. Das Sonett zeichnet die zugewandte, aber ernste Stimmung am Tisch gut nach und vermittelt, wie hier Bescheidenheit als Lebensgrundlage dient.

Mit Freude und Anteilnahme gelesen.

LG gummibaum


Erich Kykal

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #68 am: M?RZ 24, 2016, 21:35:55 »
Hi, Gum!

Ob man die Kartoffelesser Realismus nennen kann, ist strittig. Van Gogh versuchte alte Meister nachzuahmen, vor allem wie sie mit Beleuchtung spielten, hatte aber schon - oder immer schon - diesen pastosen Pinselstrich, der schon leicht abstrahierend wirkt, vor allem in Details. Dem Werk gingen zahlreiche Studien und Skizzen voraus, und es existiert in mehreren Versionen.
Später malte van Gogh impressionistisch: Das Bild wurde in einem Zuge nach der Natur durchgemalt. Hier versucht er sich noch in der traditionellen Methode, mit jeder Menge Vorarbeit. Gerade seine handwerkliche Beschränktheit als Laie und sein persönlicher Stil machen das Gemälde für mich allerdings interessanter und lebendiger als die meisten akribisch bis ins Feinste ausgearbeiteten Werke alter Meister, die in ihrer Posenhaftigkeit starr und unlebendig auf mich wirken, dem wahren Leben so fern wie das, was sie meist darstellten: Pathetische Bibelszenen oder Legenden der Antike!

LG, eKy
« Letzte Änderung: M?RZ 25, 2016, 18:35:07 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #69 am: M?RZ 25, 2016, 17:56:16 »
Was ist "anstrahierend"? Ich habe viele frühe Werke v. Goghs in Amsterdam gesehen, hatte damals aber wenig Zeit, mich mit Details auseinanderzusetzen. Daher danke für deine Ausführungen.

LG g





Erich Kykal

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #70 am: M?RZ 25, 2016, 18:37:23 »
Hi, Gum!

Welches Zeichen liegt auf deiner Tastatur gleich links neben dem "n"? - Was "anstrahierend" heißen soll, hättest du auch selber merken können! ;) ;D ::)

Ein flüchtiger Tippfehler - Wurstfinger eben! ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #71 am: M?RZ 27, 2016, 13:50:59 »
Lieber Erich,


ich weiß, daß Du insgeheim von mir sehr enttäuscht bist, weil ich Deine wundervollen Gedichte zu Bildern nicht gebührend zu würdigen scheine und zu wenig kommentiere.

Das hat  Gründe:
Ich würdige sie sehr wohl! Du weißt ja selbst, daß Du die Malerei kongenial in Lyrik umsetzt. Da mir Malerei niht so sehr ein seelisch-geistiges Bedürfnis ist wie die Lyrik, finde ich Deine Gedichte ausnahmslos weitaus schöner und bedeutender als die Vorlagen.
Und irgendwann gehen mir die Worte der Bewunderung aus.
Du bekommst zum Glück von anderen Poeten die gebührenden Kommentare zuhauf.

Zudem bin ich z.Z. wirklich sehr gehandicapt, v.a. nach der letzten Operation (die hoffentlich die letzte gewesen sein wird auf lange Sicht!).
Es kostet viel Kraft und Energie, wieder auf den Damm zu kommen.

Für Kurzkommentare reicht es gerade eben so, wenn die Themen nicht zu anspruchsvoll sind.

Ich drücke die Daumen, daß ich bald wieder voll "funktionsfähig" bin.
Dann laß ich auch meine Lobeshymnen wieder erschallen.

Ganz, ganz lieben Ostergruß
von
Deiner Cyparis


Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #72 am: M?RZ 27, 2016, 15:22:28 »
Hi, Cypi!

Wenn ein Teil von mir enttäuscht war, dann ein sehr kleiner, gehässig egoistischer, und auch nicht länger, als es in Gedanken kostete, deinem Leiden der letzten Monate nachzufühlen! Keine Bange - ich weiß, wie sehr du meine Zeilen verehrst (und wie wenig dies der Schreiber wert ist), und ich muss es nicht ständig hören!
Mach dir dieserhalben bloß keinen Kopf!

Dass du glaubst, dich mir erklären zu müssen, ehrt dich. Kommentiere, soviel du magst und wann immer dir danach ist - aber bitte bemühe dich nicht unter Schmerzen, nur weil du mich zu enttäuschen glaubst!

Sich verneigend, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #73 am: M?RZ 27, 2016, 16:15:05 »
Die 100 ist nicht mehr weit!

Am Tod des Marat habe ich mich auch schon mal versucht, es aber aufgegeben, weil das Bild selbst zu wenig hergab. Aber nun sehe ich, dass hier der Ausflug in die Geschichte lohnt, wenn er, wie bei dir, über die Fakten hinaus die tieferen Verflechtungen der beiden Charaktere und Schicksale durchdenkt.

Im Schicksal des armen Poeten finde ich mich selber, bin aber beim Lesen deines Gedichts angenehm berührt, weil du ihn nicht als Narren abtust, sondern zum Seligen aufwertest.

Alles mit Freude und Genuss gelesen.

LG gummibaum



 

Erich Kykal

Re: LAUTERE LYRIK
« Antwort #74 am: M?RZ 27, 2016, 20:10:40 »
Hi, Gum!

Den Poeten als Narren abzutun hieße, am eigenen Ast zu sägen! ;D


Ehrlich gesagt, mir gehen langsam die "beeindruckenden" Bilder aus. Muss mich mal wieder im Internet umsehen ...


Vielen Dank für deine kundigen Gedanken! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.