Autor Thema: Halali!  (Gelesen 2763 mal)

Erich Kykal

Halali!
« am: Dezember 27, 2015, 20:47:30 »
Der alte Graf hat eingeladen
zu edler Jagd auf dünnen Waden
im großen Forste von und zu.
Am Morgen fanden ein im Nu
sich große Namen, dicke Börsen,
die teuren Flinten an den Fersen.

Die Jäger und ein Dutzend Treiber
begaben sich zum Wald hinein.
Dort schoss man alles kurz und klein -
auch mitten durch die Treiberleiber,
da leiderdings nicht zeitgerecht
sich duckte mancher arme Knecht.

Am Abend legte man die Strecke
erlegten Wildes vor die Hecke
des Fürstenschlosses, und am Ende
von dem geschotterten Gelände
stand Pose man vor alten Eichen
und aufgereihten Treiberleichen!

So glänzten vor dem Fotograph
die reichen Gäste und der Graf
nach überliefert alten Bräuchen
mit einem Bein auf starren Leichen
von Tier- und Menschenleib aus schlichten,
bedeutungslosen Unterschichten.
« Letzte Änderung: August 03, 2021, 10:40:40 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Halali!
« Antwort #1 am: Dezember 29, 2015, 10:20:24 »
Böse, böse, lieber Erich. Ich kam mit dem Thema nur in der Jugend durch den Vater einer Freundin, der Jäger war und durch Reinhard Meys  "Diplomatenjagd" in Berührung. Hier wird Im Rahmen dieses Adelssports das teilweise noch immer vorhandene Bewusstsein, geburtsbedingt zur besseren Sorte Mensch zu gehören und den Rest ruhig abschachten zu dürfen, auf zynische Weise verdeutlicht.

Sehr gern gelesen.
LG gummibaum     

 

Erich Kykal

Re: Halali!
« Antwort #2 am: Dezember 29, 2015, 10:46:20 »
Hi, Gum!

Ach wenn's nur der Adel wäre! Ein ehemaliger Direktor von mir und selbst Kollegen frönten diesem makabren "Hobby"! Geldsack Hinz und Kunz dürfen heute mit ziselierter Doppellaufflinte mit Goldeinlage durch die Wälder keuchen und sich von den gut dafür bezahlten Förstern das Wild vor die Flinte treiben lassen!
Man sagt, das Geld käme dem Wald zugute. Dem guten Ruf der Menschheit leider nicht ...

Schon klar, wo die natürlichen Raubtiere fehlen, muss der Mensch die Zahl der Verbisstiere klein halten - aber das Abschussrecht für viel Geld an mordgiereige Möchtegernadelsadepten und Teilzeitpsychopathen zu verschachern, nur um ein wenig mehr Finanzmittel zu ergattern, erscheint mir moralisch zumindest fragwürdig - von der Lebens- oder vielmehr Sterbenseinstellung dieser Sorte Jagdtradition ganz zu schweigen.

Ich sehe ein, dass Menschen jagen, die keine andere Wahl haben, um zu überleben. Die meisten dieser Stämme ehren das getötete Wild, entschuldigen sich bei den Geistern der erjagten Tiere, respektieren das Leben, obwohl sie es beenden müssen. Wenn ich mir dagegen diese versoffenen Stadtpflanzen im teuren Lodenoutfit ansehe, die nur durch die Wälder hirschen, um etwas abknallen zu können, oder weil sie mit der Beute später voreinander groß angeben wollen - das ist schlicht widerlich und menschenunwürdig. Da hilft es auch nicht, sich hinter großen Worten wie "Tradition" oder "Natur des Jägers" zu verstecken. Hier geht es nur um Machtgefühl und Minderwertigkeitskomplex!

Manche sagen mir nach, ich wäre ein Mensch von zweifelhafter Moral, weil ich mich für mittelalterliche Hieb- und Stichwaffen sowie für Panzerfahrzeuge, vornehmlich des 2. Weltkrieges, interessiere. Aber ich tue dies eher wie ein Briefmarkensammler: Aus ästhetischen Gründen und aus Ehrfurcht vor der schlichten Schönheit und konzeptionellen Reinheit des Designs. Das ist eben meine Art, einen Minderwertigkeitskomplex zu kompensieren - und die tut keinem weh. Ich käme nie auf die Idee, meine Sammlung aktiv einzusetzen oder einen Panzer zu klauen und damit Amok zu fahren!!
UND ich käme nie auf die Idee, etwas zu töten, ohne dazu ernstlich gezwungen zu sein. Aber manchen Leuten scheint genau dies Spass zu machen, vor allem solchen, die auch beruflich viel Macht genießen. Es stimmt schon: In menschlichen Gesellschaften haben jene ohne ethische oder moralische Bedenken einfach eher die Chance, in Machtpositionen aufzusteigen, weil sie ihr Ziel schlicht rücksichtsloser und manipulativer zu verfolgen wissen. Solche Leutchen gehen dann eben auch gerne etwas töten, um sich zu "entspannen" ...

Vielen Dank für deine Gedanken! :) Dies ist ein Schnellschuss aus einem anderen Forum, inspiriert vom Gedicht einer Poetin, das mich an die von dir erwähnte "Diplomatenjagd" erinnerte - und an meine eigene Einstellung zum Thema!  >:(

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juni 19, 2024, 20:51:18 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Halali!
« Antwort #3 am: Dezember 29, 2015, 13:53:46 »
Hallo Erich,

du schreibst noch viel dazu. Danke.

Das ist an meiner Schule nicht so und viel weiter reicht mein Kontakt zur Gegenwartsgesellschaft und zur Stadt nicht. Hier im Dorf kein Thema.  Vielleicht ist es aber in Österreich und besonders in dem waldreichen Viertel, wo du wohnst, auch verbreiteter. Dies Hobby ist (auch wenn es Hemmingway und andere Künstler teilten) m. E. auf Brutalität gegründet, die man beschönigt und die, wie du sagtest, meist auch hinter den Karrieren steckt.

Ich habe aber auch schon Albinoratten umgebracht, um promovieren zu können, bin allso nicht schuldlos auf diesem Gebiet.
http://www.poetry.de/showthread.php?t=26591

LG gummibaum







 

« Letzte Änderung: Dezember 29, 2015, 13:57:35 von gummibaum »

Curd Belesos

Re: Halali!
« Antwort #4 am: Dezember 29, 2015, 14:11:10 »
moin moin Erich,

mein Schwiegervater war Pächter einer Niederwild Jagd und hat es mir zeitlebens nicht verziehen, dass ich im Kreise seiner Gefolgschaft auf die Frage, wann ich meinen Jagdschein mache antwortete: " Ich schieße keine süßen Häschen und Bambis tot". Es war eigentlich als Scherz gemeint, aber die aggressive Reaktion der Jagdgemeinschaft war so befremdlich für mich, dass ich ihn wirklich nie gemacht habe. Meine Frau als Frettchenführerin war allerdings gefeierter Liebling.

Einen Kommentar zum Inhalt deines Gedichtes möchte ich daher nicht abgeben, auch wenn ich der Meinung bin, dass du auf einem Auge blind bist, denn wie sagt man so schön: "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer" aber ein schwachsinniger Sonntagsjäger kann einen ganzen Berufsstand in Verruf bringen.

LG
CB

Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Letreo71

Re: Halali!
« Antwort #5 am: Januar 01, 2016, 16:36:22 »
Lieber Erich,

dein Gedicht ist dir hervorragend gelungen!

Gern gelesen.

Lieben Neujahrsgruß

Letreo

Erich Kykal

Re: Halali!
« Antwort #6 am: Januar 01, 2016, 17:24:47 »
Hi, curd!

Der Zorn der Jäger resultiert aus einem untilgbaren Gefühl der Schuld, das frühe Völker durch Rituale milderten oder dadurch, dass sie den "Geist" des Wildes um Verzeihung baten. Dein kindlicher Scherz rührte an diesen Schmerz, der durch gesellschaftliche Kritik noch verschärft wird. Der latente Minderwertigkeitskomplex derer, die diesen mit dem Umgang mit tödlichen Waffen kompensieren, tut ein Übriges.

Hi, letreo!

Auch dir lieben Dank für deine Zeilen!


LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 01, 2016, 23:49:58 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Halali!
« Antwort #7 am: Januar 01, 2016, 23:44:39 »
moin moin Erich,

mit dem "einen Auge" meinte ich mehr die Tatsache, dass mitten in Berlin Wildschwein in beängstigenden Rudeln herum treiben und dass die Kaninchen sich in Wohngegenden vermehrt haben wie die Kaninchen. Auch die ach so geliebten Friedenstauben mit ihren humaninfektiösen Organismen in Federkleid und Kot würden sich ohne Bejagung bald in allen Städten und nicht nur in Venedig explosionsartig ausbreiten können.

Ja, wir haben den Tieren den Lebensraum eingeengt und werden es auch weiter tun, da außer Gott, der uns ja die Erde gab, damit wir sie uns untertan machen, niemand
unsere Aktivitäten stoppen kann  >:D

Das Gedicht ist dir sprachlich sehr gut gelungen, obwohl es in seiner Schärfe eine einseitige Stimmung erzeugt.

LG
CB
« Letzte Änderung: Januar 03, 2016, 09:10:35 von Curd Belesos »
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Fridolin

Re: Halali!
« Antwort #8 am: Januar 02, 2016, 20:00:35 »
Hi eKy,

leiderdings? Ist das ein österreichische Besonderheit?

Ich bin früher bei der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg tätig gewesen und habe dort viel über die Jägerei erfahren. Außerdem war der Großvater meiner Frau in Thüringen Oberforstmeister, der auch gedichtet hat. Ihm verdanke ich u.a. die Anregung zu einem Schüttelvierzeiler:

Ein Jäger, der das Pirschen hasst,
schießt nur, wenn es den Hirschen passt.
Doch weil ihm so die Pirsch verhasst,
hat er noch jeden Hirsch verpasst.

Weidmannsheil!
Fridolin


Erich Kykal

Re: Halali!
« Antwort #9 am: Januar 02, 2016, 21:26:45 »
Hi, Fridolin!

"Waidmann" mit "ai" bitte, soweit ich weiß - oder hat die NR hier auch zugeschlagen?

Wo ich "leiderdings" herhabe, weiß ich nicht. Dort wohnen auch "neuerdings" und "schlechterdings". Kann sein, dass dies unter "sprachlicher Lokalkolorit" fällt.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Fridolin

Re: Halali!
« Antwort #10 am: Januar 03, 2016, 07:09:09 »
Hi, Fridolin!

"Waidmann" mit "ai" bitte, soweit ich weiß - oder hat die NR hier auch zugeschlagen?

LG, eKy

Nein, lieber eKy, mit der NR hat das nichts zu tun. Im DUDEN Band 9 Hauptschwierigkeiten, Bibliographisches Institut Mannheim, 1965,  steht dazu unter dem Stichwort Weidmann:

Das Substantiv wird ebenso wie die Zusammensetzungen (Weidmannsheil, Weidwerk, Weidsack, Weidspruch usw.) hochsprachlich mit -ei- geschrieben. In der Sondersprache der Jäger wird die Schreibung mit -ai- bevorzugt, obwohl diese Schreibung sprachgeschichtlich nicht begründet ist. Sie erklärt sich vermutlich daraus, daß die Schreibweise mit -ai- in einigen alten bayrischen und österreichischen Quellen vorkommt.

Zitat
Wo ich "leiderdings" herhabe, weiß ich nicht. Dort wohnen auch "neuerdings" und "schlechterdings". Kann sein, dass dies unter "sprachlicher Lokalkolorit" fällt.

Dort wohnen auch allerdings, besterdings, glatterdings und platterdings. Dann gibt es noch Ladings, vielleicht gibt es dort noch mehr.

LG von Fridolin,
der an solchen sprachlichen Besonderheiten interessiert ist.




Erich Kykal

Re: Halali!
« Antwort #11 am: Januar 03, 2016, 11:57:46 »
Hi, Fridolin!

Aha! Dann mag es daran liegen, dass ich Österreicher bin. Hier habe ich nur die Version mit "ai" gelernt und erlebt (zB. "ein waidwundes Reh" - für "ein angeschossenes Reh").

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Halali!
« Antwort #12 am: Juni 23, 2016, 13:58:12 »
Lieber Erich,


besser spät als nie!
Du schreibst und kommentierst mir aus der Seele!
Zu Deiner Sorte "Jäger" gehörte auch ein sehr berüchtigter: Hermann Göring, der offenbar kein besonders guter Schütze war und so manches fremderlegtes als selbstgeschossenes aquirierte.
Ob Kolportage oder Historie:
Ein Forstmeister, der den 18Ender (oder so) nicht freigab, wurde stante pede nach Stalingrad abkommandiert.

Was hier bei uns als Jäger sein Unwesen treibt - ich habs bereits irgendwo geschildert.
Die hiesige Jagdpacht geht auch nur an Adlige oder zumindest Landräte.

Auch ich hatte Forstleute hohen Ranges in der Verwandtschaft - und die nehme ich aus.


Verständnisinnigen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Halali!
« Antwort #13 am: Juni 23, 2016, 16:54:20 »
Hi, Cypi!

Schlimm ist, dass es all dieses Ritualgehabe und historische Gepränge um die Jagd gibt, wie um sich dadurch moralische Rechtfertigung zu verleihen und geschichtliches Gewicht!

Hi Gum!

Sorry, deinen Beitrag weiter oben habe ich damals wohl übersehen. Das mit den Ratten ist Vergangenheit, und wenn du das Richtige aus deiner Reue gelernt hast, dann war es auch nicht vergebens.

Das mit der Gründung des klassischen Weidwerks auf Brutalität, die auch im Wesen jener "Herren und Damen" liegt, hast du sehr treffend formuliert!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Zugvogel

Re: Halali!
« Antwort #14 am: Juni 24, 2016, 14:53:02 »
Hallo, Erich Kykal -

da wo ich daheim bin, geht es ähnlich zu.
Aber immer noch nicht so schlimm wie die schlimmen Fuchsjagden in England.

Ich freu mich immer, wenn ich Witze oder Cartoons (vor allem die von Uli Stein) lese, in denen es die Jäger selbst erwischt.
Ich gebs gern zu, dass Schadenfreude auch eine Freude ist.
Dabei will ich dem Jäger-Försterstand nicht generell an den grünen Kragen.


LG
Zugvogel