Autor Thema: Unerhörte Mahnung  (Gelesen 3983 mal)

Erich Kykal

Unerhörte Mahnung
« am: Dezember 23, 2015, 21:04:15 »
Bedenkt, ihr Denker, Träumer, Utopisten:
Das Volk ist dumm und tötet ohne Reue,
es hasst das Unbekannte und das Neue,
darin latent Veränderungen nisten!

Die tumbe Masse predigt gern Parolen,
die simpel sind und keinen Geist verlangen,
so lang sie ihrer Herzen hohles Bangen
beschwichtigen und ihr Gemüt erholen.

Bedenkt, ihr Weltverbesserer und Lehrer:
Kein Grund mag edler, würdiger und hehrer
als eurer sein, sich in die Welt zu tragen -

der Menschen Häme wird euch niederringen,
wird eurer spotten, euch zum Schweigen bringen,
wenn ihr es wagt, die Wahrheit laut zu sagen!
« Letzte Änderung: Mai 05, 2021, 17:56:39 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #1 am: Dezember 23, 2015, 23:05:52 »
moin moin Erich,

auch wenn du recht hast, es wird eine unerhörte Mahnung bleiben.

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Copper

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #2 am: Dezember 25, 2015, 17:34:19 »
Hallo Erich

wieder ein aussergewöhnlich interessantes Werk aus Deiner Feder

Denker und Träumer müssen nicht unbedingt das Rechte wollen. Manche Tyrannen und Massenmörder waren auch Denker und Träumer. Es kommt wohl darauf an was man denkt und wovon man träumt. Ebenso haben sich berühmte Diktatoren und Kriegstreiber sich selbst als Weltverbesserer gesehen , auserwählt die Welt zu retten.

Wie könnte man, statt Utopisten, also eine letztere,  trefflichere Bezeichnung für diese humanen Menschen finden? Vielleicht: ,bedenkt ihr Denker, Träumer, Humanisten.? Diese letzte Bezeichnung würde den Denker und Träumer in das rechte Licht rücken.


Noch ein Vorschlag: Bedenkt ihr Freigeister und Lehrer, kein Werk kann edler sein und hehrer, als euren Geist stets in die Welt zu tragen. Weltverbesserer kann auch zweideutig verstanden werden.


Jedoch, lieber Erich, sind das nur unwichtige Gedanken von einem kleinen Schreiberling, der sich vor Deiner Dichtkunst verneigt.☺

Frohe Weihnachten und erholsame Feiertage wünsche ich dir. LG. Copper.

« Letzte Änderung: Dezember 25, 2015, 17:44:54 von Copper »

Erich Kykal

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #3 am: Dezember 25, 2015, 18:48:56 »
Hi, Curd!

Wie recht hast du! ::) :'(


Hi, Copper!

Deine Einwände sind berechtigt, und die Ambivalenz der gewählten Begriffe ist mir durchaus klar. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Leser aus dem restlichen Inhalt des Gedichtes darauf zu schließen vermögen, auf welche Art Träumer und Denker hier angespielt wird! ;)

"Freigeister" wäre übrigens ein zu kurzes Wort, um die Lücke zu füllen, diese Zeile hätte nur 4 Heber!

Vielen Dank für das positive Feedback! :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 25, 2015, 19:00:58 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #4 am: Dezember 25, 2015, 21:51:25 »
Hallo Erich,

da simme ich Dir zu, ich habe als Leser sofort Deine gewollte Aussage verstanden. Hab mir nur gedacht, vieleicht schmeckt Dir mein süsser Senf.☺.
Nur für mich zum Dazulernen noch folgende Frage: Das Problem mit den 4 Hebungen habe ich doch durch die darauffolgende ,auch von mir abgeänderte, Zeile behoben. Oder? Und die letzte Zeile der dritten Strophe passt , obwohl von mir geändert, ja auch wieder zur letzten Zeile der letzten Strophe. Oder?

Ich hoffe ich nerve nicht. Würde mich nur Interessieren. Der Lehrling lernt am Werk des Meisters.

Copper.

Erich Kykal

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #5 am: Dezember 25, 2015, 22:00:39 »
Hi, Copper!

Die einfachen Sonettregeln (abgesehen von der Strophenstruktur mit Quartetten und Terzetten sowie die diese Struktur betreffenden Regeln):

Durchgehend unbetonte Auftakte, fünfhebige Zeilen und weibliche Kadenzen.

Heute wird das alles nicht mehr so streng gesehen, aber mitten im Sonett plötzlich die Heberzahl zu ändern, das geht keinesfalls!

Mein Sonett oben ist fünfhebig, da kann es nicht mittendrin plötzlich vierhebige Zeilen geben.

Und nein, du nervst nicht. Ich habe die Sonett- und sonstigen lyrischen Regeln damals auch erst hier in den Foren gelernt. ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #6 am: Dezember 25, 2015, 22:20:58 »
Hi Erich,

vielen Dank für Deine Erklärung.

Werde mich im Internet mal weiterbilden , um mir die Regeln eines Sonettes anzueignen. Ein Sonett zu schreiben bedarf höchster Dichtkunst. Hab mir gerade das Sonett Salome von Gummibaum angeschaut. Ihr Sonettkünstler!!! Echt klasse.

Vielleicht gelingt mir auch mal ein Sonettchen.

LG. Copper.


gummibaum

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #7 am: Dezember 26, 2015, 00:32:10 »
Hallo Erich,

tolles Sonett mit gedanklichem Tiefgang. Freilich recht skeptisch gegenüber dem Volk, das, wie man entnimmt, dumm ist nichts so sehr wie die Wahrheit fürchtet. Ist "erholen" nicht reflexiv (sich erholen) und kann man sagen: die Parolen erholen das Gemüt?

Sehr gern gelesen.
LG gummibaum

 


Erich Kykal

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #8 am: Dezember 26, 2015, 12:35:45 »
Hi, Gum!

Danke für das Lob.

Die Stelle mit "erholen" ist problematisch, da hast du recht. Ich habe lang überlegt, ob man das so sagen kann. Es ist zumindest ungewohnt und unüblich, wenn nicht gar falsch, wie du in den Raum stellst. Mir ist für die nämliche Stelle aber bisher nichts Besseres eingefallen. ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #9 am: Dezember 26, 2015, 20:02:24 »
Hallo Erich,

ein bescheidener Vorschlag:

So lang sie ihrer Herzen hohles Bangen
beschwichtigen, sich von der Angst erholen.

oder: beschwichtigen, von falscher Angst erholen. ( grammatikalisch Einwandfrei ?) Bin mir nicht sicher, ☺

Copper.

Erich Kykal

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #10 am: Dezember 26, 2015, 20:53:46 »
Hi, Copper!

Danke für den Versuch, der an sich nicht schlecht wäre, aber obige Zeilen von mir nehmen auf die "Parolen" Bezug, und die müssen sich nicht von der Angst erholen. Solches bezieht sich wohl auf die "Masse", die aber hier ein Einzahlwort ist, so gesehen passt dein Satz gleich doppelt nicht. Sorry.

LG, eKy

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #11 am: Dezember 26, 2015, 23:16:40 »
Hi Erich,

hat der alte Hexenmeister.... ein Lehrling versucht sich nochmal an des Meisters Werk.😭

letzter Versuch! Versprochen.!!!

...beschwichtigen, durch stumpfes Wiederholen. Oder simples Wiederholen....oder lautes ...Dir fällt bestimmt noch ein passenderes Adjektiv ein.

Natürlich wiederholt die Masse, jedoch sie wiederholt die Parolen, somit wäre der Bezug zu den Parolen doch hergestellt, oder?


Copper
« Letzte Änderung: Dezember 26, 2015, 23:26:27 von Copper »

Erich Kykal

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #12 am: Dezember 27, 2015, 11:49:16 »
HI, Copper!

So lang sie ihrer Herzen hohles Bangen
beschwichtigen, sich von der Angst erholen.

oder: beschwichtigen, von falscher Angst erholen. ( grammatikalisch Einwandfrei ?) Bin mir nicht sicher, ☺

Copper.

Das Problem deines Vorschlags liegt schon in der ersten Zeile. Da meine Version sich auf die "Parolen" bezieht, also Mehrzahl, lautet das Bezugswort in Z3 der Strophe "sie", in diesem Fall ein Plural-"sie". Ich habe es in deinem Zitat mal unterstrichen. Entsprechend enden die Verben auf "-en": (sie) "beschwichtigen", "erholen".
Ersetzt du das Bezugswort durch "Masse", wie dein Vorschlag avisiert, so musst du die Verben des sich darauf beziehenden Satzteils entsprechend angleichen, da es sich nun ja um eine Einzahl handelt. Das "sie" bleibt zwar gleich, da es sich um ein feminines Nomen handelt ("die" Masse), die Verben des Bezugssatzes jedoch nicht, da es hier nun um ein Geschlechts-"sie" im Singular handelt: (sie) "beschwichtigt", "erholt".
Das wiederum würde aber den Reim und die Metrik zerstören.
Soviel zur Grammatik.

Inhaltlich ergäbe deine Änderung jedoch auch keinen Sinn, denn der Satzteil, um den es geht, bezieht sich auf die "Parolen", die etwas mit der "Masse" machen, namlich sie beschwichtigen und erholen. Änderst du den Bezug dieses Satzteils auf "Masse", würde dies aussagen, dass die Masse etwas mit sich selber macht: Die Masse beschwichtigt und erholt sich durch die Masse! Das wäre eine falsche Kausalverknüpfung.

Du erkennt hoffentlich nun, dass dein Vorschlag in gleich zweierlei Hinsicht nicht möglich ist. Ich will dich nicht schulmeistern, aber du wolltest es ja genau wissen. ;)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 27, 2015, 16:21:49 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #13 am: Dezember 27, 2015, 15:18:16 »
Hallo Erich,

Hab Dank für Deine Geduld mit mir und danke für Deine ausführliche Erläuterung. Statt zu helfen, mach ich Dir Arbeit.

Ich hab dazugelernt. Herr Schulmeister😊👍

Copper.

a.c.larin

Re: Unerhörte Mahnung
« Antwort #14 am: Februar 08, 2016, 16:54:52 »
Hallo Erich,

mit deiner Conclusio kannst du Recht haben, allerdings:

Was wäre die Welt ohne die Utopisten, Denker und Träumer?
Wie um noch Einiges blöder wäre die Welt dran, wenn sich wirklich alle von den Widrigkeiten , die ihnen begegnen, entmutigen ließen?
Denn: Ab und zu -  im Schneckentempo vielleicht, aber doch irgendwie - gibt es ja doch Fortschrittchen.

Sie sind gewiss teuer erkauft. Die Intelligenz zahlt ihren Preis fürs intelligent sein.
Aber der Natur ist das egal - sie hat Jahrmillionen Zeit. Evolution misst halt in anderen Maßen. Und Fehlversuche erschüttern sie nicht.

Steter Tropfen usw....

Ist halt blöd: Der Mensch hats eiliger und möchte in 50,60 Jahren Ergebnisse sehen.

Und was die Wahrheit anbetrifft: Da hat ja wohl jeder seine eigene. Und die will er bestätigt haben!

Lernen ist halt sowas von unbequem.....


An deinem Stoßseufzer aufrichtig Anteil nehmend,
larin