Autor Thema: Es bleibt ein Bild  (Gelesen 4372 mal)

Erich Kykal

Es bleibt ein Bild
« am: Dezember 12, 2015, 11:43:00 »
Wie ohne Wert, mir tiefer Halt zu geben,
erscheint mir, was ich sonst tagtäglich walte,
was ich zu mir erhebe und gestalte,
bedroht ein Unwägbares jäh mein Leben.

Was sollen mir Besitz und eitles Streben,
wenn mir, was bildend ich in Händen halte,
ein früher Tod, daran ich bald erkalte,
gedankenlos zerreißt wie Sturm die Reben?

Und doch - was bliebe denn von unsereinem,
die wir die Tage wie Gesetze tragen,
die uns von Ende und Verhängnis sprechen,

als nicht ein Bild von etwas Gutem, Reinem,
darin wir selbst dem Tode widersagen,
bis alle Brücken mit den Augen brechen.
« Letzte Änderung: Januar 08, 2016, 22:42:57 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #1 am: Dezember 13, 2015, 17:34:34 »
Später, lieber Erich, hoffe ich, daß ich genügend Fassung habe, Dein steil herausragendes Gedicht adäquat zu kommentieren - zumindest passende Worte zu finden.

Tief bewegten Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #2 am: Dezember 13, 2015, 18:28:48 »
Hi, Cypi!

Vielen Dank für die "Vorabmeldung" ;) hierzu! ;D

In der Gesamtanmutung vielleicht eins meiner stimmigsten Sonette überhaupt! Es scheint zu stimmen: Wenn es dem Poeten schlecht geht, schreibt er am besten! ::)

Ich schrieb dies, um mir etwas Luft zu machen, denn vor drei Tagen erfuhr ich, dass ich möglicherweise bis wahrscheinlich an lymphatischer Leukämie erkrankt bin. Nächste Woche am Dienstag wird eine Knochenmarksprobe entnommen, dann habe ich Gewissheit, sobald die Laborwerte da sind.

Wenn ich das habe, steht eine Chemo ins Haus. Im besten Falle bin ich geheilt, im schlimmsten darf ich mit einer drastisch eingeschränkten Lebenserwartung rechnen.

Meine Gedanken bei diesem Sonett waren diese: Auch wenn mir ob solch einer Hiobsbotschaft mein Dichten momentan oberflächlich, inan und hohl erscheint, so wird es sehr wahrscheinlich doch das einzige sein, was in dieser Welt von mir bleibt - das einzig Gute und Reine, das ich schaffen konnte.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #3 am: Dezember 13, 2015, 19:21:53 »
Lieber Erich,

zunächst einmal möchte dir von Herzen wünschen, dass die Diagnose sich nicht bestätigt und wenn doch, dass du Kraft und Vertrauen findest, der Krankheit zu begegnen. Nicht alle Formen der Leukämie sind gleich. Ich denke an dich.

Das Gedicht geht sehr tief.

Liebe Grüße
gummibaum     

Erich Kykal

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #4 am: Dezember 13, 2015, 21:08:55 »
HI, Gum!

Danke für die guten Wünsche!

Die Neuigkeit ist auch bei mir recht tief gegangen, so gesehen folgt das Gedicht nur der Stimmung! ::)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #5 am: Dezember 13, 2015, 23:30:00 »
Wie ohne Wert,....erscheint mir, ....was ich zu mir erhebe und gestalte,

NEIN
Ich habe alles was ich geschrieben habe wieder gelöscht und wünsche dir das Glück, dass du dir erhoffst.

LG
CB




Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Seeräuber-Jenny

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #6 am: Dezember 15, 2015, 00:01:11 »
Alles Gute, lieber Erich!

Deine Seeräuber-Jenny
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #7 am: Dezember 15, 2015, 00:14:25 »
Hi, Curd, Jen!

Vielen Dank für die guten Wünsche! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #8 am: Dezember 15, 2015, 17:14:06 »
Hi Erich,

ich hab Dir ja schon eines Pn't - da kann ich mich jetzt aufs Gedicht konzentrieren.

Zuerst mal:Man merkt immer, wenn der Autor Wesentiches zu sagen hat. Und das berührt.

Auch wenns unangenehm erscheint und wir den Gedanken nur allzu gerne ausblenden: Der Tod gibt dem Leben seine wesentliche Kontur, er nimmt ihm die Beliebigkeit - eben weil er das, was geschen ist (oder nicht geschehen) ist unwiderruflich macht.
Alltägliches schrumpft da in seiner Bedeutung jäh zusammen auf ein Nichts.

Woran wirst du dich erinnern? heißt es in einem Songext, der gerade durchs Radio rauscht.
Ja, woran nur?
Wenn das Leben eine kleine Schachtel wäre, in die nur 10 Dinge hineinpassen, welche würde man da hineintun - und zwar weil sie gewissermaßen "Ewigkeitsrang" hätten?
Da bleibt gar nicht viel - das meiste, das in den Netzen hängen bleib, war "Beifang" - und Beifang kommt zurück ins Meer.

Aber dieses eine Bild, dieses eine leuchtende Bild, dieser eine dicke Fisch, der da hängen blieb, das muss es wohl gewesen sein, warum wir ausgezogen sind - und genau das werden wir auch heimbringen, heim nach  - wohin?

Möge jeder so ein Bild finden, das ihn trägt, da wo die Wege unwägbar werden...


Alles Gute - wir hoffen mit dir!
larin

Erich Kykal

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #9 am: Dezember 15, 2015, 19:42:59 »
Hi, larin!

du weißt ja, wie ich denke: Um im Bild zu bleiben, das du beschwörst: Wir sind Fischer, die nicht mal wissen, wonach sie fischen, und jeder fährt lebenslang herum auf dem eigenen Boot, bis es untergeht. Es gibt keinen Hafen, nichts, wohin wir den Fang "heimbringen" könnten, denn unsere Existenz ist ein evolutionärer Zufall ohne jegliche tiefere Bedeutung, auch wenn wir sie uns noch so gern dazudichten!
Was wir also fangen, ist nur dazu da, uns zu nähren, solang wir unterwegs sind. Erst mal versoffen, schert es kein Schicksal, was noch in unsern Netzen zappelt!

Ich kann damit leben. Ist okay so für mich. :)

Dennoch danke ich dir aufrichtig und herzlich für deine schönen Gedanken dazu! Dein Kümmern ist es, das mir Kraft gibt (man könnte sagen, dein Boot geht eine Weile längseits), nicht die romantischen Bilder einer imaginären Nachwelt. ;)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 16, 2015, 20:09:06 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Erich Kykal

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #10 am: Dezember 16, 2015, 20:08:47 »
Allgemeines Update:

Die Laborwerte erhalte ich erst nächste Woche oder gar erst nach Weihnachten, aber sowohl Oberarzt als auch Primar sind sich ZIEMLICH sicher, dass ich genau das habe: Chronische lymphatische Leukämie.

Interessanterweise ist dies aber meist eine Form von Krebs, mit der man mit etwas Glück ganz gut alt werden kann. Höchstwahrscheinlich habe ich das schon seit JAHREN, ohne es so recht zu bemerken.
Jedenfalls würde das zum Teil die verminderte Leistungsfähigkeit und die erhöhte Anfälligkeit für Infekte erklären, die ich bisher dem Alterungsprozess und dem Übergewicht zugeschoben habe.

Mach euch also erstmal keinen Kopf meinetwegen. Gut möglich, dass gar keine Therapie eingeleitet wird und die Sache weiterhin bloß unter Beobachtung bleibt.

Bin halt nur nicht ganz so fit und ausdauernd wie früher, da die Blutwerte nicht mehr optimal sind.

Damit muss ich leben, aber das Schöne ist: Ich KANN es sehr wahrscheinlich auch!


LG, eKy
« Letzte Änderung: Dezember 16, 2015, 20:10:42 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Seeräuber-Jenny

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #11 am: Dezember 16, 2015, 20:39:26 »
Das ist doch schon mal eine gute Nachricht!

Werde steinalt, lieber Erich!

Ein bisschen abnehmen kann natürlich auch nicht schaden...

Auch weiterhin alles Gute! :)

Lieben Gruß
Jenny

Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #12 am: Dezember 16, 2015, 22:03:08 »
Vielen Dank, liebe Jen! :)
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #13 am: Dezember 17, 2015, 00:16:05 »
moin moin Erich,

denke nur positiv, selbsterfüllende Prophezeiungen sind auch Rettung.

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

cyparis

Re: Es bleibt ein Bild
« Antwort #14 am: Dezember 17, 2015, 09:57:30 »
Ich brauche noch Zeit, um Worte für dieses Meisterwerk zu finden.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte