Es ist lange her. Ein Tag, an dem ich glaubte, etwas verschenken zu müssen. Einfach mal so. Und darum sagte ich irgendwann zu irgendwem: "Einen schönen Tag noch!" Der Angeredete schaute verdattert, er antwortete nicht. Es war klar, dass er mich nicht verstand, dass noch nie jemand so etwas zu ihm gesagt hatte. Ich schien eine fremde Sprache zu sprechen.
Ich ließ mich nicht entmutigen, weil ich doch noch immer dieses positive Gefühl verspürte und der nächste, mit dem ich zu tun hatte, bekam es gleich wieder zu hören: "Einen schönen Tag noch!" Die Reaktion war ähnlich, fast schlimmer, betretenes Lächeln, als hätte ich eine Prüfungsfrage gestellt, die peinliches Nichtwissen aufdeckte.
Aber ich habe es dennoch ein drittes und, wie ich mir vornahm, letztes Mal versucht und diesmal schien ich auf eine Goldmine zu stoßen. Aus der anfänglichen Verwirrtheit meines Gegenübers brach unvermittelt ein glückliches Schimmern und es formte ein einziges Wort: "Gleichfalls", stammelte es.
Ich war so erleichtert, dass jemand mich verstand. Es war an einer Würstchenbude geschehen und ich blieb, das heiße Würstchen in der Hand, noch eine Weile dort stehen und was passierte plötzlich? Zwei oder drei Würstchen wurden noch in der üblichen Weise verkauft. Aber dann, als ich den letzten Bissen schluckte, hörte ich ganz deutlich, wie der Würstchenverkäufer zu jemandem sagte: "Einen schönen Tag noch!"
Ich habe dann in den nächsten Tagen noch ein paar solche Versuche mit diesen vier Worten unternommen, dann ließ meine positive Stimmung nach.
Erst ganze fünf Jahre später fand ich sie wieder. Und das passierte in einer anderen Stadt und unter anderen Bedingungen und diesmal war ich verdattert. Man hatte mir eben klar gemacht, dass ich meinen Führerschein abgeben muss. Ich schwitzte nicht wenig und entschuldigte mich fortwährend, als die Beamten sagten: "Einen schönen Tag noch!" Ich nickte stumm. Aber sofort ging es mir besser. Ich sah ein, dass hier alles überraschend noch gut ausgegangen war und das nur wegen dieser Worte.
Und plötzlich dämmerte mir, dass sie meine Worte gesprochen hatten. Dass diese die fünf Jahre meines chaotischen Lebens von Mund zu Mund geflossen waren, um endlich hier wieder bei mir anzutreffen. Ich war überwältigt. Wenn meine Sprachschöpfung für so gute Laune sorgen konnte, wie ich sie jetzt wieder hatte, waren meine letzten fünf Jahre doch nicht so schlecht.
Freilich, wenn ich heute, wo fast jeder diese Worte kennt und verwendet und es sich damit besser gehen lässt, sagen würde: "Die sind von mir!" - man hielte mich für verrückt und würde es besserwisserisch bestreiten. Darum behalte ich diese Wahrheit auch für mich und wärme mich lieber an dem feinen Geheimnis.
(aus dem Fundus)