Autor Thema: Hier  (Gelesen 702 mal)

charis

  • Gast
Hier
« am: September 25, 2015, 18:13:01 »
Wer will den Blick zurück versäumen? -
nur dort befindet sich das wahre Glück,
in wohlig temperierten Räumen
und konserviert mit viel Geschick.

Die Liebe zum vergilbten Bilderbogen
verklärt mir jeden wachen Traum.
Die Rückschau hat mich nie belogen
und neues Sehnen greift nach Raum.

Wie wertvoll ist das alte Lachen,
die Wehmut sät die frische Saat
und ich bestelle neu die Brachen
und schaffe weiter den Spagat:

Ich will nun in die Zukunft schauen,
denn nur das Ungewisse zählt.
Wie soll ich Augenblicken trauen,
bewusst, dass jedes Glück vergeht?

Die Gegenwart kann niemals halten,
wenn Altes trügt, mit Neuem lockt.
So ist mein Denken stets gespalten,
die Gegenwart ein schwarzes Loch.

Doch später werde ich dann ernten,
denn neue Hoffnung wallt im Blut,
und eines weit entfernten,
noch vagen Tages, kommt die Flut.

Noch fühle ich die Leere schwingen,
bin hungrig, voller Lebensgier.
Wie soll die Flut mich je bezwingen?
Ich war doch niemals hier!


*******

Wer will den Blick zurück versäumen? -
Nur dort befindet sich das Glück,
in wohlig temperierten Räumen
und konserviert mit viel Geschick.

Der längst vergilbte Bilderbogen
verklärt mir jeden wachen Traum.
Die Rückschau hat mich nie belogen
und neues Sehnen greift nach Raum.

Ich baute schon so viele Archen,
die Wehmut sät nun frische Saat
und ich bestelle neu die Brachen
und schaffe weiter den Spagat:

Ich will nun in die Zukunft schauen,
denn nur das Ungewisse zählt.
Wie soll ich Augenblicken trauen,
bewusst, dass jedes Glück vergeht?

Das Jetzt kann nie Versprechen halten,
wenn Altes trügt, mit Neuem lockt.
So ist mein Denken stets gespalten,
vom wahren Kern stets abgeblockt.

Doch später werde ich dann ernten,
ich fürchte nicht die letzte Flut,
denn bis zu diesem weit entfernten
Tag wallt das Hoffen noch im Blut.

Noch fühle ich die Leere schwingen,
bin hungrig, voller Lebensgier.
Wie soll die Flut mich je bezwingen?
Ich war doch niemals wirklich hier!



******


Wer will den Blick zurück versäumen? -
Nur dort befindet sich das Glück,
in wohlig temperierten Räumen
und konserviert mit viel Geschick.

Der längst vergilbte Bilderbogen
verklärt mir jeden wachen Traum.
Die Rückschau hat mich nie belogen
und neues Sehnen greift nach Raum.

Ich träume nur in alten Sprachen,
die Wehmut sät dann frische Saat
und ich bestelle neu die Brachen
und schaffe weiter den Spagat:

Ich will nun in die Zukunft schauen,
denn nur das Ungewisse zählt.
Wie soll ich Augenblicken trauen,
bewusst, dass jedes Glück vergeht?

Das Jetzt kann nie Versprechen halten,
wenn Altes trügt, mit Neuem lockt.
So ist mein Denken stets gespalten,
vom wahren Kern stets abgeblockt.
« Letzte Änderung: September 26, 2015, 10:17:25 von charis »

Erich Kykal

Re: Hier
« Antwort #1 am: September 25, 2015, 19:46:36 »
Hi, charis!

Schön gedichtet - die kleinen "Unwuchtigkeiten" habe ich mir aufzuzeigen erlaubt:


Wer will den Blick zurück versäumen? -
nur dort befindet sich das wahre Glück, Zeile beginnt groß nach Fragezeichen - neuer Satz! Diese Zeile hat einen Heber mehr als die anderen: 5. Streiche "wahre", dann passt es.
in wohlig temperierten Räumen
und konserviert mit viel Geschick.

Die Liebe zum vergilbten Bilderbogen, Einen Heber zu lang. Altern.: "Der Hang zum gilben Bilderbogen". Kein Komma am Zeilenende.
verklärt mir jeden wachen Traum.
Die Rückschau hat mich nie belogen
und neues Sehnen greift nach Raum.

Wie wertvoll ist das alte Lachen, "Lachen": kurzes, unbetontes "a".
die Wehmut sät die frische Saat Komma.
und ich bestelle neu die Brachen "Brachen": langes, betontes "a" - unsauberer Reim. Altern.: "und ich beginne neue Sachen"
und schaffe weiter den Spagat:

Ich will nun in die Zukunft schauen,
denn nur das Ungewisse zählt.
Wie soll ich Augenblicken trauen,
bewusst, dass jedes Glück vergeht?

Die Gegenwart kann niemals halten,
wenn Altes trügt, mit Neuem lockt.
So ist mein Denken stets gespalten,
die Gegenwart ein schwarzes Loch. Auch "Loch/lockt" ist unrein. Altern.: "vom wahren Kern wie abgeblockt."

Doch später werde ich dann ernten,
denn neue Hoffnung wallt im Blut,
bis eines weit entfernten, Um einen Heber zu kurz: 3! Altern: "und eines großen, weit entfernten,"
noch vagen Tages, kommt die Flut. "bis ... kommt die Flut" ist eine furchtbare Inversion! Ändere das "bis" in "und", dann passt es.

Noch fühle ich die Leere schwingen,
bin hungrig, voller Lebensgier.
Wie soll die Flut mich je bezwingen?
Ich war doch niemals hier! Um einen Heber zu kurz. Altern.: "Ich war doch niemals richtig (wirklich) hier!"


Sehr gern gelesen! :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: September 25, 2015, 19:51:42 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Pit Bull

  • Gast
Re: Hier
« Antwort #2 am: September 25, 2015, 20:43:50 »
Liebe charis,
zunächst ein großes Lob an dich als Poetin, denn in deinem Gedicht steckt sehr viel Mühe.

Nun, auch ich hätte für S2 V1 eine Idee, um die von eky zurecht monierten überflüssigen Heber auszumerzen, schau mal:

Die Blicke auf den Bilderbogen
verklären jeden wachen Traum.
Die Rückschau hat mich nie belogen
und neues Sehnen greift nach Raum.


Ich stimme eky zu: In S3 V1 und V3 ist der Reim unsauber.
Dafür hätte ich auch einen Vorschlag:

Wie wertvoll sind die alten Träume,
die Wehmut sät die frische Saat,
ich pflanze neue Lebensbäume
und schaffe weiter den Spagat:


S5 finde ich insgesamt sehr unausgegoren, auch darum, weil ich den Sinn dahinter nicht nachvollziehen kann. Ich hätte darauf verzichtet.

Aber insgesamt gern gelesen und besenft.

VG Pitti

charis

  • Gast
Re: Hier
« Antwort #3 am: September 26, 2015, 10:16:00 »
Lieber Eky, lieber Pitti,

Vielen Dank für euer Lob und eure Mühe und Anregungen!

Ich habe oben noch zwei neue Versionen eingestellt; wobei mir persönlich die erste mit dem wiederum unreinen Reim in S3 eigentlich am besten gefällt. Ist nicht so einfach so ein langes Gedicht handwerklich ordentlich und schlüssig durchzuhalten. Ich hatte die erste Version entgegen meiner sonstigen Gewohnheit auch ziemlich rasch aufgeschrieben, ohne wirklich auf die Heber zu achten. Dir unreinen Reime stören mich an sich nicht wirklich, aber Lachen-Brachen geht nun wirklich gar nicht, das stimmt. Ich hoffe, es geht so einigermaßen?

Lieben Gruß
charis
« Letzte Änderung: September 26, 2015, 10:20:10 von charis »

cyparis

Re: Hier
« Antwort #4 am: September 26, 2015, 11:51:05 »
Schade, charis, daß ich jetzt aus dem Haus muß.
Aber auf der anderen Seite:
Solche Leckereien hebe ich mir gern für den unbeschwerten Abend auf. :)

Bis später
mit vielen Grüßen:
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

charis

  • Gast
Re: Hier
« Antwort #5 am: September 27, 2015, 11:36:19 »
Danke, liebe Cyparis,

Ich hoffe es hat einigermaßen geschmeckt. ;)

Lieben Gruß
charis