Autor Thema: Die Maske  (Gelesen 1431 mal)

Seeräuber-Jenny

Die Maske
« am: September 04, 2015, 02:42:06 »

(James Ensor, Mädchen mit Masken)

Birgt sie Milde oder Spott,
diese Maske, die mich angafft,
lügt sie oder ist sie wahrhaft,
ist sie Kleinod oder Schrott?

Grinst du, wenn die Maske weint,
wetzt du heimlich schon die Klinge,
denkst beim Kuss an Silberlinge,
bist in Wirklichkeit mein Feind?

Nein, mein Freund, ich trau dir nicht!
Deine Maske ist nur Tarnung.
Drum, mein Feind, die letzte Warnung:
Geh mir aus dem Sonnenlicht!
« Letzte Änderung: September 04, 2015, 02:48:18 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Die Maske
« Antwort #1 am: September 04, 2015, 07:48:45 »
hi, jen!   gefällt mir gut, bis auf den "schrott" in s1. der haut recht gemeinsprachlich rein. altern. reim: "Lüge/Rüge". sehr gern gelesen! lg, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Seeräuber-Jenny

Re: Die Maske
« Antwort #2 am: September 04, 2015, 12:54:07 »
Hi Erich,

das Gedicht ist vor einigen Jahren entstanden, als mich kurz nacheinander zwei vermeintliche Freunde, die ich aus einem Dichterforum im Internet kannte, bitter enttäuscht haben. Wir lernten uns persönlich kennen, und bald fühlten sie sich bei mir wie zu Hause. Da ich vorher keine schlechten Erfahrungen mit meinen Gästen gemacht hatte, war ich wohl allzu vertrauensselig und bin auf ihre freundlichen Masken hereingefallen. Dass ich alle Brücken abgebrochen habe, hat sich als das einzig Richtige erwiesen, auch wenn es weh tat. Die eine Person schuldet mir immer noch Geld und ist weiterhin auf der Suche nach neuen Opfern. Von der anderen Person, die meine Gastfreundschaft weidlich in Anspruch genommen hatte, bis es mir allmählich zuviel wurde, wurde ich im Nachhinein wüst beschimpft und aus einem gemeinsamen Projekt gedrängt. Für diese angeblich sensiblen Seelen gibt es meiner Meinung nach nur einen Ausdruck: "Pack".

Ich habe das Gedicht wieder hervorgeholt und ein bisschen bearbeitet. Danke für deinen Vorschlag. Jedoch kommt die Lüge schon in der 3. Zeile vor. Auch würden die weiblichen Kadenzen das Versmaß sprengen. Bisher lautete die letzte Zeile der
1. Strophe: "Bist du Teufel oder Gott?" Das erschien mir übertrieben. "Schrott" passt ganz gut in mein dichterisches Vokabular.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny



« Letzte Änderung: September 04, 2015, 13:55:09 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

charis

  • Gast
Re: Die Maske
« Antwort #3 am: September 05, 2015, 19:58:53 »
Liebe Jenny,
Eine lyrisch gelungene Abrechnung mit der feinen Klinge.
Deine Enttäuschung tut mir leid, aber ich denke, dass es für das eigene Wohlbefinden trotzdem
gut ist, wenn man Menschen erst einmal Vertrauen entgegenbringt.
Es gibt da eine Spruch: Wenn du kein Vertrauen in die anderen hast, wie sollen diese dann Vertrauen zu dir haben?
Aber ein bisschen Vorsicht kann trotzdem nicht schaden, bevor man alle seine "Türen" öffnet.  ;)
Lieben Gruß
charis
« Letzte Änderung: September 05, 2015, 20:38:06 von charis »

cyparis

Re: Die Maske
« Antwort #4 am: September 05, 2015, 22:45:55 »
Liebe Jenny -

das Gedicht gefällt mir.
Das Ensor-Bild weniger, weil mich Ensors Gemälde immer mit Furcht erfüllen.

Das Beispiel der Maske ist für mich sehr fraglich:
Gerade die Verräter verändern nicht ihre Miene, nicht das Mienenspiel:
Die Bosheit, die Gemeinheit, der Verrat - sie zeigen sich nicht auf dem Gesicht, der Alltagsmiene.
Sie stecken dahinter, darunter, hinter der Stirn.
D o r t  präsentiert sich die Maske.
Die man nicht sieht.
Höchstens in den Augen.


Deprimierten Gruß
von
Cyparis


Nur so ein Gedanke.
Ich
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Seeräuber-Jenny

Re: Die Maske
« Antwort #5 am: September 06, 2015, 00:40:56 »
Liebe Cyparis,

das Grauen erregende Bild von Ensor fand ich passend zum Gedicht.

Die Maske präsentiert eine andere Miene als das Gesicht hinter ihr. Im Gedicht weint sie. Genau wie die Person, die mich damals um ein erkleckliches Sümmchen erleichterte, indem sie mir eine rührselige Geschichte erzählte.  :'(

Ich denke schon, dass die Mimik viel verrät. Manchmal sieht man Schnappschüsse von Politikern, auf denen ihnen die Gesichtszüge entgleisen, so dass sie ihr wahres Gesicht zeigen.  >:D

Ja, und die Augen, die können nicht lügen. An ihnen erkennt man genau, wer gut und wer böse ist, denn sie sind der Spiegel der Seele.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny
« Letzte Änderung: September 06, 2015, 00:47:42 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

gummibaum

Re: Die Maske
« Antwort #6 am: September 08, 2015, 11:28:04 »
Gut am Exempel vorgeführt, aber unabhängig davon gültig: Tarnung will durchschaut sein und gehört zurückgewiesen.

Erheitert gelesen
LG gummibaum