Autor Thema: Der grüne Hügel  (Gelesen 1893 mal)

Jonny

Der grüne Hügel
« am: August 10, 2015, 22:56:41 »
Ein Vöglein öffnet sacht die Flügel,
umhegt von tiefer Mutterliebe.
Sein erster Flug - zum grünen Hügel,
ach wenn es dort für immer bliebe...

Der grüne Hügel, voller Träume,
so fern dem Trubel allen Lebens,
inmitten all der hohen Bäume,
bedrängt das Leid sein Ziel vergebens.

Jedoch es fliegt und wird getrieben
vom Wind der großen Illusionen.
Das Bild der Heimat ist geblieben,
um tief in seinem Herzen wohnen.

Der erste Sturm zerriss die Träume
und es vermisst das Nest der Liebe,
den Schutz der hohen grünen Bäume,
die Knospen seiner jungen Triebe.

Nun baut es selbst, in alten Steinen.
Von hier kann es zum Hügel schauen.
Nur manchmal muss es leise weinen -
wo werden seine Vöglein bauen?
« Letzte Änderung: August 11, 2015, 20:58:36 von Jonny »

Erich Kykal

Re: Der grüne Hügel
« Antwort #1 am: August 10, 2015, 23:49:44 »
Hi, Jonny!

Dein Schreibstil gefällt mir, allerdings leidet das Werk unter einer indifferenten Folge betonter und unbetonter Zeilenauftakte:

S1 - uuub
S2 - ubub
S3 - (ub-indifferent)ubu
S4 - uuuu
S5 - (ub-indifferent)ubu

In S3 und 5 ist die jeweils erste Zeile indifferent gestaltet, das heißt, man kann sie betont oder unbetont anlesen. Das verunsichert den Leser und lässt ihn straucheln.
Ein Gedicht hat im Optimalfall gleichbleibende Auftakte (zB nur unbetont beim Sonett), und wenn man schon wechselt, so sollte es zumindest mit Regelmaß geschehen, um dem Ganzen Struktur zu verleihen und so auch zu zeigen, dass man darauf geachtet hat und nicht alles nur blinder Zufall ist.

Hier ist leider nichts davon zu bemerken. Du scheinst beim Schreiben ganz der Sprachmelodie zu folgen, was eher sehr jungen, unerfahrenen Autoren passiert - oder solchen, die weniger Gefühl für Takt und Rhythmus haben und dies hinter einer "modernen" Attitüde zu verbergen suchen. Selten wird bewusst so geschrieben - eben weil es dcen Eindruck vermittelt, dass hier jemand noch nicht Bescheid weiß oder es schlicht nicht kann.

Deine Sprachhabung ist gut und verrät Potential. Ich rate zu einer Überarbeitung des Textes zugunsten gleichbleibend unbetonter Auftakte. Hebungszahl und Kadenzen sind ja ohne Fehl und Tadel.

Sehr gern gelesen. :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Der grüne Hügel
« Antwort #2 am: August 11, 2015, 10:17:00 »
Lieber Jonny,


da ich selbst immer wieder die von Erich monierten "Fehler" mache, kann ich ganz unbefangen sagen:

Die leichte Melancholie in dieser lyrischen Metapher spricht mich sehr an!
Wohl dem, der eine wahre Heimat hat!
Mir gefällt das Gedicht gut!
Ich freue mich über Dein Wirken. :)


Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Jonny

Re: Der grüne Hügel
« Antwort #3 am: August 11, 2015, 18:40:54 »
Lieber Erich!

Ein herzliches Hallo und vielen Dank für deine Hinweise!
Du hast den Finger in die Wunde gelegt. Ich befürchte, dass viele meiner Texte die gleichen Mängel aufweisen.
Und ich muss gestehen, dass ich beim Schreiben hauptsächlich darauf achte, dass die Silbenanzahl stimmt,
dass der Text ineinandergreift und das schöne Bilder entstehen.
Wenn der Vers steht, ist er aus dem Bauch geschrieben. Und wenn ich dann versuche die Zeilen umzuschreiben,
fliehen meine eigenen Worte vor mir...
Aber ich werde mir deine Vorschläge zu Herzen nehmen, mehr darauf achten und noch einmal über diese Gedicht schauen.
Liebe Grüße
Jonny

Liebe Cyparis!

Und ich freue mich über deinen Kommentar!
Man kann überall auf der Welt glücklich sein, aber es gibt nur eine Heimat.
Leider merkt man das manchmal zu spät.

Liebe Grüße
Jonny

Erich Kykal

Re: Der grüne Hügel
« Antwort #4 am: August 11, 2015, 19:19:14 »
Hi, Jonny!

Auch ich habe derlei Fehler früher oft gemacht und fand lange Zeit nichts dabei, weil alles nach eigener Lesart rund war und ich mir nicht vorstellen konnte, dass ein anderer dies anders lesen oder als Taktfehler interpretieren könnte.

Ist alles Übungssache, solang man grundsätzlich musikalisch und lernfähig ist.

Eine kleine Hilfe:

Ein Vöglein öffnet sacht die Flügel,
umhegt von tiefer Mutterliebe.
Sein erster Flug - zum grünen Hügel,
ach, wenn es dort für immer bliebe... Das Komma nach "ach" würde ich entfernen, denn so liest es sich als betonter Auftakt. Ohne Komma kann man es auf der 2. Silbe betont lesen, also auf "wenn", das wäre dann ein unbetonter Auftakt.

Der grüne Hügel, voller Träume,
fern von der Autobahn des Lebens, Betonter Auftakt. Behebung: "so fern der Autobahn des Lebens,". Ist auch sprachlich eleganter ohne das "von". Tipp: "Autobahn" klingt nicht sehr lyrisch, vor allem bei so einem Naturthema. Alternative: "so fern dem Trubel allen Lebens," oder so.
inmitten all der hohen Bäume, Kein Komma am Zeilenende.
suchte das Leid sein Ziel vergebens. Betont. Behebung: "bedrängt das Leid sein Ziel vergebens."

Doch es fliegt weiter, wird getrieben, Klar unbetonte Alternative: "Jedoch es fliegt und wird getrieben,". Kein Komma am Zeilenende.
vom Wind der großen Illusionen.
Bilder der Heimat sind geblieben, Betont. Behebung: "Das Bild der Heimat ist geblieben,".
die tief in seinem Herzen wohnen. Angleichung: "um tief in seinem Herz zu wohnen.".

Der erste Sturm zerriss die Träume
und es vermisst das Nest der Liebe. Hier besser auch Komma. Es ist eine Aufzählung - warum sie durch einen Satzbeginn zerreißen?
Den Schutz der hohen grünen Bäume,
die Knospen seiner jungen Triebe.

Nun baut es selbst, in alten Steinen.
Von hier kann es zum Hügel schauen.
Nur manchmal muss es leise weinen, Hier fände ich einen Bindestrich passender.
wo werden seine Vöglein bauen? Das "seine" würde ich hier kursiv schreiben, um dem Leser die Bezüge zu verdeutlichen.


Gern erneut gelesen und beklugscheißert! ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Jonny

Re: Der grüne Hügel
« Antwort #5 am: August 11, 2015, 20:47:15 »
Respekt, Erich, du schüttelst das alles so aus dem Ärmel...
Und es klingt besser so!
Ja, die Autobahn passt nicht so zu meinem Vögelchen.
Ich wollte einen Bezug zu den Menschen herstellen, das Vögelchen war eigentlich der Strohmann.
Mir gefallen deine Vorschläge und ich werde sie alle übernehmen.
Und nein, du hast es nicht beklugscheißert, du hast es verbessert!
Danke!

Liebe Grüße
Jonny

charis

  • Gast
Re: Der grüne Hügel
« Antwort #6 am: August 11, 2015, 21:36:56 »
Herzlich Willkommen und viel Spaß hier, lieber Jonny, gefällt mir gut!
Unser (wenn ich das so sagen darf?) Herr Oberlehrer, ist eigentlich ein Alchemist, er stapelt nur tief  :)
Lieben Gruß
charis

cyparis

Re: Der grüne Hügel
« Antwort #7 am: August 12, 2015, 11:01:49 »

Unser (wenn ich das so sagen darf?) Herr Oberlehrer, ist eigentlich ein Alchemist, er stapelt nur tief  :)


Besser hätte ich es nicht formulieren können! :)
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Jonny

Re: Der grüne Hügel
« Antwort #8 am: August 12, 2015, 17:04:43 »
Ich freue mich über deinen Willkommensgruß, charis!

Liebe Grüße
Jonny