Hi, Charis!
Die Apfelernte sollte man nicht prosaisieren!
Rilke wusste Wunderbares darüber zu dichten:
Der Apfelgarten
Borgeby-Gård
Komm gleich nach dem Sonnenuntergange,
sieh das Abendgrün des Rasengrunds;
ist es nicht, als hätten wir es lange
angesammelt und erspart in uns,
um es jetzt aus Fühlen und Erinnern,
neuer Hoffnung, halbvergessnem Freun,
noch vermischt mit Dunkel aus dem Innern,
in Gedanken vor uns hinzustreun
unter Bäume wie von Dürer, die
das Gewicht von hundert Arbeitstagen
in den überfüllten Früchten tragen,
dienend, voll Geduld, versuchend, wie
das, was alle Maße übersteigt,
noch zu heben ist und hinzugeben,
wenn man willig, durch ein langes Leben
nur das Eine will und wächst und schweigt.
Eines muss man begreifen: Für jene, denen man gerne "Genie" nachsagt und sie auf ein Podest hebt, als wären sie wertvoller als andere, ist die betreffende Begabung NICHTS Besonderes - es ist das, womit sie groß geworden sind, womit sie jeden Tag umgehen, damit fertigwerden müssen, auch mit den Konsequenzen. für die Talentierten ist das Talent, für das sie bewundert werden, eben nichts Besonderes - es ist ihr Alltägliches!
Gerade bescheidene und scheue Menschen tun sich mit solcher Anbetung oder zumindest Anhimmelung sehr schwer: Sie erleben sie als ungerechtfertigt und unverdient, denn aus ihrer Sicht sind sie ja nichts Besonderes. Ihre Begabung war ein Geschenk des Zufalls, kein Verdienst! Warum sich dafür loben lassen und erhöhen???
Ich denke, auch Rilke erging es so - und ich muss gestehen, ich fühle da ganz wie er. Vielleicht unterstelle ich da zuviel aus der eigenen Lebenserfahrung, aber aus dem Gespür heraus und eingedenk dessen, was ich über ihn weiß, glaube ich mich ihm in diesem Punkte nah.
Rilke war kein Schmarotzer im üblichen Sinne, auch kein durchgeistigter Sonderling, der sich ganz seinem "Genie" weihen wollte, weil er so von sich überzeugt war. Eher ein gehemmter, scheuer Mann mit einer übergroßen Liebe zur Sprache. Er selbst schätzte seine Kunst gar nicht so hoch ein. Natürlich freute es ihn, geschätzt zu werden, aber er selbst hätte sich nie als Genie oder Lyriktitan bezeichnet - und das wäre keine falsche Bescheidenheit gewesen!
Er nahm gerne an, was man ihm bot (Wer hätte Nein! gesagt???), aber er war nicht hochnäsig oder selbstüberschätzend - im Gegenteil!
Fridolins Gedicht erzählt zusammenfassend aus Rilke's Leben - aber nicht mit pädagogischer oder historisierender Motivation, sondern - wie Rilke - ganz bescheiden als Hommage an diesen Dichter, eher als ehrendes Wortgebilde, ganz der schönen Sprache verschrieben, so wie der Protagonist. Nebenbei beleuchten die Zeilen Rilke's Weltscheue, sein gehemmtes Verhältnis zu den Frauen und damit seine Bindungsunfähigkeit, deren Verehrung für den Dichter und deren Anteil an seinem Schaffen als finanzieller Rückhalt wie als Musen. Für manchen sicher eine neue und interessante Information, der Blick aus dieser Warte.
Es muss nicht "platt" sein, nur weil es sich nicht in Emotionen suhlt und irgendwas mit fürchterlich "Tiefe" oder einer ach so hehren Botschaft herbeizwingt. Es kann für sich selbst stehen: Fein ziselierte Wortkunst, die sich selbst genügt. Jedes Thema könnte hier behandelt werden - die Form der Sprache allein rechtfertigt die Existenz solch gediegener Zeilen.
Daher: Sehr gern gelesen!
LG, eKy