Hallo Erich, hallo Cypi,
vielen Dank für Kommentar und Gedanken.
Cypi, wir sollten postoperativ mal ein Gläschen trinken – ja?
Erich, du hast dir wirklich Zeit und Mühe genommen für deinen Kommentar.
Nun, zunächst zum Inhaltlichen. Für die Lyrikwiese wollte ich ein Naturgedicht machen. Da Gänseblümchen nicht mein Ding sind, kam mir der Gedanke drei Lebensabschnitte zu beleuchten und dabei drei „rein pflanzliche“ Redewendungen zu benutzen, die drei verschiedene Altersstufen darstellen. Das waren …
Wen der Hafer sticht
Nicht auf Rosen gebettet sein
Und die Radieschen von unten anschauen
Wie du richtig erkannt hast, ist mir das nicht ganz gelungen. Ich spreche jetzt gar nicht von metrischer Reinheit, denn ein brachialer Trochäus dazwischen - ist eine Vorliebe von mir (probiers doch auch mal
), um diesen langweiligen Kadenzensingsang zu brechen.
- Zu S1
Wenn der Hafer sticht in früher Blüte,
wer fragt schon nach den Dornenschrammen,
die dieser wilden Kraft entstammen,
und viel zu schnell verglühte.
Der Hafer sticht in früher Blüte -
wer fragt schon nach den Dornenschrammen,
die dieser wilden Kraft entstammen,
die viel zu kurz, doch innig glühte.
Angenommen! – bis auf innig … Diese Kraft (das ist die Kraft, die uns den Fidelbogen strafft > Villon/Zech) … eine solche Kraft soll
nicht innig sein, denn sie geht durch Dornenhecken und kümmert sich nicht um Schrammen. Sie sollte wild, überschäumend, bedingungslos, besitzergreifend, viril, brachial, brutal usw. sein. Vielleicht fällt dir eine Substitution dazu ein?
Zu S2- Man soll die Pracht des Sommers trinken.
Rosenbetten sind meist bittersüß
und riechen bald nach Burgverlies.
Ich wollt im Blütenmeer versinken.
Str.:1, Ver.:1 Man soll die Pracht des Som-mers trin-ken.
Str.:1, Ver.:2 Ro-sen-bet-ten sind meist bit-ter-süß
Str.:1, Ver.:3 und rie-chen bald nach Burg-ver-lies.
Str.:1, Ver.:4 Ich wollt im Blü-ten-meer ver-sin-ken.
Str.:1, Ver.:1 Silben: 9 Betonung: xXxXxXxXx Versfuß: Jambus
Str.:1, Ver.:2 Silben: 9 Betonung: XxxXxxXxx Versfuß: Daktylus
Str.:1, Ver.:3 Silben: 8 Betonung: xXxXxXxX Versfuß: Jambus
Str.:1, Ver.:4 Silben: 9 Betonung: xXxXxXxXx Versfuß: Jambus
- Man soll die Pracht des Sommers trinken.
Die Rosen duften herrlich süß,
doch allzu bald nach Burgverlies,
bevor sie ganz ins Welke sinken.
Str.:1, Ver.:1 Man soll die Pracht des Som-mers trin-ken.
Str.:1, Ver.:2 Die Ro-sen duf-ten herr-lich süß,
Str.:1, Ver.:3 doch all-zu bald nach Burg-ver-lies,
Str.:1, Ver.:4 be-vor sie ganz ins Wel-ke sin-ken.
Str.:1, Ver.:1 Silben: 9 Betonung: xXxXxXxXx Versfuß: Jambus
Str.:1, Ver.:2 Silben: 8 Betonung: xXxXxXxX Versfuß: Jambus
Str.:1, Ver.:3 Silben: 8 Betonung: xXxXxXxX Versfuß: Jambus
Str.:1, Ver.:4 Silben: 9 Betonung: xXxXxXxXx Versfuß: Jambus
Hmmm … Jein
Der Retter(Heber)-in-der-Not hat natürlich Recht … Jambus/Daktylus im Wechsel - deine Version klingt besser - keine Frage ... aber
Man soll die Pracht des Sommers trinken.
Ich wollt im Blütenmeer versinken.Der umfangende Reim drückt den Reichtum und die Vielzahl der „Möglichkeiten“ aus. „Frauen ticken da genauso wie Männer“. Man soll „sie“ austrinken und nicht verschämt ein einzelnes Blümelein knicken. Nein, man soll sich hineinwerfen in das „Blütenmeer“, sich hingeben - aus dem Vollen schöpfen. Ich denke, ich muss da nicht ins Detail gehen.
Rosenbetten sind meist bittersüß
und riechen bald nach Burgverlies.Auf Rosen gebettet sein, meint doch die emotionale Vollversorgung - eine Liebessorglosigkeit, ein Geschlechtsakt wie ein Bausparvertrag. Wo bleibt da die Spannung Erich? Sie wird in ersticken im Wohlfühlkuschelheim, sterben am inszenierten Wärmetod. Deshalb „bittersüß“. Also Z1 und Z4 gehören zusammen – sind kongenial, hingegen Z2 und Z3 sind Gefängnis und Liebestod – also diametral. Deswegen darf in Z4 Nichts ins Welke sinken – im Gegenteil!
Vielleicht fällt dir noch eine andere Version ein ...
Zu S3- Die Sense mäht im Herbst zur Ernte
und wer von Sorgen, Schuld beladen,
wird auch nur Teil von Wurz und Maden.
Wie wenig zählt das Angelernte.
Die Sense mäht im Herbst zur Ernte,
und auch wer sich mit Schuld beladen,
wird endlich Teil von Staub und Maden.
Wie wenig zählt das Angelernte!
Beides vierhebig im jambischen Auftakt. Version angenommen ... aber
Das
endlich drückt nicht dasselbe aus wie
auch. Das
auch ist eine paritätische Zuordnung, das heißt es macht zum Schluss keinen Unterschied, ob wer redlich und rechtschaffen war Zeit seines Lebens. Zum Schluss sind sie alle gleich … zumindest stofflich.
Staub ist natürlich eleganter, wenn auch überzitiert. Hier muss ich zugeben, dass ich unbedingt die Radieschen drin haben wollte. Die aber noch von unten anzusehen wäre deutlich zu lang gewesen.
Es blieb für den letzten
„Furz“ nur noch Platz für ungeschliffne
„Wurz“.
Ich Danke auch für attestierte Sprachbegabung bei gelungener Conclusio.
Wie fändest du „letztlich“ an Stelle von „endlich“?
Und gibt es etwas stürmischeres als „innig“?
Grüße ins Mühlviertel
Vom Hans
p.s hast du die Yamaha noch?