Autor Thema: Pharisäer  (Gelesen 1228 mal)

Erich Kykal

Pharisäer
« am: Mai 09, 2015, 12:59:59 »
Sein ganzes Leben weihte er der Kunde
von Gottes Wort und lernte Tag für Tag,
was hoch geheiligt ihm vor Augen lag,
und rollte jeden Satz im nackten Munde.

Sein Seelenheil war eine stille Wunde,
darauf der Balsam jeder Zeile kühlte,
was ihm die Welt unweigerlich zerwühlte
mit jeder draußen miterlebten Stunde.

Der Wald der Seiten war ihm Hut und Hag,
er dachte nie, sein Tun zu hinterfragen.
Ihm war Beweis genug, was Gott vermag,

dass aller Segen, den er darin fühlte,
ihm weiter half, das Leben zu ertragen:
Sein tägliches Verweigern und Versagen.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Pharisäer
« Antwort #1 am: Mai 09, 2015, 23:58:30 »
Moin moin Erich,

auf dein Vermögen, Gedanken in wohlgeformten, lyrischen Versen zu äußern, muss ich nicht mehr näher eingehen, da ich meine Freude darüber schon oft zum Ausdruck gebracht habe.

Was ich allerdings gerne zum Ausdruck bringen möchte, ist meine Freude über die Konklusion die du in der letzten Zeile
so "cool" einbringst.  8)

LG
CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re: Pharisäer
« Antwort #2 am: Mai 10, 2015, 00:46:47 »
Hi, Curd!

Wieder eins für meine immer umfangreicher werdende antireligiöse Sammlung! ;D

Vielen Dank für deine wohlgesetzten Worte des Lobes! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

charis

  • Gast
Re: Pharisäer
« Antwort #3 am: Mai 10, 2015, 10:01:35 »
Lieber Eky,

Gefällt mir sehr! Auch weil ich mit der Aufarbeitung meiner katholischen Erziehung noch nicht ganz fertig bin ;D

Ich hab mir ein paar Gedanken zu deinem Gedicht gemacht:

Sein ganzes Leben weihte er der Kunde
von Gottes Wort und lernte Tag für Tag,
was hoch geheiligt ihm vor Augen lag,
und rollte jeden Satz im nackten Munde.  - "nackter Mund"?  "und käute wieder jeden Psalm im Munde"

Sein Seelenheil war eine stille Wunde, - warum nicht "schwärend"? wegen der Kürzung? still sind sie ja jedenfalls, ev:"Sein Seelenheil war Stigma, eine Wunde,"

darauf der Balsam jeder Zeile kühlte, - "die kaum der Balsam jener Zeilen kühlte"

was ihm die Welt unweigerlich zerwühlte - eigentlich: xXxx - seine Welt? - "was seinen frommen (engen?) Geist dennoch zerwühlte" - "wenn ihm dennoch ein wacher Sinn erblühte"

mit jeder draußen miterlebten Stunde. "außerhalb erlebten" erschiene mir runder

Der Wald der Seiten war ihm Hut und Hag, "Schriften, Bibel"?
er dachte nie, sein Tun zu hinterfragen.
Ihm war Beweis genug, was Gott vermag,

dass aller Segen, den er darin fühlte, - ganz ungewohnt von dir, dass du auf den Reim verzichtest - gefällt mir, trotzdem ein Vorschlag: "- der im Jenseits (Dunkel?) lag -" dann wär "lag" allerdings doppelt "den das Jenseits barg"
nicht rein.
ihm weiter half, das Leben zu ertragen:
Sein tägliches Verweigern und Versagen. - Jawohl!! ;D

Freuen dürfen sich alle, denen der Herr die Schuld nicht anrechnet und deren Gewissen nicht mehr belastet ist!    (Psalm 32,1-2)  ;D

Sehr gern gelesen und geübt!  ;)
Lieben Gruß
charis

Erich Kykal

Re: Pharisäer
« Antwort #4 am: Mai 10, 2015, 15:04:22 »
Hi, Charis!

Danke für deine ausführlichen Gedanken.

Ich lege großen Wert auf fließende Sprachmelodie. Vergleiche deine Vorschläge hinsichtlich des melodischen Flusses, und du wirst feststellen, warum ich es so fügte, wie ich es tat. (Wenn dir allerdings "mit jeder außerhalb erlebten Stunde" wirklich flüssiger erscheint als "mit jeder draußen miterlebten Stunde", muss ich allerdings an deinem Gehör oder an deiner Mundmechanik zweifeln! ;) :D) (Zur Sicherheit: Das soll ein Scherz sein! Der Unterschied ist nicht sooo groß. ;))

Mit dem "nackten Mund" wollte ich auf die Unmittelbarkeit hinweisen, mit der sich diesem Text ausliefert: "nackt" ist hier gleich "ungeschützt" = "distanzlos" = "manipulierbar".

"unweigerlich" (xXxX) hat bei mir hier 2 Heber: "was ihm die Welt unweigerlich zerwühlte"

Da ich die umfassten Reime der Quartette in den Terzetten wiederholte, verzichtete ich mitnichten auf einen Reim, auch wenn es bei "kühlte/zerwühlte/fühlte" einer weniger ist als bei "Tag/lag/Hag/vermag". ;)

LG, eKy
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Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Pharisäer
« Antwort #5 am: Mai 24, 2015, 19:48:58 »
Lieber Erich,


wieder ein großer Wurf.
Die Geschmeidigkeit der Sprache macht das Thema sozusagen "umwerfend".
Die Wendung "Hut und Hag" gefällt mir besonders gut.

Kennte ich dich nicht ein wenig, hättest Du mich aufs Glatteis führen können.
(Ich bin ja nicht die Hellste).


Pfingstgruß ( ;D)
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Pharisäer
« Antwort #6 am: Mai 24, 2015, 21:11:28 »
Hi, Cypi!

Inwiefern hätte ich dich auf's Glatteis führen wollen? Dachtest du, ich bezöge den Text auf mich? Mitnichten - es beschreibt einzig, wie der Titel sagt, das Lebensgebäude des typischen Pharisäers, so wie ich ihn interpretiere. Oder was meintest du?

LG, eKy
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cyparis

Re: Pharisäer
« Antwort #7 am: Mai 25, 2015, 10:30:56 »
Können, lieber Erich, können!
Du bist dem LI so ins Innere gekrochen, als hättest Du aus eigener Erfahrung geschrieben.

Hoffentlich verstehst Du, was ich meine.

Euch einen schönen Sonnentag!


Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte