Autor Thema: Günter Grass - ein Nachruf  (Gelesen 1733 mal)

Seeräuber-Jenny

Günter Grass - ein Nachruf
« am: April 26, 2015, 01:59:04 »
Der Günter Grass, der war ein As,
mit seiner spitzen Feder
erschuf er Grafiken ganz krass.
Das kann gewiss nicht jeder.

Doch wie er schrieb, es tut mir leid,
das wirft mich nicht vom Hocker.
Auch suchte er wohl öfter Streit,
da mag ich's lieber locker.

Schlägt er die Trommel noch so laut,
ich fange an zu gähnen.
Wenn Neuss auf seine Pauke haut,
dann lach ich bittre Tränen.

Seite an Seit mit Willy Brandt,
im wilden Wahlkampftrubel,
war Grass bald populär im Land.
Es rollten auch die Rubel.

Gingen zur Neige, welch ein Mist,
zerschlissen warn die Röcke.
Doch wozu ist man Populist,
wozu gibt’s Sündenböcke...

Bei all seiner Beredtsamkeit
konnt er auch ganz gut schweigen
und über die Vergangenheit
die Diskussion vermeiden.

Nun hat die liebe Seele Ruh
und ist vielleicht ein Engel,
der immerzu nur Gutes tut,
und niemals mehr ein Bengel.
« Letzte Änderung: April 26, 2015, 11:28:29 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Günter Grass - ein Nachruf
« Antwort #1 am: April 26, 2015, 13:35:12 »
Hi, Jenny!

Du sprichst mir aus der Seele! Ich habe zwar nur sein Gedicht gegen das israelische Atombombenprogramm gelesen - aber das war so grottenschlecht geschrieben, dass mir die Lust auf weiteres Kennenlernen vergangen ist.
Den Film "Die Blechtrommel" kenne ich zwar, aber derlei gibt nur sehr begrenzt bis gar nicht Auskunft über eines Autors Schreibstil.

Wie auch immer - er hat es hinter sich, und was immer jene nun von sich geben, die ihn kritisieren oder feiern wollen - es ist ihm aufgrund Nichtexistenz nunmehr egal! ;D

Gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re: Günter Grass - ein Nachruf
« Antwort #2 am: April 26, 2015, 14:10:41 »
Ja, liebe Jenny -


er hat es hinter sich, wie und was immer es auch gewesen sein mag.
Übrigens hab ich auf der neuen SPIEGEL-DvD Interviews mit u.a. Herrn Genscher, Hardy Krüger und Herrn Karrasek gehört.
G. und H.K. mußten auch noch Soldaten sein, wenn auch nicht in der Waffen-SS.
Das nur nebenbei.

Aus welcher Stimmung heraus er das antisemitische Pamphlt geschrieben hat, wird mir immer schlierhaft bleiben.
Aber seine ersten Romane: alle Wetter!

Lieben Sonntagsgruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Günter Grass - ein Nachruf
« Antwort #3 am: April 26, 2015, 17:49:06 »
Hi, Cypi!

Da muss ich dich berichtigen: Sein "Pamphlet" ist mitnichten "antisemitisch" - es richtet sich eindeutig gegen israelische Politik, nicht gegen die jüdische Rasse. Das ist ein wesentlicher Unterschied, den leider allzu viele Menschen nicht zu machen scheinen. Das liegt auch an dem "schlechten Gewissen" der Deutschen den Juden gegenüber: Da wird jegliche wie auch immer gerechtfertigte Kritik an deren Handeln gleich als rassistisch motiviert interpretiert! So als wollte man dem Rest der Welt nur ja keine neue Munition liefern, um sich auf die Deutschen als ewige Nazis einzuschießen.
Leider verbaut dieses Leisetreten auch jegliche Objektivität gegenüber der Poltik des Staates Israel. Ich muss gestehen, dass ich mit dem Inhalt des Grass'schen Gedichts konform gehe - ich finde bloß die lyrische Form und Präsentation miserabel.

Wie sich das israelische Militär heute gebärdet - mit all den ghettoisierenden Palästineserlagern, der Siedlungspolitik, der Sicherheitskorridore, Postenketten usw... - das trägt durchaus "faschistische" Züge: Das Diktat einer (eingebildeten) Elite über das Recht Unterlegener und Ausgegrenzter, die sich anders nicht als mit Terror gegen ein Unrecht zu wehren vermögen, was leider nur immer mehr Unrecht verursacht, da so zumeist immer die Unschuldigen zu leiden haben.
So gesehen ist das heutige Israel unter der nach Westen weltoffenen Fassade durch den Druck der islamischen Welt beinahe zu einer Art "zum Überleben notwendigen" Militärdiktatur verkommen, die manche nationalsozialistische Züge trägt, ohne dass es den Juden wohl irgendwie zu Bewusstsein käme, da sie sich immer noch in der Opferrolle der Geschichte sehen, obwohl sie doch schon längst ins Lager der Täter übergewechselt sind!
Ein typisches Beispiel für dieses Elitedenken: Ein toter israelischer Soldat wird laut Militärdoktrin mit 10 toten Palästinensern vergolten - so als wäre das jüdische Leben per definitionem zehnmal mehr wert als das des Mohammedaners!

Man stelle sich vor: Zigeuner besetzen das Burgenland bis hinauf nach Wien. Wien wird geteilte Stadt, sein Osten unter dem Protektorat der Zigeuner, die das Burgenland zum souveränen Staat "Zigania" erklären, die österr. Bevölkerung dort vertreiben oder als Untermenschen behandeln, sie in mit Betonmauern umgrenzte Siedlungen pferchen, die man nur mittels Passierschein verlassen kann, von Bildungsmöglichkeiten ausschließen und ständig drangsalieren und verarmen lassen. Militärisch unterstützt von einer fernen Großmacht sind sie dem österr. Heer hofflungslos überlegen, und der Rest der Welt reagiert gar nicht auf die internationalen Hilferufe des Staates Österreich, weil die Zigeuner all die Jahrhunderte Verfolgte und Verachtete waren und die Welt ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen hat. Auslandszigeuner, die reich geworden sind, unterstützen in der fernen Großmacht den neuen Staat, der sich Atomwaffen beschafft, um sein "Existenzrecht" zu verteidigen.

Was würdest du davon halten? ZB, Wenn dasselbe in Deutschland geschähe, zB mit Schleswig-Holstein? Nun, genau das ist Palästina nach dem 2. Weltkrieg passiert: Eine ganze Bevölkerung, die dort seit Jahrhunderten lebte, wurde besiegt, vertrieben und unterjocht mit dem Argument, die Aggressoren hätten dort "die älteren Rechte", weil sie schon fast zweitausend Jahre davor mal von dort vertrieben worden war. So kann Unrecht immer nur neues Unrecht gebären!

Und das Argument, Grass als alter SS-ler hätte kein Recht, sich über jüdische Politik zu mokieren, lasse ich nicht gelten: Unrecht bleibt Unrecht und muss aufgedeckt werden, egal, wie "politisch korrekt" jemand den Mahner findet. Dazu noch dies:
Wir verändern uns im Laufe unseres Lebens ständig und sehr, scheinen anderen dies aber nicht zugestehen zu können: einmal Nazi, immer Nazi - oder wie? Mag sein, Grass war damals ein politisch "Überzeugter" - das bedeutet noch lange nicht, dass er es heute noch sein muss (ich denke, sein literarisches Werk vermittelt auch genügend Gegenbeweise), oder dass er alter Sünden wegen kein Recht hätte, in seine Augen falsch Laufendes anzusprechen.


LG, eKy
« Letzte Änderung: April 26, 2015, 19:58:43 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
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cyparis

Re: Günter Grass - ein Nachruf
« Antwort #4 am: April 26, 2015, 18:38:00 »
Lieber Erich,


ich korrigiere mich nur allzugerne!
Da siehst Du, wie gedankenlos "man" mit den Begriffen umzugehen Gefahr läuft.

Ich habe in einem der letzten SPIEGEL ein Interview mit einem israelischen Redakteuer gelesen, der so gut wie befreundet mit Günter Grass war.
Auch er benutzte den Ausdruck.
Die Trennungslinie ist sehr verschwommen.

Hab Dank für Deinen aufschlußreichen und ausführlichen Text!


Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Seeräuber-Jenny

Re: Günter Grass - ein Nachruf
« Antwort #5 am: April 26, 2015, 23:24:30 »
Liebe Cyparis,
lieber Erich,

der deutsche Antisemitismus tarnt sich heutzutage als Israel-Kritik.
http://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37967/traditioneller-und-moderner-antisemitismus

Auch Günter Grass war ein Antisemit.
http://www.tagesspiegel.de/meinung/provokantes-gedicht-guenter-grass-ein-kreis-schliesst-sich/6476602.html

"Was gesagt gesagt werden muss" - Nein, dieses Recht hatte er als Deutscher nicht.
http://www.taz.de/!143349/

Mit den Geistern, die er rief, müssen wir uns jetzt rumärgern.

Manche meinen, Günter Grass wäre neben Thomas Mann der größte deutsche Schriftsteller des 20. Jahrhunderts gewesen, wenn nicht sogar der größte deutsche Dichter neben Goethe. Das finde ich stark übertrieben.

Sicher, Grass war der populärste Schriftsteller seiner Zeit. Und er hat einen berühmten Roman geschrieben. Doch ich persönlich fand "Die Blechtrommel" sehr unappetitlich. Auch der Stil konnte mich nicht fesseln.
Da fand ich den Film "Wir Kellerkinder" von Wolfgang Neuss schon unterhaltsamer, der die "Blechtrommel" parodistisch aufs Korn nahm und ätzende Kritik am deutschen Wesen übte.
https://www.youtube.com/watch?v=_Rl-Nv6iACQ

Aber über Geschmack lässt sich halt nicht streiten.

Liebe Grüße
Seeräuber-Jenny

« Letzte Änderung: April 26, 2015, 23:43:23 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Erich Kykal

Re: Günter Grass - ein Nachruf
« Antwort #6 am: April 27, 2015, 21:18:48 »
Hi, Jenny!

Dass du hier nach jedem Aussagesatz einen Link zu einem Zeitungsartikel setzt, der ins gleiche Horn stößt, macht deine "Argumentationskette", die eigentlich keine ist, nicht glaubhafter, zumal diese Artikel eindeutig politisch meinungsgefärbt sind. Bei dem TAZ-Artikel "Ein Kreis schließt sich" frage ich mich ernstlich, ob der betreffende Schreiberling das Gedicht überhaupt ohne vorgefasste Meinungsbrille gelesen hat - oder überhaupt!
So nonchalant, wie er hier zu einer vernichtenden Ansicht findet - ohne Argumente, ohne klare Beispiele, schlicht als Aussage so nach dem Motto: "Lies es und glaub's!" - kann ich das nicht als Journalismus ernst nehmen.
Nicht nur darob erlaube ich mir, bei meiner zuvor dargelegten Ansicht zu bleiben: Israel macht nicht alles richtig (kein Staat kann das übrigens), und das muss - auch in Deutschland - gesagt werden dürfen, Vergangenheit hin oder her. Das hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Oder ist dieses Land schlicht sakrosankt und kann kritiklos machen, was es will? Eine gefährliche Einseitigkeit! Über Grass als Mahner kann man sich ärgern, aber wie ich sagte: Menschen ändern sich, aber unreflektierte Unterstellungen sind wohl leichter als objektives Abwägen.
Ich mochte Grass auch nicht, weder als Mensch noch als Literat, aber ich bin vorsichtig damit, mir so rasch und oberflächlich ein Urteil zu erlauben. Wäre er mit der Springerstiefelabteilung mitmarschiert und hätte dort Reden geschwungen - keine Frage, ich würde ihn verurteilen. Aber für seinen Israeltext? Sorry, darin erkenne ich keinen Judenhass, nur Ärger und Bedauern über eine verfehlte Politik und Einstellung dieses Staates, der ich mich inhaltlich weitgehend anschließen kann - ebenfalls, ohne ein Antisemit zu sein.  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re: Günter Grass - ein Nachruf
« Antwort #7 am: April 28, 2015, 01:00:08 »
Elitedenken: Ein toter israelischer Soldat wird laut Militärdoktrin mit 10 toten Palästinensern vergolten - so als wäre das jüdische Leben per definitionem zehnmal mehr wert als das des Mohammedaners!

Danke, jedoch ohne Kommentar.

CB
Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

wolfmozart

Re: Günter Grass - ein Nachruf
« Antwort #8 am: Mai 16, 2015, 11:52:56 »
Ein für mich durchaus ironisch/kritischer Nachruf.

Mit spitzer Feder, aber ohne Bösartigkeit verfaßt.

Gern gelesen

wolfmozart