Autor Thema: Nebel  (Gelesen 804 mal)

cyparis

Nebel
« am: April 20, 2015, 08:06:18 »
Nebel
Wie der Nebel sank. Und wie er wieder steigt!
Ich habe diese unsre Nacht verwacht; bedacht
des Fährmanns lockendes Gebot verlacht,
und dennoch meine Münzen abgezweigt.

Der halbe Mond: Ich habe kindlich mich verneigt.
Das Boot, das Boot: Es trägt die dunkle Fracht.
Allerletztes ward vor Jahren schon vollbracht.
Dämmernd und verdämmernd hat es sich gezeigt.

Gnädig hat der blasse Nebel mir gewaltet.
An seinem Mantel haften kaum Konturen.
Diffuses und Geahntes wird aufs Neu gestaltet.

Ich folge zögernd unwach seinen Spuren.
Ich wünsche Euch, daß Ihr für Euch behaltet,
was ich verlor: Des Lebens wahre Fluren.







ad hoc
Sept.2014
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re: Nebel
« Antwort #1 am: April 20, 2015, 18:20:16 »
Hi, Cypi!

Wunderschön! Warum der Titel allerdings ohne Zeilenabstand drübersteht, ist mir unklar. Gewollt?


Die Sonettform hat klassischerweise unbetonte Auftakte. Leider sind dir da ein paar betonte untergekommen. Man kann zwar auch ein "modernes" Sonett mit betonten Auftakten verfassen, aber es sollte - wie das andere - in sich gleichmäßig sein. Also entweder nur - oder nur.
Einige Zeilen sind auch etwas zu lang.

Wenn ich die betreffenden Stellen berichtigen darf ;):


Der Nebel, wie er sank! Und wieder steigt!
Ich habe unsre Nacht verwacht; bedacht
des Fährmanns lockendes Gebot verlacht,
und dennoch meine Münzen abgezweigt.

Der halbe Mond: Ich habe mich verneigt.
Das Boot, das Boot: Es trägt die dunkle Fracht.
Ein Letztes ward vor Jahren schon vollbracht.
Verdämmernd vage hat es sich gezeigt.

So gnädig hat der Nebel mir gewaltet.
An seinem Mantel haften kaum Konturen:
Diffuses und Geahntes neu gestaltet.

Ich folge zögernd unwach seinen Spuren.
Ich wünsche Euch, daß Ihr für Euch behaltet,
was ich verlor: Des Lebens wahre Fluren.


So haben alle Zeilen unbetonte Auftakte und 5 Heber. Sonettig! ;) :D

Sehr gern gelesen und genossen - allein schon der Sprache, aber hier auch der guten Reimführung wegen! Auch wenn der Inhalt - wie meist - schwer und traurig ist. Die meisten deiner "ernst" gemeinten Gedichte kreisen - so scheint es mir - um diese Thematik: Verlust, Trauer, Resignation. Das LyrIch schreibt aus der Ich-Perspektive von Leid, Bitternis und Trostlosigkeit ob der Tatsache, dass es - im gegensatz zum Partner - noch am Leben ist: Schicksalsseufzer!
Ich hab ja im Grunde nix gegen, ich erwähne nur, dass die Häufigkeit dieses Inhalts schon ziemlich auffällt. Es gibt viele andere "schwere" Themen, auch nicht ichbezogene. Ich möchte nur vorbeugen, dass du allzu einseitig wirst - auch wenn dich dieser bestimmte Themenkreis so beschäftigt: Lüfte mal das Oberstübchen durch und lass frischen lyrischen Wind hinein! ;) :-* Darf ruhig auch was Trauriges sein - aber eben anders!
Bitte, versteh mich recht: Das soll kein Vorwurf sein oder gar eine Belehrung. Es ist eben nur ein Punkt, der auffällt, und den man darum mitteilt. Was du, geschätzte Freundin, daraus machst, liegt ganz bei dir. :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Nebel
« Antwort #2 am: April 23, 2015, 03:54:28 »
Hallo cyparis,

wunderbar die dunkle Atmosphäre am Styx und die Ambivalenz des LI geschildert. Begeistert gelesen.

Chapeau
gummibaum