Hi, Cypi!
Für "ad hoc" wunderbar gedichtet! Auch die Sprache gelungen und klar.
Wie üblich -
- sind es leider mal wieder die metrischen Unwuchtigkeiten, die den klaren Sprachrhythmus stören:
Heber pro Zeile:
5 - Die erste Amsel straft die Sonne Lügen -
4 - wann weicht das Dunkel dieser Nacht?
4 - Aurora will sich mir nicht fügen,
4 - nur Schmerzen hat sie mir gebracht.
5 - Gelächter liegt auf schadenfrohen Zügen.
5 - Die Wunden zeigen ihre Übermacht.
4 - Ich kann mich nicht mehr selbst betrügen:
5 - Nichts nimmt mir diese übergroße Fracht.
6 - So will ich mich mit einem kargen Rest begnügen.
6 - Das Abendrot sagt mir: Nun wäge mit Bedacht.
Du behauptest ja, du würdest rein nach Sprachmelodie dichten, und nach deiner Lesart wären deine Zeilen durchaus harmonisch. Nun, selbst wenn dies für dich zutrifft - für viele Leser wird es so nicht aufgehen. Die Ungleichgewichte der unrhythmisch wechselnden Zeilenlängen hemmen dann eher einen klaren Fluss der Sprache, lassen den Leser an manchen Stellen in der Luft hängen oder zwingen ihn, andere Stellen unnatürlich zu beschleunigen, um im Lesetakt zu bleiben.
Um die Vielzahl kurzer zeilenlanger Sätze zu reduzieren, erscheint es mir sinnvoll, die Zeilen 5 und 6 mit einem Komma zu verbinden.
Ich versuche mich mal an drei den vorkommenden Heberzahlen angepasste Versionen:
Vierhebige Version:Die Amsel straft die Sonne Lügen -
wann weicht das Dunkel dieser Nacht?
Aurora will sich mir nicht fügen,
nur Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt auf rohen Zügen,
die Wunden zeigen Übermacht.
Ich kann mich nicht mehr selbst betrügen:
Nichts nimmt mir diese große Fracht.
Ein karger Rest muss mir genügen.
Des Abends wäge mit Bedacht.
Fünfhebige Version:Die erste Amsel straft die Sonne Lügen -
wann weicht das tiefe Dunkel dieser Nacht?
Aurora will sich mir nicht länger fügen,
nur dunkle Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt auf schadenfrohen Zügen,
die Wunden zeigen ihre Übermacht.
Ich kann und will mich nicht mehr selbst betrügen:
Nichts nimmt mir diese übergroße Fracht.
So will ich mich mit einem Rest begnügen.
Das Abendrot sagt: Wäge mit Bedacht.
Sechshebige Version:Der erste Amselruf, er straft die Sonne Lügen -
wann weicht das Dunkel dieser nimmermüden Nacht?
Aurora, scheint es, will sich meinem Leid nicht fügen,
nur endlos dunkle Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt wie Gift auf schadenfrohen Zügen,
die Lebenswunden zeigen ihre Übermacht.
Ich kann und will mich weiter nicht mehr selbst betrügen:
Kein Morgen nimmt mir diese übergroße Fracht.
So will ich mich mit einem kargen Rest begnügen.
Das Abendrot sagt mir: Nun wäge mit Bedacht.
Du siehst, jede Version ist in sich harmonisch getaktet und die Sprache kann obstruktionsfrei fließen. Was ist denn so schwer daran!?
Es liegt am Geschmack des Autors, welcher Version er den Vorzug gibt. Ich würde hier - wie meist - die goldene Mitte wählen: Zwischen informationsverlustiger Knappheit und wortüberbordender Verschnörkeltheit liegt die lyrisch "gesündeste" Option, wie ich finde.
Sehr gern gelesen und bearbeitet!
LG, eKy