Autor Thema: Lasten  (Gelesen 1223 mal)

cyparis

Lasten
« am: April 19, 2015, 10:41:52 »
Die erste Amsel straft die Sonne Lügen -
wann weicht das Dunkel dieser Nacht?
Aurora will sich mir nicht fügen,
nur Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt auf schadenfrohen Zügen.
Die Wunden zeigen ihre Übermacht.
Ich kann mich nicht mehr selbst betrügen:
Nichts nimmt mir diese übergroße Fracht.
So will ich mich mit einem kargen Rest begnügen.
Das Abendrot sagt mir: Nun wäge mit Bedacht.



19. April 2015
ad hoc


Drei Variationen vom Meister:




Ich versuche mich mal an drei den vorkommenden Heberzahlen angepasste Versionen:

Vierhebige Version:

Die Amsel straft die Sonne Lügen -
wann weicht das Dunkel dieser Nacht?
Aurora will sich mir nicht fügen,
nur Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt auf rohen Zügen,
die Wunden zeigen Übermacht.
Ich kann mich nicht mehr selbst betrügen:
Nichts nimmt mir diese große Fracht.
Ein karger Rest muss mir genügen.
Des Abends wäge mit Bedacht.

Fünfhebige Version:

Die erste Amsel straft die Sonne Lügen -
wann weicht das tiefe Dunkel dieser Nacht?
Aurora will sich mir nicht länger fügen,
nur dunkle Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt auf schadenfrohen Zügen,
die Wunden zeigen ihre Übermacht.
Ich kann und will mich nicht mehr selbst betrügen:
Nichts nimmt mir diese übergroße Fracht.
So will ich mich mit einem Rest begnügen.
Das Abendrot sagt: Wäge mit Bedacht.

Sechshebige Version:

Der erste Amselruf, er straft die Sonne Lügen -
wann weicht das Dunkel dieser nimmermüden Nacht?
Aurora, scheint es, will sich meinem Leid nicht fügen,
nur endlos dunkle Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt wie Gift auf schadenfrohen Zügen,
die Lebenswunden zeigen ihre Übermacht.
Ich kann und will mich weiter nicht mehr selbst betrügen:
Kein Morgen nimmt mir diese übergroße Fracht.
So will ich mich mit einem kargen Rest begnügen.
Das Abendrot sagt mir: Nun wäge mit Bedacht.
« Letzte Änderung: April 19, 2015, 15:58:01 von cyparis »
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re: Lasten
« Antwort #1 am: April 19, 2015, 14:06:10 »
Gefällt mir ausgesprochen gut, liebe Cyparis, auch der Inhalt keine frohe Botschaft übermittelt. Die Sprache ist superb (um es mich Erichs Worten zu sagen).

Einen wärmenden  Sonnenstrahl wünscht dir

gummibaum
« Letzte Änderung: April 19, 2015, 14:09:36 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Lasten
« Antwort #2 am: April 19, 2015, 15:21:41 »
Hi, Cypi!

Für "ad hoc" wunderbar gedichtet! Auch die Sprache gelungen und klar.

Wie üblich - ;) ::) - sind es leider mal wieder die metrischen Unwuchtigkeiten, die den klaren Sprachrhythmus stören:

Heber pro Zeile:

5 - Die erste Amsel straft die Sonne Lügen -
4 - wann weicht das Dunkel dieser Nacht?
4 - Aurora will sich mir nicht fügen,
4 - nur Schmerzen hat sie mir gebracht.
5 - Gelächter liegt auf schadenfrohen Zügen.
5 - Die Wunden zeigen ihre Übermacht.
4 - Ich kann mich nicht mehr selbst betrügen:
5 - Nichts nimmt mir diese übergroße Fracht.
6 - So will ich mich mit einem kargen Rest begnügen.
6 - Das Abendrot sagt mir: Nun wäge mit Bedacht.

Du behauptest ja, du würdest rein nach Sprachmelodie dichten, und nach deiner Lesart wären deine Zeilen durchaus harmonisch. Nun, selbst wenn dies für dich zutrifft - für viele Leser wird es so nicht aufgehen. Die Ungleichgewichte der unrhythmisch wechselnden Zeilenlängen hemmen dann eher einen klaren Fluss der Sprache, lassen den Leser an manchen Stellen in der Luft hängen oder zwingen ihn, andere Stellen unnatürlich zu beschleunigen, um im Lesetakt zu bleiben.

Um die Vielzahl kurzer zeilenlanger Sätze zu reduzieren, erscheint es mir sinnvoll, die Zeilen 5 und 6 mit einem Komma zu verbinden.

Ich versuche mich mal an drei den vorkommenden Heberzahlen angepasste Versionen:

Vierhebige Version:

Die Amsel straft die Sonne Lügen -
wann weicht das Dunkel dieser Nacht?
Aurora will sich mir nicht fügen,
nur Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt auf rohen Zügen,
die Wunden zeigen Übermacht.
Ich kann mich nicht mehr selbst betrügen:
Nichts nimmt mir diese große Fracht.
Ein karger Rest muss mir genügen.
Des Abends wäge mit Bedacht.

Fünfhebige Version:

Die erste Amsel straft die Sonne Lügen -
wann weicht das tiefe Dunkel dieser Nacht?
Aurora will sich mir nicht länger fügen,
nur dunkle Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt auf schadenfrohen Zügen,
die Wunden zeigen ihre Übermacht.
Ich kann und will mich nicht mehr selbst betrügen:
Nichts nimmt mir diese übergroße Fracht.
So will ich mich mit einem Rest begnügen.
Das Abendrot sagt: Wäge mit Bedacht.

Sechshebige Version:

Der erste Amselruf, er straft die Sonne Lügen -
wann weicht das Dunkel dieser nimmermüden Nacht?
Aurora, scheint es, will sich meinem Leid nicht fügen,
nur endlos dunkle Schmerzen hat sie mir gebracht.
Gelächter liegt wie Gift auf schadenfrohen Zügen,
die Lebenswunden zeigen ihre Übermacht.
Ich kann und will mich weiter nicht mehr selbst betrügen:
Kein Morgen nimmt mir diese übergroße Fracht.
So will ich mich mit einem kargen Rest begnügen.
Das Abendrot sagt mir: Nun wäge mit Bedacht.


Du siehst, jede Version ist in sich harmonisch getaktet und die Sprache kann obstruktionsfrei fließen. Was ist denn so schwer daran!? :D

Es liegt am Geschmack des Autors, welcher Version er den Vorzug gibt. Ich würde hier - wie meist - die goldene Mitte wählen: Zwischen informationsverlustiger Knappheit und wortüberbordender Verschnörkeltheit liegt die lyrisch "gesündeste" Option, wie ich finde. ;) ;D

Sehr gern gelesen und bearbeitet! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Fridolin

Re: Lasten
« Antwort #3 am: April 19, 2015, 16:53:38 »
Liebe cyparis,

ich wollte eigentlich auch etwas zur Metrik sagen, aber eKy hat sich ja in seiner gründlichen Art ausführlichst damit beschäftigt. So möchte ich nur erwähnen, dass mich deine Verse zu einer Schüttelstanze über "Lasten" angeregt hat. Vielleicht gefällt sie dir:

Ein Mensch, der stets mit Hasten lebt,
nur schwer des Tages Lasten hebt.
Doch wer das kleinste Leiden hasst,
dem wird's bald eine Heidenlast.
Bedenk, ist dir vor Sorgen mies,
was sauer heut, ist morgen süß.
Mein virtueller Schlummerkuss
macht bald mit deinem Kummer Schluss!

LG Fridolin



gummibaum

Re: Lasten
« Antwort #4 am: April 19, 2015, 17:08:40 »
Sehr aufheiternd in diesem Schwermutsfaden, Friedolin.

Von Lachen geschüttelt grüßt
gummibaum

cyparis

Re: Lasten
« Antwort #5 am: April 19, 2015, 17:12:44 »
Gefällt mir ausgesprochen gut, liebe Cyparis, auch der Inhalt keine frohe Botschaft übermittelt. Die Sprache ist superb (um es mich Erichs Worten zu sagen).

Einen wärmenden  Sonnenstrahl wünscht dir

gummibaum


Lieber gummibaum,

Du treuer Leser, hab ganz herzlichen Dank für Dein Lob!
Der Sonnenstrahl wärmt wahrhaftig! :)

Sei lieb gegrüßt

von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

cyparis

Re: Lasten
« Antwort #6 am: April 19, 2015, 17:19:08 »
Lieber Erich -


was so schwer daran ist?
Ich habs wohl nicht im Blut wie du - sonst wärs ja für mich nicht stimmig.
In Poetry hab ich (ungefragt) Deine Versionen unter das Original gestellt.
Darf ich das hier auch tun?

Du bist ein Schatz und wirklich aller Bewunderung wert, daß Du einfach so aus dem Ärmel schüttelst, was ich nie können werde.

Laß Dich aus der Ferne umarmen

von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

cyparis

Re: Lasten
« Antwort #7 am: April 19, 2015, 17:21:15 »
Lieber Fridolin,


bitte  s o f o r t  in der passenden Rubrik einstellen!
So ein Leckerbissen darf nicht in einem Kommentar untergehen!
(Eigentlich paßt das auch ausgezeichnet in den PR).

Hab ganz liebe und (jetzt wieder) fröhliche Grüße!

Immer:
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte