Liebe Cyparis,
nicht düster, lediglich nüchtern. Allerdings geht es mir nicht um die Liebe, die Du verteidigst, sondern um Begrenztheit und Unbegrenztheit. Es gibt nichts auf dieser Erde, das dem Menschen nicht irgendwann und irgendwo eine Grenze setzt. Eine Liebe ohne Grenzen verkäme zum Sport nach dem Motto, immer höher, immer weiter, immer mehr. Auf Dauer wäre jeder Mensch damit überfordert, abgesehen davon, dass sich der Wert einer ständig steigernden bzw. ausufernden Liebe nicht messen lässt: Der Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde bliebe versagt. Abgesehen davon ist es ein Märchen, dass zwei Menschen selbst bei allergrößter Zuneigung zu einer Person verschmelzen; es sind zwei (unter Umständen auch mehr) Individuen, die bis zu ihrem Tod verschieden, also abgegrenzt voneinander, bleiben werden.
Aber ich will mich auch gerne auf den Begriff der „Liebe“ an sich einlassen. Wenn es Liebe tatsächlich gibt, stellt sich die Frage, weshalb sie für die Menschheit bis vor dem Entstehen des Bürgertums unbedeutend war. Ihr Zweck war, auch wenn Du das nicht glauben möchtest, in erster Linie die Reproduktion. Allein dazu spielten – und spielen noch heute – in jungen Jahren die Hormone verrückt. Ein Trick der Natur, die Art zu erhalten.
Jetzt könnte eingewendet werden: Wie ist das, wenn eine Mutter sich schützend über ihr Kind wirft, um es vor Todesgefahr zu schützen? Ist das nicht Liebe? Nein, ist es nicht. Es ist ebenfalls ein Trick der Natur, indem sie Instinkt und Adrenalin zusammenwirken lässt.
Auch ein Geistlicher in Gefangenschaft der Hitler-Schergen gab sein Leben nicht aus Liebe für einen anderen Gefangenen, indem er sich für ihn hinrichten ließ und somit seinen Kindern den Vater erhielt, sondern aus Pflicht seinem Gott und Glauben gegenüber.
Kommen wir zur platonischen Liebe: Ja, es gibt sie, aber auch die nicht nach sexueller Erfüllung strebende Liebe ist erotisch. Sie ist gerade deswegen überhöht, weil sie nicht nach Sexuellem strebt, weshalb sie vielleicht besonders stabil ist. Ist sie aber nicht eher vergleichbar mit einer tiefen Freundschaft, einem Zugehörigkeitsgefühl oder, besser gesagt, einer Seelenverwandtschaft?
Ich bleibe dabei: Liebe an sich gibt es nicht, außerdem ist sie als Phänomen schwer erklärbar und als Begriff zu allgemein. Es gibt aber jene Selbstachtung, zu den Versprechen und zu der Verantwortung zu stehen, die einem anderen Menschen angeboten wurden. Deshalb schätze ich – um auf meinen vorigen Kommentar einzugehen – den monogamen Uhu mehr als den von Blüte zu Blüte flatternden Schmetterling.
Liebe Grüße
Aspasia