Hi, Gum!
Wie Daisy zuletzt erwähnte, sprachlich wie unhaltlich sehr gelungen - bloß mit dem Takt haut das für mich so gar nicht hin! Ist das gewollt quasi freiflottierend geschrieben? Die erste Strophe taktet noch (relativ) regelmäßig - aber ab S2 beginnt ein Wirrwarr! Das Gedicht hat mehrheitlich unbetonte Auftakte. Leider findet sich auch hier kein Regelmaß. Am Ende fehlt ein Punkt.
Schaun wir mal: Vorneweg schreibe ich die Anzahl der Heber pro Zeile.
4 - Wie oft hab ich, Marie, im Geist
3 - mein „Öffne dich“ gesprochen,
4 - mit Küssen deinen Leib bereist...
3 - bin langsam eingebrochen
2 - in deinen Hafen,
4 - hab die Schiffe losgemacht,
1. betonter Auftakt!4 - damit die Stürme, die wir schaffen,
5 - sie zum Kentern bringen in der Nacht
2. betonter Auftakt!3 - und habe schäumend dich
4 - als aufgewühltes Meer umflossen,
5 - und dann als Welle überschlagend mich
2 - in dich ergossen
3 - und dich hinaus getragen...
3 - still zurückgebracht
3. betonter Auftakt!2 - und all dein Klagen
4 - stieg und starb in einer Nacht
4. betonter Auftakt!Ich hoffe, du erkennst, womit ich da ein Problem habe. Okay, auch Rilke hat viele sog. "Taktfehler", wenn man genau zählt, aber bei ihm steht die Sprachmelodie so im Vordergrund, dass es eigentlich kaum je auffällt. Auch deine Sprache ist schön, aber hier fällt es doch auf, wenn auch nicht so sehr wie bei manch anderen ...
Da dies aus dem Fundus kommt, mag es recht alt sein, vielleicht aus der Frühzeit deines Dichtens. Sollte das Ungleichgewicht hier also nicht bewusst gewollt sein, versuche ich mal eine regelmäßig getaktete Version:
Wie oft hab ich, Marie, im Geist
mein „Öffne dich“ gesprochen,
mit Küssen deinen Leib bereist...
bin langsam eingebrochen
in deinen traulich warmen Hafen,
die Schiffe losgemacht,
damit sie Stürme, die wir schaffen,
versenken in der Nacht
und habe überschäumend dich
als raues Meer umflossen,
als Welle überschlagend mich
in dich allein vergossen
und weiter dich hinaus getragen
und still zurückgebracht,
und all dein bitterliches Klagen,
es starb in dieser Nacht.So takten alle Strophen durchgehend mit 4-3-4-3 Hebern.
Interessant hier auch das wechselnde Muster der Kadenzen (ohne Fehl und Tadel!):
mwmw
wmwm
mwmw
wmwm
Sehr gern gelesen und bearbeitet!
LG, eKy