Autor Thema: Ewigkeit? Nein Danke!  (Gelesen 2199 mal)

Erich Kykal

Ewigkeit? Nein Danke!
« am: Januar 11, 2015, 13:58:25 »
Wir leben nur, solang wir Atem schöpfen,
und alle Universen existieren
allein für jene, die ein Leben führen,
ob inner- oder außerhalb von Köpfen.

Und endet diese unerklärte Posse,
so endet alles für die einfach Toten.
Es wird kein hehres Hinterher geboten,
egal ob Fürstenkind, ob Sohn der Gosse!

Warum so viele die Erkenntnis meiden?
Als ob es darum ginge, endlos weiter
sich hochzuquälen die Gedankenleiter!

Für welches Ziel? Ein immer unerreichtes.
Dagegen ist sich in den Tod zu kleiden
dem nicht mehr ewig Suchenden ein Leichtes.
« Letzte Änderung: Januar 14, 2015, 15:56:32 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Daisy

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #1 am: Januar 12, 2015, 15:20:57 »
Hallo Erich,

genau so ist es, das entspricht ganz meinem Empfinden.
Deine Gedichte sind sehr oft so geschrieben, dass ich meine Gedankengänge und Gefühle plötzlich in Worte gefasst vor mir sehe und einfach nur zustimmend nicken kann.

Leider fehlt mir die Fähigkeit Gedichte bis ins kleinste Detail zu analysieren, daher muss ich mich damit begnügen - und du als Autor in der Folge natürlich auch - meinen spontan gefühlten Eindruck kund zu tun. Darum sage ich einfach: Das Sonett ist klasse, entspricht ganz meinem Geschmack und gefällt mir!

LG Daisy

Erich Kykal

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #2 am: Januar 12, 2015, 19:15:33 »
Hi, Daisy!

Warum Menschen so gerne "ewig" leben wollen?

Ich glaube, das liegt letztlich daran, dass sich die Leute "Ewigkeit" nicht mal ansatzweise vorstellen können - sie verwechseln das mit Unveränderlichkeit.
Letztlich fußen alle Religionen und Nachweltvorstellungen auf der Tatsache, dass die meisten Menschen sich nach wie vor klare Gedanken verweigern. Gefühle, Sehnsüchte und Ängste steuern abstruse Vorstellungen, die mit objektiver Gewichtung von Wahrscheinlichkeiten auf der Basis des bereits über das Universum Herausgefundenen nichts zu tun haben. Dafür - nur um diese Vorstellungen für sich selbst und wider alle Vernunft und gesunden Menschenverstand aufrecht erhalten zu können - sind sie dann sogar bereit, heilige Kriege zu führen und Andersdenkende abzuschlachten - mitsamt Kind und Kegel! Als würde das Beladen mit Schuld ihnen helfen, sich allen gegensätzlichen Argumenten auch intern verweigern zu können!

Aber ich schweife ab - belassen wir es für dieses Gedicht dabei, dass ich mich für vernunftbegabt halte und darum nicht an das ganze Himmel oder Hölle-Gedöns glaube, an das sich so viele Menschen auf Kosten ihres und anderer Seelenfrieden so gerne klammern!

Ich KANN sterben mit der Gewissheit, damit auch ganz und gar zu enden. Hinterher ist es mir ohnehin egal ...  ;) ;D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #3 am: Januar 12, 2015, 21:03:53 »
Hallo Erich,

"Warum so viele die Erkenntnis scheuen?" Das hängt auch damit zusammen, dass die Erkenntnis nicht das einzige Bedürfnis des Menschen ist. Eine Transzendierung von Erfahrung und Erkenntnis zu versuchen, beschert ein besonderes Gefühl, egal, ob es ins Erhabene oder ins Abgründige führt. Da liegt die Verlockung.

Sehr gern gelesen
LG gummibaum

    
« Letzte Änderung: Januar 15, 2015, 16:58:51 von gummibaum »

cyparis

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #4 am: Januar 12, 2015, 21:45:17 »
Lieber Erich,

ich schließe mich Daisy an.
Und selbstverständlich Deiner Sicht in diesem wohlgelungenen Gedicht.
Warum so viele Menschen ihre eigene Endlichkeit nicht akzeptieren  und lieber an eine imaginäre jenseitige Unendlichkeit glauben wollen?
Wahrscheinlich, weil es ihnen immanent ist, das eigene Ich für den Kern der Welt und unersetzlich zu halten.

Tot ist tot.
Wohl dem, der sich gelassen damit abfindet.
Darauf freuen - na, da spricht ein junger Springinsfeld. ;)
Oder eine Depressiver.


Lieben Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #5 am: Januar 12, 2015, 23:28:26 »
Hi, Cypi!

Ich habe die letzte Zeile umgeschrieben - ich hoffe, die Aussage ist so klarer.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

charis

  • Gast
Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #6 am: Januar 14, 2015, 12:36:58 »
Lieber Eky,
Ich finde es ist ein guter, nüchterner Ansatz.

Ist die S1 in einem quantenphysikalischen Sinn zu verstehen?

Mit dem letzten beiden Zeilen komme ich leider überhaupt nicht zurecht.

Wie ich selbst festgestellt habe, lässt sich das, wenn man selbst betroffen ist und ein naher Mensch stirbt nicht so einfach abstrahieren.

Ich habs auch versucht, beim Krebstot meines Vaters, der ein Atheist war. Ich werde nie vergessen, wie er mich hilfesuchend wie ein kleines Kind ansah, nachdem ihm die Ärzte gesagt hatte, es gäbe keine Chance mehr und er mich fragte: Und was jetzt?
So ganz im Gegensatz zu seinen früheren markigen Sprüchen zum Thema Sterben und Jenseitsglauben. Er hatte einfach Angst.

Da ich keine Antwort wusste und ebenfalls Angst hatte, schenkte ich ihm zu seinem letzten Geburtstag, ein paar Tage vor seinem Tod, einen silbernen Schmetterling an einem Band und schrieb auf die Karte einen Spruch von Laotse: "Was für die Raupe das Ende der Welt bedeutet, nennen wir einen Schmetterling." Er wollte, dass ich den Schmetterling über sein Bett im "Sterbezimmer" hänge.

Und seither nehme ich jeden einzelnen Schmetterling wahr, der irgendwo herumflattert. Das ungereimte und unperfekte Gedicht, das aus diesem Erlebnis entstanden ist - viel später -, stelle ich auch noch ein.
 
Ich glaube nicht einmal ein Selbstmörder freut sich auf den Tod, er hat die Freude längst verlernt und sieht einfach keine anderen Ausweg mehr.

Die Freude auf den Tod widerspricht ganz einfach dem Prinzip des Lebens und so soll es auch sein, denn das schützt uns auch vor noch mehr wahnsinnigen Selbstmordattentätern.

Lieben Gruß
charis
« Letzte Änderung: Januar 14, 2015, 12:44:20 von charis »

Erich Kykal

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #7 am: Januar 14, 2015, 15:53:31 »
Hi, charis!

Danke für deine ausführlichen Gedanken!

Nein, S1 ist nicht quantenphysikalisch zu verstehen. Hier steht der Begriff für die Universen eines jeden einzelnen, nämlich wie er/sie das, was als Realität bezeichnet wird, individuell wahrnimmt und behandelt. So gesehen lebt jeder von uns in seinem eigenen Universum, eagl, ob inner- oder außerhalb von Köpfen, also ob nur in der Fantasie oder physisch real (manchmal denke ich, dass manche Menschen das ohnehin nicht korrekt auseinanderhalten können!).

Nun zu den Terzetten. Ursprünglich so:

Warum so viele die Erkenntnis scheuen?
Als ob es darum ginge, endlos weiter
sich hochzuquälen die Gedankenleiter!

Für welches Ziel? Ein ewig unerreichtes.
Dagegen ist sich auf den Tod zu freuen
der schwer geprüften Kreatur ein Leichtes.

Das "freuen" in der vorletzten Zeile ist hauptsächlich dem Reim auf "scheuen" geschuldet. Du hast recht, das klingt etwas suizidal, bzw. zu heftig für das, was ich zum Ausdruck bringen wollte.
Ich versuche eine andere Version - bitte sage mir auch dazu deine Meinung:

Warum so viele die Erkenntnis meiden?
Als ob es darum ginge, endlos weiter
sich hochzuquälen die Gedankenleiter!

Für welches Ziel? Ein immer unerreichtes.
Dagegen ist sich in den Tod zu kleiden
dem nicht mehr ewig Suchenden ein Leichtes.


LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 14, 2015, 15:56:01 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #8 am: Januar 14, 2015, 16:01:14 »
Hi, Cypi!

Ich habe die letzte Zeile umgeschrieben - ich hoffe, die Aussage ist so klarer.

LG, eKy


Schade, daß Du das Original nicht hast stehenlassen.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #9 am: Januar 14, 2015, 23:40:17 »
Hi, Cypi!

Das Original kannst du doch in meiner vorigen Antwort nachlesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #10 am: Januar 15, 2015, 08:04:22 »
Was war ich wieder schusselig! :(
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

charis

  • Gast
Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #11 am: Januar 15, 2015, 10:56:57 »
Lieber Eky,
Ich muss gestehen, dieses Gedicht lässt mich nicht so einfach los.
Mir gefallen deine Schlusszeilen nun viel besser.
Ich vermisse aber irgendwie die "wohlerfahrene Natur" aus der ersten Version; auch wenn ich das falsch verstanden hatte. Iich dachte, es sei ein echter Naturbezug, dabei meintest du offensichtlich nur die menschliche Natur, also einen erfahrenen und vernünftigen Menschen.
Ich hab mir erlaubt meine (eher nachdenklichen und keine Lösung anbietenden) Gedanken in dein Gedicht einzuspinnen.
Ich hoffe du bist mir nicht böse, ich verstehe es als Dialog mit deinem Gedicht:

Wir leben nur, solang wir Atem schöpfen,
und alle Universen existieren
allein für jene, die ein Leben führen,
ob inner- oder außerhalb von Köpfen.

Und endet diese unerklärte Posse,
so endet auch die Qual der einfach Toten.
Es wird kein hehres Hinterher geboten,
egal ob Fürstenkind, ob Sohn der Gosse!

Was treibt uns an ein Paradies zu lügen,
als ob es darum ginge, endlos weiter
sich hochzuquälen die Gedankenleiter!?

Bedrückend scheint das Ziel, ein ewig seichtes.
Indessen lehrt uns die Natur ein Leichtes:
Sich in die klare Wandlung Tod zu fügen.

oder mit deiner Doppelbedeutung von "Natur":

Bedrückend ist das Ziel, ein ewig seichtes.
Indessen scheint sich in den Tod zu fügen,
der wohlerfahrenen Natur ein Leichtes.

Lieben Gruß
charis
« Letzte Änderung: Januar 15, 2015, 14:57:42 von charis »

Erich Kykal

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #12 am: Januar 15, 2015, 21:49:55 »
Hi, Charis!

Deine Version, vor allem die 2. Version des letzten Terzettes, gefällt mir sehr. Ich werde nochmals darüber nachdenken. Allerdings finde ich die jetzige Version ganz gut, weil sie auch etwas Buddhistisches hat. Schwere Entscheidung - das muss erst mal sickern ...  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #13 am: Januar 19, 2015, 10:17:43 »
Warum nicht beide gelten lassen?

Die eine möge neben der anderen stehen, ohne sich gegenseitig zu verdrängen!


LG
C.
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Ricardo

Re:Ewigkeit? Nein Danke!
« Antwort #14 am: M?RZ 10, 2015, 18:24:58 »
Das ist schwere Kost, zu schwer für nen Neuling der grad erst reingeschmeckt hat und noch keine richtige Ahnung.
Da muss ich noch lang lesen bis ich auf den Trichter komm.
Ich kann nur sagen obs mir gefallen tut, und das tut es!


Respekt.

Ricardo