Ich habe Menschen - aus leidiger Erfahrung - wohl auch nie genug vertraut (am allerwenigsten mir selbst), um größere Nähe zuzulassen als eine Freundschaft.
Lieber Erich,
das ist unverkennbar ein sehr persönliches Gedicht. Es ist wehmütig, aber nicht bedauernd, auch nicht zweifelnd, sondern klingt für mich wie ein Fazit: So ist es eben, und so wird es immer bleiben.
Ob es sich aber wirklich um "Bindungsängste" handelt? Vielleicht steckt eher ein tiefes, naturgegebenes Wissen dahinter, zu den Menschen zu gehören, die zu viel Individualist sind und in anderen Menschen zu viel Individualismus fühlen, um an eine gelingende Bindung zu glauben. Curd sagt, sein Bauchgefühl habe ihm zuverlässig gesagt, wann und mit wem eine Bindung richtig war. Sich völlig gegen eine Bindung zu entscheiden kann aber ebenso auf ein gutes Bauchgefühl zurückgeführt werden. Du bist damit nicht allein. Bei Kleist war es so, auch bei Georg Büchner (der zwar verlobt war, aber wenig verliebt, und dem der frühe Tod die Entscheidung abgenommen hat).
Natürlich könnte man einen bindungsscheuen Menschen auch zum Feigling stempeln, zu einem Überempfindsamen, der Verletzungen nicht aushält und sich in Auseinandersetzungen nicht wehren kann (oder nicht will). Das hielte ich aber angesichts der Tatsache, dass in unserer "emanzipierten" Zeit übermäßig viele Ehen nach spätestens fünf Jahren in die Krise geraten und dann schon bald geschieden werden, für einen unangemessen rüden Vorwurf. Viele Menschen bleiben danach nämlich auf der Strecke, sowohl was das seelische Leid als auch den Verlust des sozialen Umfeldes und den finanziellen Aufwand betrifft.
Dein Gedicht, lieber Erich, ist eine hochpoetische Absage an die "rote Rose", das Symbol der Liebe. Dir sind die Kornblumen und der Klatschmohn auf den Feldern lieber, da passen Rosen nicht hin. Recht so! "Die Liebe wandert von einem zum andern", sang einst Connie Francis. Und ich sage dazu: "Wenn du einen Menschen liebst, schließe mit ihm Freundschaft. Ihn besitzen zu wollen macht alles kaputt."
Eine wahre Freundschaft bekommt in der Regel lebenslänglich. Eine vermasselte Ehe bekommt drei Jahre auf Bewährung und wenig später den Exitus.
Ich habe mich längst für "lebenslänglich" entschieden. Was mir das Sahnehäubchen gibt, ist dein Gedicht.
Gute Nacht, Erich, und beste Grüße
Aspasia