Autor Thema: In jenen Tagen  (Gelesen 2745 mal)

Erich Kykal

In jenen Tagen
« am: Oktober 26, 2014, 09:08:36 »
Wir waren allerlei in jenen Tagen:
Verliebte und Verlorene zugleich,
doch ohne Mut, einander je zu sagen,
wie tief wir fühlen durften - und wie reich.

Wir waren allerlei in jenen Tagen:
Verlierende und Finder aller Zeit,
und konnten nicht genug ins Leben ragen
und waren nie zum großen Bund bereit.

Wir waren allerlei in jenen Tagen:
Gefundene und Sucher in den Schatten,
und wollten doch kein Ungewisses wagen
und nicht bewahren, was wir an uns hatten.
« Letzte Änderung: Oktober 26, 2014, 09:10:29 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:In jenen Tagen
« Antwort #1 am: Oktober 26, 2014, 18:31:19 »
Wieder ganz große Klasse!
Diese Gegensätzlichkeit und das bestürzende Fazit - einfach großartig, lieber Wortzauberer.

I c h  möchte wie Orpheus singen - Du vollbringst es!


Bewundernden Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:In jenen Tagen
« Antwort #2 am: Oktober 26, 2014, 18:50:14 »
Hi, Cypi!

Dies habe ich eher so nebenbei geschrieben - selbst habe ich so eine Situation nicht erlebt - meine "Beziehungen" waren stets beendet, ehe es auch nur annähernd zur Frage nach der Ehe kommen konnte - aber von Bindungsängsten an sich verstehe ich was! ;)

Schön, dass es dir gefällt! :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:In jenen Tagen
« Antwort #3 am: Oktober 26, 2014, 18:57:03 »
Schön, dass es dir gefällt!


Die Untertreibung des Tages! ;)
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Curd Belesos

Re:In jenen Tagen
« Antwort #4 am: Oktober 27, 2014, 22:56:13 »
aber von Bindungsängsten an sich verstehe ich was! ;)

moin moin Erich,

deine Verse beschreiben etwas, das mir fremd ist. Schon in den Tagen meiner Jugend habe ich nach einer tiefen Bindung gesucht. Ich galt zwar als träumender Einzelgänger, doch konnte ich meine romantische Sicht einer erfüllten Nähe immer wieder auskosten.

Gefundener und Suchender in den Schatten,
und wollten doch das Ungewisse wagen.

Ein für mich sehr passendes Bild der jetzigen Generation, Berührungsängste, wenn es um tiefe Gefühle geht.

Einen nachdenklichen Gruß

Curd

Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re:In jenen Tagen
« Antwort #5 am: Oktober 28, 2014, 19:53:52 »
Hi, Curd!

Danke für deine Gedanken! Schön für dich, wenn du keine Bindungsängste kennst. Sowas wie das Peter Pan-Syndrom ist dir unbekannt. Ich habe Menschen - aus leidiger Erfahrung - wohl auch nie genug vertraut (am allerwenigsten mir selbst), um größere Nähe zuzulassen als eine Freundschaft.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Curd Belesos

Re:In jenen Tagen
« Antwort #6 am: Oktober 28, 2014, 21:19:55 »
moin Erich,

ich habe an Freundschaft zig Mal geglaubt und bin zig Mal enttäuscht worden. Doch in der Liebe habe ich meinem Bauch vertraut, er
hatte recht.  ;)

nur so, Curd

Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Aspasia

  • Gast
Re:In jenen Tagen
« Antwort #7 am: Oktober 29, 2014, 00:28:18 »
Ich habe Menschen - aus leidiger Erfahrung - wohl auch nie genug vertraut (am allerwenigsten mir selbst), um größere Nähe zuzulassen als eine Freundschaft.

Lieber Erich,

das ist unverkennbar ein sehr persönliches Gedicht. Es ist wehmütig, aber nicht bedauernd, auch nicht zweifelnd, sondern klingt für mich wie ein Fazit: So ist es eben, und so wird es immer bleiben.

Ob es sich aber wirklich um "Bindungsängste" handelt? Vielleicht steckt eher ein tiefes, naturgegebenes Wissen dahinter, zu den Menschen zu gehören, die zu viel Individualist sind und in anderen Menschen zu viel Individualismus fühlen, um an eine gelingende Bindung zu glauben. Curd sagt, sein Bauchgefühl habe ihm zuverlässig gesagt, wann und mit wem eine Bindung richtig war. Sich völlig gegen eine Bindung zu entscheiden kann aber ebenso auf ein gutes Bauchgefühl zurückgeführt werden. Du bist damit nicht allein. Bei Kleist war es so, auch bei Georg Büchner (der zwar verlobt war, aber wenig verliebt, und dem der frühe Tod die Entscheidung abgenommen hat).

Natürlich könnte man einen bindungsscheuen Menschen auch zum Feigling stempeln, zu einem Überempfindsamen, der Verletzungen nicht aushält und sich in Auseinandersetzungen nicht wehren kann (oder nicht will). Das hielte ich aber angesichts der Tatsache, dass in unserer "emanzipierten" Zeit übermäßig viele Ehen nach spätestens fünf Jahren in die Krise geraten und dann schon bald geschieden werden, für einen unangemessen rüden Vorwurf. Viele Menschen bleiben danach nämlich auf der Strecke, sowohl was das seelische Leid als auch den Verlust des sozialen Umfeldes und den finanziellen Aufwand betrifft.

Dein Gedicht, lieber Erich, ist eine hochpoetische Absage an die "rote Rose", das Symbol der Liebe. Dir sind die Kornblumen und der Klatschmohn auf den Feldern lieber, da passen Rosen nicht hin. Recht so! "Die Liebe wandert von einem zum andern", sang einst Connie Francis. Und ich sage dazu: "Wenn du einen Menschen liebst, schließe mit ihm Freundschaft. Ihn besitzen zu wollen macht alles kaputt."

Eine wahre Freundschaft bekommt in der Regel lebenslänglich. Eine vermasselte Ehe bekommt drei Jahre auf Bewährung und wenig später den Exitus.

Ich habe mich längst für "lebenslänglich" entschieden. Was mir das Sahnehäubchen gibt, ist dein Gedicht.

Gute Nacht, Erich, und beste Grüße
Aspasia



« Letzte Änderung: Oktober 29, 2014, 00:33:15 von Aspasia »

charis

  • Gast
Re:In jenen Tagen
« Antwort #8 am: Oktober 29, 2014, 00:33:42 »
Lieber Eky,
Das ist ein sehr interessantes Gedicht in seiner ganzen Widersprüchlichkeit,
die Gegensätze Verliebte - Verlorene, Verlierende - Finder, Gefundene - Sucher
machen sehr deutlich, dass  selbst das Ja-sagen nur eine Weiterführung, ein "Bewahren" des "Ungewissen" bedeutet hätte
und im Grunde ist es in jeder Beziehung so, dazu muss man kein Beziehungsphobiker sein.
Gefällt mir sehr!
Lieben Gruß
charis

Curd Belesos

Re:In jenen Tagen
« Antwort #9 am: Oktober 29, 2014, 01:11:23 »
Liebe Aspasia,

 "Wenn du einen Menschen liebst, schließe mit ihm Freundschaft. Ihn besitzen zu wollen macht alles kaputt."

dein Ansatz ist meines Erachtens nicht richtig, denn wenn man einen Menschen liebt, will man ihn niemals besitzen. Man schenkt sich ihm, in der Hoffnung, dass es ihn glücklich macht.

...nur so aus dem Bauch heraus  ;)

ansonsten Gute Nacht.

Curd

Nur wenn du frei bist " IF " ....dann bist du ein Mensch

Erich Kykal

Re:In jenen Tagen
« Antwort #10 am: Oktober 29, 2014, 14:19:28 »
Hi, Aspasia, Curd!

Curd hat den einzigen Punkt gefunden, wo auch ich nicht mit dir übereinstimme - da siehst du das Thema Beziehung wohl allzu einseitig! Ansonsten bin ich argumentativ ganz bei dir - obwohl ich mir, betrachte ich meinen Entwicklungsgang, ein klein wenig Feigheit und Überempfindlichkeit nicht gänzlich absprechen kann! ;)

Hi, Charis!

Eine Beziehung - wie letztlich alle bei mir - ohne die letzte Konsequenz, den letzten logischen/emotionalen Schritt. Man blieb unverbindlich und trennte sich (meist) in sog. "gutem Einvernehmen"...
Das ist kein Werturteil in irgendeine Richtung, bloß eben eine Beschreibung, wie das obige Gedicht auch.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Aspasia

  • Gast
Re:In jenen Tagen
« Antwort #11 am: Oktober 29, 2014, 15:08:14 »
Liebe Aspasia,

 dein Ansatz ist meines Erachtens nicht richtig, denn wenn man einen Menschen liebt, will man ihn niemals besitzen. Man schenkt sich ihm, in der Hoffnung, dass es ihn glücklich macht.


Das ist die Theorie von Erich Fromm, die Peter Lauster in den späten 70er Jahren nochmal in seinen populären Lebenshilfebüchern vermarktet hat. Diese reine, selbstlose Liebe, die nur gibt und nichts fordert, funktioniert jedoch in der Praxis nicht. Ich kannte damals Paare, die versucht hatten, danach zu leben, schon nach kurzer Zeit kapitulierten und dies auch freimütig zugeben konnten. Sie hatten gehofft, zu "neuen", wahrhaften Menschen zu werden und mussten feststellen, dass dies nicht nach einer Betriebsanleitung machbar war. Im Gegenteil: In dem Versuch, die Partnerschaft nach einem überhöhten Ideal zu führen, brachen ungeahnte Konflikte auf und führten in bitterböse Krisen. Ich hatte die Bücher von Fromm und Lauster damals auch gelesen und war begeistert, denn sie hatten etwas Verführerisches und Paradiesisches - aber nirgendwo habe ich bis heute ein Paar angetroffen, das nach diesem Ideal zu leben imstande war. Ich behaupte sogar, das war eine reine Modeerscheinung - oder liest heute noch jemand Erich Fromm und/oder Peter Lauster?

horstgrosse2

Re:In jenen Tagen
« Antwort #12 am: Oktober 29, 2014, 18:38:14 »
@Erich





Grüße.


Zitat:“ Wir waren allerlei in jenen Tagen:“

In:
Wir träumten allerlei in jenen Tagen:

Das wars auch schon. Inhaltlich gute Metapher, viel Gefühl.




Gefällt!



Erich Kykal

Re:In jenen Tagen
« Antwort #13 am: Oktober 30, 2014, 13:13:05 »
hi, hg2!

Danke für den - guten - Vorschlag. Ich denke darüber nach, denn er würde inhaltlich doch etwas verändern.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:In jenen Tagen
« Antwort #14 am: Oktober 30, 2014, 13:29:44 »
das "waren" sagt weit mehr aus.
Es waren nicht nur Träume, die unser Sein ausmachten.



Findet
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte