Autor Thema: Philosophisches Ferienende  (Gelesen 4633 mal)

Erich Kykal

Philosophisches Ferienende
« am: September 07, 2014, 11:03:01 »
Es ist ein seltsam unerlebter Frieden
am letzten Tage deiner freien Zeit,
und jedes Glück stirbt um Gelegenheit,
dich etwas aufzumuntern noch hienieden.

Nur letzte Stunden sind dir noch beschieden,
eh jede Faser wieder in dir schreit,
dass sie vom kalten Hamsterrad befreit,
erlöst sein will - doch es ist lang entschieden,

dass keine Seligkeiten ewig währen,
und keine Freiheit wirklich glücklich macht
im Ungeforderten und Ungefähren.

Es scheint, wir sind um unser Heil gebracht,
wenn wir zuweilen nicht ein Unglück nähren:
Der Tag wirkt umso heller dank der Nacht.
« Letzte Änderung: September 07, 2014, 22:14:08 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Jana

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #1 am: September 07, 2014, 13:36:32 »
Ach eKy,

wenn man Deine Sonette liest, wirkt es, als gäbe es nichts leichteres, es wirkt so selbstverständlich schön.
Ich bin sehr beeindruckt!:)

Jana

gummibaum

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #2 am: September 07, 2014, 15:23:02 »
Ja, die Leichtigkeit in diesen Zeilen ist berückend.

Ich lese die Aussage für mich doppelt eindringlich, denn: bei mir geht morgen auch die Schule wieder los.

LG gummibaum
« Letzte Änderung: September 07, 2014, 15:40:32 von gummibaum »

Aspasia

  • Gast
Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #3 am: September 07, 2014, 15:49:36 »
Lieber Erich,

höchste Dichtkunst, was die Form angeht. Aber mit dem Inhalt bzw. der Aussage bin ich nicht einverstanden. Das klingt für mich alles zu defätistisch und deterministisch. Das mag an der individuellen Lebenserfahrung liegen. In meiner Welt werden die Herausforderungen an den Hörnern gepackt, selbst noch im Sterben.

Beste Grüße
Aspasia

Erich Kykal

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #4 am: September 07, 2014, 21:52:53 »
Hi, Jana, Gum!

Vielen Dank für eure Gedanken! Vor allem Gum wird wissen, wie mir zumute ist, Jana kennt die Problematik ja bloß aus der Schülerperspektive. Allerdings war ich mal selber auch ein Schüler (auch wenn es bei mir sehr lang her ist), deshalb möchte ich ihre Lage durchaus nicht kleinreden. Aber sie hat ja noch die Energie, Spannkraft und Regenerationsfähigkeit der Jugend...


Hi, Aspasia!

Das ist die Einstellung eines jungen Menschen - schön, wenn du dir diese bewahren konntest, solltest du selbst nicht mehr (so) jung sein, wie deine Antwort vermuten lässt.

Das mit dem "an den Hörnern packen" wird nach dem tausendsten Stier oder so doch zuweilen etwas mühsam...

Außerdem hat der Text nichts mit Defätismus zu tun. Er sagt aus, dass wir ohne Herausforderungen, ohne Phasen von Stress, Chaos und den Folgen das seltene Glück der Muße gar nicht zu schätzen wüssten! Denk an die armen gelangweilten Milliardärssöhne: Von je niemals gezwungen, sich Problemen zu stellen oder sich durchzubeißen, entwickeln sie nie ihre Gaben und Talente und führen das Dasein überdrüssiger Phlegmaten, oder werden Adrenalinjunkies oder Drogenkonsumenten, um sich so noch irgendwie lebendig zu fühlen. Nein, das dauernde Glück, die ständige Zufriedenheit existieren nicht. Selbst wenn die Präliminarien mal stimmten, wir selbst würden uns das so ersehnte Paradies allzu bald zur Hölle machen, bloß um uns selbst im Feuer endlich wieder spüren zu können!
Deshalb spiele ich auch nie Lotto... ;D

Und von Determinismus zu sprechen, bloß weil die Ferien enden und ein LyrIch dazu philosophische Überlegungen anstellt, halte ich für stark übertrieben.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Jana

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #5 am: September 07, 2014, 22:08:31 »
Jana kennt die Problematik ja bloß aus der Schülerperspektive. Allerdings war ich mal selber auch ein Schüler (auch wenn es bei mir sehr lang her ist), deshalb möchte ich ihre Lage durchaus nicht kleinreden. Aber sie hat ja noch die Energie, Spannkraft und Regenerationsfähigkeit der Jugend...

Ich mag die Schule! Die einzigen Dinge, die ich nicht mag, sind die Klassenkameraden, den Deutschunterricht und die Lateinübersetzungen.;)

Erich Kykal

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #6 am: September 07, 2014, 22:19:25 »
Hi, Dana!

Wenn ein Schüler ein Fach nicht mag, liegt das ebenso oft daran, dass der Lehrer unbeliebt ist wie daran, dass der Schüler darin unbegabt und/oder mangels Interesse unmotivierbar ist.

Die Klassenkameraden sind ein weites Feld! Es gibt immer jene, die einen nicht riechen können, entweder mit Grund oder oft genug auch einfach so. Wer dann den Eindruck erweckt, sich nicht adäquat wehren zu können, ist das optimale Opfer für alle frustbedingten Gehässigkeiten - und gerade junge Leute schieben eine große Menge Frust...und können wohl noch am wenigsten damit umgehen!!!

In beiden Dingen spreche ich aus leiderfüllter Erfahrung!!!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Jana

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #7 am: September 07, 2014, 22:22:52 »
Ja, ich mag meinen Deutschlehrer zwar, aber ich langweile mich im Unterricht ziemlich.
Und Latein ist mir einfach zu schwer.;)

Und die Mitschüler hassen mich alle. Ich weiß zwar nicht, was ich denen getan hab, aber irgendwas wird da wohl mal gewesen sein.

Nicht zu ändern.:)

Liebe Grüße,
Jana

gummibaum

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #8 am: September 08, 2014, 09:50:48 »
Guten Start! LGg

Seeräuber-Jenny

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #9 am: September 08, 2014, 10:05:43 »
Ja, lieber Erich, guten Start!

Der Lehrerberuf ist sehr anstrengend. Wie sehr hatte ich mir früher gewünscht, diesen Beruf ergreifen zu können, denn ich hatte wunderbare Lehrer, in deren Fußstapfen ich gern getreten wäre. Doch höre ich heute die Klagen in meinem Freundeskreis, so ist es wohl doch besser, dass es anders kam. Zwar habe ich auch wieder was zu meckern (Überqualifikation, Unterbezahlung) - stimmt, das ist wohl in der menschlichen Natur begründet -, aber mein Job ist doch vergleichsweise ruhig, und nach Feierabend muss ich keine Arbeiten korrigieren und kann mich meinen Katzen widmen.

Ich wünsche dir viele Gelegenheiten, dem Hamsterrad im neuen Schuljahr zu entkommen!

Lieben Gruß
Jenny


Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

cyparis

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #10 am: September 08, 2014, 11:57:16 »
Lieber Erich,


ich könnte jetzt sehr boshaft sein und sagen, daß Du zum Glück wieder ins Hamsterrad steigen kußt -
sonst wäre die Lyrik-Welt nicht in den Genuß dieses Gedichtes gekommen.

Aber ich bin nicht boshaft, sondern sage Dir gerne, wie sehr ich Dich bedaure, daß Du entgegen Deiner Neigung in die barbarische Tretmühle zurückmußt.
(Kennt noch jemand die bildliche Darstellung einer Tretmühle?).

Ich bin zwar nicht mit allen Aussagen Deines Gedichts in Übereinstimmung, aber das Fazit gefällt mir dennoch:

Ohne Dunkel kein Entzücken am Licht.



Dankbare Grüße
aus dem Südwesten


von
Cyparis


PS
Ich bin beschämt, daß ich noch kein wirkliches Gedicht über die wundervollen Dichtertage im Mühlviertel geschrieben habe!




Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Aspasia

  • Gast
Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #11 am: September 08, 2014, 13:02:46 »
Und von Determinismus zu sprechen, bloß weil die Ferien enden und ein LyrIch dazu philosophische Überlegungen anstellt, halte ich für stark übertrieben.

LG, eKy

Das ist sicherlich übertrieben, Erich, allerdings war ich davon ausgegangen, dass Dein Gedicht über die Schulferien hinausweist und auf das Leben allgemein anwendbar ist, sozusagen als Gleichnis.

Ich habe die Schule nie als Hamsterrad empfunden. Auch gab es keinen Unterschied zwischen Schulzeit und Ferienzeit, da ich immer viel Freiheit hatte (meine Eltern arbeiteten ganztägig). Das Unglück begann erst, als meine Mutter nicht mehr arbeitete und ich dadurch plötzlich voll und ganz unter Kontrolle geriet - eine Katastrophe!

Den letzten Vers Deines Gedichtes finde ich übrigens große klasse.

LG
Aspasia

Erich Kykal

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #12 am: September 08, 2014, 17:13:20 »
Hi, Jana!

Wenn es dich tröstet: Meine Lieblingshassfächer waren Latein und Mathe! Da mein Weg zur Vernunft ein intuitiv-kreativer und weniger ein logisch-deduktiver ist, hatte ich nie große Freude am Rechnen oder an Latein, das ja sehr "mathematisch" strukturiert ist. Ich konnte mich auch nie zum Studium einer toten Sprache motivieren: Die ganze Plackerei nur um die Zitate im Asterix zu verstehen oder manche Medikamentennamen übersetzen zu können?!? Was für eine Zeitverschwendung!

Hi, Gum!

Auch dir guten Start (muss ja sein!) - hoffen wir, es möge ein gutes Jahr werden.

Hi, Cypi!

Mit welchen Aussagen im Speziellen bist du denn nicht einverstanden? Eigentlich arbeitet ja alles auf die Schlussweisheit hin.

Hi, Jenny!

Katzen können auch anstrengend sein - aber sie sind zumindest leiser! Dafür kacken Schüler nicht gleich auf den Teppich, wenn sie dir etwas klarmachen wollen... ;D

Hi, Aspasia!

Als Schüler war ich ein gemobbter Sonderling mit sozialen Defiziten, als Lehrer leide ich nun unter solchen und anderen Strolchen! ;) ;D


Ich weiß noch, vor einem bestimmten Lateinlehrer hatte ich zwischen elf und vierzehn Jahren so viel Angst, dass ich tatsächlich körperliche Symptome spürte, wenn seine Stunde herannahte: Übelkeit, Schwäche, trockener Mund, kalter Schweiß, Zittern. Dabei ist dieser Typ nie laut geworden, ja er hob nicht einmal die Stimme an, wenn er einen fertigmachte. Ruhig, eisig, völlig emotionslos arbeitete er den Strafenkatalog ab, erklärte völlig unaufgeregt, was man falsch gemacht hatte und was die Konsequenzen seien. Diskussionen über Gerechtigkeit, Unschuldsvermutung oder Strafmaß gab es nicht. Ich glaube, er hätte unsereinen genauso unaufgeregt zum Tode verurteilt, wenn dies eine mögliche Maßnahme gewesen wäre! Dabei hatte er einen Blick wie gespitzte Bleistifte: Wasserhelle stahlgraue Augen, die einen regelrecht aufspießten und bis auf den letzten Seelengrund durchleuchteten! Ihn konnte man einfach nicht belügen, obwohl er nie drohte. Das brauchte er nicht: Jeder wusste, was passieren würde, wenn jemand dumm genug wäre, es zu versuchen. Der Mann war unheimlich konsequent, fast wie eine Maschine. In seiner Gegenwart fühlte man sich immer nackt.
Die Wirkung dieses Pädagogen auf mich: Meine erste Lateinschularbeit war noch ein Sehr gut, danach Befriedigend, Genügend, Nicht Genügend. Und ab da blieb es die nächsten drei Jahre dabei: Ich kämpfte immer mit dem Sitzenbleiben, ständig bestrahlt von der milden Verachtung meines Lehrers, die er mir natürlich nie direkt gezeigt hätte, aber aus gewissen Gesten und Blicken war genug zu lesen...

Heute bin ich sicher, dass ich mir damals einiges davon eingebildet habe - Angst heizt die Fantasie an! Dennoch bin ich heute irgendwie froh, dass ich nicht diese Art Lehrer geworden bin. Das läge gar nicht in meiner Natur! Mag sein, dass ich deshalb bezüglich Disziplin mehr zu kämpfen habe, aber meine Schüler wissen, dass sie mit mir über alles reden können, ohne dass ich sie nach dem exakten Buchstaben des Gesetzes aburteile und/oder verpfeife.

LG, eKy
« Letzte Änderung: September 08, 2014, 17:18:06 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

cyparis

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #13 am: September 08, 2014, 20:44:23 »
Lieber Erich -

dass keine Seligkeiten ewig währen,
und keine Freiheit wirklich glücklich macht

stimmt in meinen Augen nicht.

Wer je Sklave in Ketten oder sonstwie gefangen war, wird die Freiheit als das höchste Gut und Glück preisen.
(Bleibt immer die Frage: befreit wovon?)
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Erich Kykal

Re:Philosophisches Ferienende
« Antwort #14 am: September 09, 2014, 09:45:16 »
Hi, Cypi!

Du musst das Ganze lesen: Die Folgezeile gehört auch noch zu dieser Aussage:

"..., dass keine Freiheit wirklich glücklich macht im Ungeforderten und Ungefähren."

Soll aussagen, dass Freiheit als Dauerzustand, ohne Lebensaufgabe (selbstauferlegte Anforderung) oder Belastung (fremdverschuldete Einschränkung), eben nicht (dauerhaft) glücklich macht, wie schon die erste Zeile des Terzetts beschreibt.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juli 15, 2021, 12:24:36 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.