Autor Thema: Mein Kuscheltier  (Gelesen 1904 mal)

Jana

Mein Kuscheltier
« am: Juli 25, 2014, 03:05:10 »
Mein Kuscheltier, du hast mich stets begleitet,
Lagst neben mir in mancher finstren Nacht.
Hast zugehört und mir den Trost gebracht
Und mich durch Trauer, Dunkelheit geleitet.

Mein Kuscheltier, so rede, statt zu schweigen,
Erzähle mir doch auch von deinem Leiden.
Betrachtest mich so oft beim Denken, Schreiben,
Und machst dir meine Dankbarkeit zu eigen.

Doch hängen schon die meisten Fäden runter,
Die Füllung ist schon überall zu finden
Und deine Stoffhaut: Auch schon leicht geschunden.

Und dennoch: Deine Augen blitzen munter,
Wie sollst du dich aus dieser Freude winden?
Die Fäden dort - sie sind noch nicht verschwunden.








Erich Kykal

Re:Mein Kuscheltier
« Antwort #1 am: Juli 25, 2014, 13:11:54 »
Hi, Jana!

Und du bist sicher erst 14??? Deine akzelerierte Sprachhabung lässt auf ein reiferes Alter schließen!

Das Kuscheltiersonnett - gelungen! Ein paar Kleinigkeiten am Rande:

Sonette sollten (wenn du es genau nimmst mit den Regeln) immer weibliche Kadenzen, also unbetonte Zeilenenden haben. S1Z2,3 fallen da aus dem Rahmen. Das ist umso augenfälliger, da es offenbar nicht bewusst geschah, im 2. Quartett nämlich wiederholst du diese Abfolge nicht, da sind alle Kadenzen weiblich, so wie es sein soll.
Mögliche Alternative:

"Lagst neben mir in manchen Dunkelheiten,
Und wo sich Furcht und Ahnung widerstreiten,
Hast du mich treu zu neuem Licht
geleitet."

- Oder so... :D

S3Z1 - das "runter" wirkt allgemeinsprachlich, eher flapsig. Das kommt eher unlyrisch rüber in so "edlem" Kontext.
Mögliche Alternative:

"Die meisten Fäden hängen schon herunter,"

S3Z2 - Komma am Zeilenende.
S3Z3 - "zerschunden" wäre schlüssiger.

S4Z2,3 - Erscheint mir eher unlogisch formuliert.
Mögliche Alternative:

"Kein Übel kann dich meinem Glück entwinden.
Am letzten Faden noch sind wir verbunden."


Ein sehr schönes Sonett, das Gefühle verdichtet und beim Leser weckt! Wer hatte nicht als Kind seinen ganz besonderen Liebling? Meinen Teddy habe ich heute noch, arg gerupft und zerschlissen - aber kostbar wie die damit verbundenen süßen Erinnerungen!

Für die Zukunft: Das klassische Sonett wiederholt die Reime in den Quartetten. Heute sagt keiner mehr was, wenn das 2. Quartett andere Reime hat, aber falls du es mal versuchen willst... :)

Sehr gern gelesen und beklugfummelt! ;D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Jana

Re:Mein Kuscheltier
« Antwort #2 am: Juli 25, 2014, 18:14:00 »
Lieber eKy,

ja, bin ich. Sieht man auch daran, dass ich erst mal meinen Duden rauskramen musste, um zu wissen, was akzeleriert überhaupt bedeutet.:D

Danke für deine Vorschläge! Mal schauen, was ich damit anfange. ;)

Falls ich mich noch mal an ein Sonett wage, beachte ich deinen Hinweis (womit es ja noch komplizierter wird...).

Danke und liebe Grüße,
Jana
 

cyparis

Re:Mein Kuscheltier
« Antwort #3 am: Juli 25, 2014, 18:41:03 »
Liebe Jana -



das ist ja wirklich reizend!
Wenn ich mir so ein kleines Bärchen (oder andres niedliches Tierchen) vorstelle, mit dem ein Mädchen  gedankenaustauschig wird - wirklich reizend!

Da ich es mit den Regeln nicht so habe  (hier ist Erich die Koryphäe!), sind mir die Abweichungen überhaupt nicht aufgefallen.

Dein erstes Sonett?
Von mir kommt ein
"Daumen hoch!"


Gibt es jetzt in Deiner Generation noch den Ausdruck
frühreif?

Auf Deine poetischen Fähigkeiten trifft es zu!


Herzlichen Gruß
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Jana

Re:Mein Kuscheltier
« Antwort #4 am: Juli 25, 2014, 18:55:34 »
Liebe Cyparis,

also mein Kuscheltier ist eine Ente (zumindest soll es eine Ente darstellen).

Mein zweites. ;)

Ja, der Ausdruck ist mir noch geläufig.
Danke!

Liebe Grüße,
Jana

cyparis

Re:Mein Kuscheltier
« Antwort #5 am: Juli 25, 2014, 20:13:12 »
Aber, liebe Jana,


warum hast Du es in dieser Rubrik eingestellt?
Es ist doch eher ein lichtes als ein düsteres Gedicht!

Wenn ich drankomme, suche ich mein "Püppchen"-Gedicht und zeige es Dir.


Bis dahin einen Vorgeschmack aus uralten Zeiten:




Himpelchen und Pimpelchen
saßen auf dem Berg.
Himpel war ein Heinzelmann
und Pimpelchen ein Zwerg.

Sie waren beide ohne Arg,
sie hatten sich so lieb.
War auch der Berg noch mehr als karg -
Himpel-Pimpel-Zwilling blieb.

Zwar hatten sie mitunter Streit -
das war so angeboren -
warn immer wieder doch zu Zweit
ins Zwillingsglück verloren.

Sie wurden alt, sie wurden grau.
Sie hielten sich die Hände.
Der Himmel? Der schien immer blau.
S o ist dies Berggelände.




ad hoc 23.05.2011
(c)


Was als Erklärung dafür dienen mag, daß Kuscheltiere mir nie so nahe kamen.


Herzlichen Gruß
von
Romulus
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Jana

Re:Mein Kuscheltier
« Antwort #6 am: Juli 25, 2014, 20:32:47 »
Ich habe länger dafür gebaucht, liebe Cyparis, eine angemessen Rubrik zu finden, als das Sonett zu schreiben.
Auf der einen Seite ist es schon fröhlich, diese Kindheitserinnerungen. Auf der anderen Seite sehe ich, wie mein Kuscheltier (wie es ja auch im Gedicht steht) langsam alle Fäden verliert. Das ist irgendwie traurig.

Oh, ein schönes Gedicht, danke für das Teilen deiner Zeilen..:)
Liebe Grüße
Jana

gummibaum

Re:Mein Kuscheltier
« Antwort #7 am: Juli 26, 2014, 00:01:53 »
Hallo Jana,

das Sonett gefällt mir sehr gut. Eins deiner schönsten Gedichte, finde ich.

Grüße die Ente (ich hatte lange Zeit ein Nilpferd, und wir teilten Freude und Leid)!

LG g

Seeräuber-Jenny

Re:Mein Kuscheltier
« Antwort #8 am: Juli 26, 2014, 00:06:41 »
Liebe Jana,

du hast deinem kleinen Kuscheltier ein würdiges Sonett gewidmet. Ein dickes Lob dafür! :)

Ein paar Änderungsvorschläge hätte ich allerdings:

Mein Kuscheltier, du hast mich stets begleitet,
Lagst neben mir in mancher finstren Nacht.
Du hast mir zugehört und Trost gebracht
Und mich durch tiefste Dunkelheit geleitet.

Mein Kuscheltier, so rede, statt zu schweigen,
Erzähle mir doch auch von deiner Pein.          
Schaust mir beim Dichten zu, nur du allein,
Und machst dir meine Dankbarkeit zu eigen.


(Die 2. Strophe muss dasselbe Reimschema aufweisen wie die 1. Strophe. Also in Zeile 2 und 3 keine Senkung mehr am Schluss.)

Doch hängen schon die meisten Fäden runter,
Die Füllung ist schon überall zu finden
Und auch die Stoffhaut ist schon leicht geschunden.

Und dennoch: Deine Augen blitzen munter.
Ich werde dich noch mal zusammenbinden.
Die Fäden dort, sie sind noch nicht verschwunden.


Weiter so! Ich bin stolz auf dich!  :-*

Deine Jenny


« Letzte Änderung: Juli 26, 2014, 01:08:21 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Jana

Re:Mein Kuscheltier
« Antwort #9 am: Juli 27, 2014, 15:18:19 »
Lieber gummibaum,

danke für das liebe Lob! :)

Liebe Jenny,

danke für die Verbesserungen. Besonders die in der zweiten Strophe sagen mir sehr zu und auch die Änderung im zweiten Terzett ist schön. :)
Und noch mal danke für dein Lob, das hat mich sehr gefreut.

Liebe Grüße,
Jana