Autor Thema: Künstler des Lebens  (Gelesen 1999 mal)

Seeräuber-Jenny

Künstler des Lebens
« am: Juli 24, 2014, 13:33:52 »
Künstler des Lebens,
Du Streiter ums Glück,
blicke nur vorwärts,
nie schaue zurück.
Vergiß der Deinen
unselige Qual,
sprich nur mit Lächeln:

- Es war einmal -

Spielt dir das Leben
dereinst bitter mit,
schreite stets vorwärts,
verhalt nie den Schritt.
Nach schweren Hürden
in großer Anzahl
sprich nur mit Lächeln:

- Es war einmal -

Wenn Dir die Liebe
das Glück auch versagt,
noch scheint die Sonne,
drum niemals verzagt.
Rinnen die Träume
hinüber ins All,
sprich nur mit Lächeln:

- Es war einmal -

Steht dann am Ende
der Schnitter vor Dir,
sei ihm nicht böse,
verschließ nicht die Tür.
Er mähet schließlich
doch allüberall.
Sprich nur mit Lächeln:

- Ich war einmal -

Carl Namyslo
12.9.49

Mein Vater
« Letzte Änderung: Juli 25, 2014, 01:04:41 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Jana

Re:Künstler des Lebens
« Antwort #1 am: Juli 24, 2014, 14:53:28 »
Liebe Jenny,

da ist es klar, von dem du dein Talent hast..
Das Gedicht ist wunderschön.

Liebe Grüße,
Jana

cyparis

Re:Künstler des Lebens
« Antwort #2 am: Juli 24, 2014, 16:05:32 »
Sehr anrührend -


da mag man kleine "Ungeschicklichkeiten" gar nicht monieren.
Eines ist das Gedicht auf jeden Fall:

Heiter und weise.


Dank
von
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Seeräuber-Jenny

Re:Künstler des Lebens
« Antwort #3 am: Juli 25, 2014, 01:06:29 »
Es sind nur klitzekleine Fehler. Aber darauf kommt's nicht an. Vielmehr auf die Weisheit, die aus den Zeilen spricht. Beachtlich, war er doch zu dieser Zeit erst 41.

Liebe Grüße
Rosenblüte
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
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Carl Schurz

Makaveli

  • Gast
Re:Künstler des Lebens
« Antwort #4 am: Juli 25, 2014, 01:51:32 »
Ich finde dieses Gedicht sehr, sehr beeindruckend. Was mir viel eher ins Auge fällt (bzw im Gedächtnis hängen bleibt) als kleine Unzulänglichkeiten ist diese individuelle, unheimlich eingängige Ausdrucksweise (VERHALT nie den Schritt!!!!), durch die es so ehrlich klingt, kein bisschen gekünstelt. Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaum, würde ich sagen.

Jana

Re:Künstler des Lebens
« Antwort #5 am: Juli 25, 2014, 01:53:50 »
Liebe Jenny,

mir sind diese "Fehler" (in der Lyrik finde ich dies meistens eher unpassend. Fehler in dem Sinne gibt es da gar nicht. Cyparis "Ungeschicklichkeiten" passen dann schon eher) überhaupt nicht aufgefallen.
Weisheit spricht tatsächlich daraus. Sehr beeindruckend, dass er das schon mit 41 zu Papier brachte.

Liebe Grüße
Jana

P.S.: im poetry-Fieber? Rosenblüte? :D

Seeräuber-Jenny

Re:Künstler des Lebens
« Antwort #6 am: Juli 25, 2014, 11:27:57 »
Viel ist es nicht. Eigentlich entdecke ich nur die Inversion "nie schaue zurück" und den Metrikfehler "in großer Anzahl".

Die Inversion und die Wortwahl "verhalt nie den Schritt" deuten darauf hin, dass der Stil damals ein anderer war. Mein Vater kam ja 1907 zur Welt. Da herrschte noch der olle Kaiser Wilhelm.

Liebe Grüße
Jenny

PS: Liebe Jana, ich bin jetzt wieder ein bisschen mehr in den Foren aktiv, z.Z. auf Poetry und natürlich auf unserer Wiese. Für dotcom jedoch fehlt mir die Zeit.

« Letzte Änderung: Juli 25, 2014, 11:30:43 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
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Carl Schurz

cyparis

Re:Künstler des Lebens
« Antwort #7 am: Juli 25, 2014, 17:49:13 »
Ich greife nur eines heraus und vielleicht war auch "Ungeschicklichkeit" schon zu hart.
Ich wollte auf keinen Fallmeinen Purismus herauskehren!

drum niemals verzagt.

Ich hätte geschrieben:
Drum sei niemals verzagt.

Aber wenn es an nicht nur eine Person gerichtet ist, stimmt dieser Imperativ.

Ich stell mich ins Eckchen um schäme mich ein wenig.


VG
Cyparis
Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

Seeräuber-Jenny

Re:Künstler des Lebens
« Antwort #8 am: Juli 25, 2014, 22:02:39 »
Aber nein!

Ich könnte mir vorstellen, dass mein Vater auch gern auf unserer Wiese unter Gleichgesinnten gewesen wäre und unsere Ratschläge dankend angenommen hätte.

Lieben Gruß
Jenny
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Carl Schurz

Makaveli

  • Gast
Re:Künstler des Lebens
« Antwort #9 am: Juli 27, 2014, 14:11:43 »
Ein bisschen schämen ab und an kann trotzdem nie schädlich sein  ;D Nein, im Ernst: Wir sollten vielleicht auch nicht vergessen, das wir (auch, wenn ich nicht weiß, wie alt Cyparis ist) aus alterstechnischen Gründen viele Dinge vielleicht zwangsläufig einfach ein bisschen anders sehen. Wer weiß denn schon, wie ich in dreißig Jahren die Dinge sehe, gerade bezüglich dieses Themas?
Und vielleicht isses halt manchmal auch sinnvoll, sich zu fragen, wie man selber vor dreißig Jahren manches sicherlich noch ein wenig anders sah, als man es heute tut, um manchmal einfach zu akzeptieren, das es Unterschiede gibt und geben sollte.
Die meisten von euch hier schreiben sicherlich schon länger, als ich überhaupt am Leben bin, und ich bin mit meinen vier Jährchen, die ich das praktiziere immernoch blutiger Anfänger, im Prinzip.

Das heißt Vergleiche hinken... Und wir diesen auch ab und mal hinterher, hab ich den Eindruck ;)

Seeräuber-Jenny

Re:Künstler des Lebens
« Antwort #10 am: Juli 27, 2014, 17:06:53 »
Lieber Makaveli,

natürlich hat ein alter Mensch, der schon sehr viel erlebt und erfahren hat, der mehrere Generationen kommen und gehen sah und ihre Lebensstile kennen lernte, der überhaupt viele Veränderungen mit ansah, in der Regel einen größeren Erfahrungsschatz aufzuweisen als ein junger Mensch, der noch den größten Teil des Lebens vor sich hat.

Mein Vater hat in der Tat viel erlebt in seinen 80 Jahren. Er wurde mit 14 Vollwaise und musste für sich und die beiden Schwestern sorgen. Sein Onkel, der sein Vormund war, ließ ihn einen ordentlichen Beruf lernen (Elektriker), der ihm schon bald ermöglichte, seinen Traumberuf zu auszuüben (Filmvorführer, damals Operateur genannt). Ansonsten ließ man diesen Waisenkindern alle Freiheiten. Sie durften weiter in der Wohnung bleiben, durften ihre Freunde einladen, durften kommen und gehen, wann sie wollten. Sie lernten beizeiten einen eigenen Haushalt zu führen, auch mein Vater, was für die Jungs damals keine Selbstverständlichkeit war. Leider musste mein Vater zwei Weltkriege miterleben. Nach dem 1. Weltkrieg herrschte bittere Not und dann Inflation. Im Zweiten Weltkrieg wurde mein Vater an die Westfront geschickt. Nach Kriegsende war er erst in amerikanischer, dann in französischer Gefangenschaft. Als er heimkehrte, lag seine erste Ehe in Trümmern und wurde geschieden. Mit seiner neuen Familie, meiner Mutter und mir, floh er aus der DDR, die damals SBZ hieß, in den Westen, nachdem ihm wegen ein paar kritischer Bemerkungen über die damalige Versorgungslage Unannehmlichkeiten drohten. Er war ein einfacher und geradliniger Mann, der das Leben liebte und viel darüber nachdachte. Die entbehrungsreichen Jahre verhalfen ihm zur Reife. Aber mochten die Stürme des Lebens ihn auch noch so heftig umbrausen, er versuchte das Leben leicht zu nehmen und verlor nie seinen Optimismus und Frohsinn.  :)

Ein junger blutiger Anfänger braucht sich dessen nicht zu schämen. Jeder hat mal angefangen. Junge Leute haben dafür andere Trümpfe in der Hand: Leidenschaft, Idealismus und Power.
Indessen solltest du lieber drauf verzichten, nach Komplimenten zu fischen. Dass du kein blutiger Anfänger bist, auch nicht im Prinzip, ist in unseren Kreisen allgemein bekannt. Und da hilft dir alles nix: Der nächste Verriss ist gewiss!  ;D

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny
« Letzte Änderung: Juli 27, 2014, 19:02:17 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Makaveli

  • Gast
Re:Künstler des Lebens
« Antwort #11 am: Juli 27, 2014, 21:44:39 »
Erstmal Danke für die ausführliche Erklärung! Aber: Den "blutigen Anfänger" als ein Fischen nach Komplimenten zu sehen, da liegst du falsch! Das war eher eine Spitze und damit Zuspruch, als das Herabwürdigen meiner selbst! Denn da mir das wohl bewusst ist, was den nächsten Verriss angeht, kannste dir sicher sein: DIESE BLÖßE gebe ich mir nicht. Ihr könnt ruhig davon ausgehen, in euren Kreisen, das Selbstvertrauen durchaus vorhanden ist.

Ich dachte auch eigentlich, das sich das irgendwie schon in dem Verhalten der letzten Tage gezeigt hat, sonst hätte ich subtiler gebettelt  ;D Nein, im Ernst: Man kann mir alles nachsagen, aber das nicht!

Um nochmal auf deinen Vater zurückzukommen: Natürlich bin ich dankbar, so dankbar, das ich all das Leid, was dein Vater an Kriegen, an deren Folgen, an Armut und an Leid miterleben musste, nicht zu durchleiden habe. Aber wie es sich anfühlt, das einem einfach etwas überlassen wird, freigestellt, allgemein, das man es einfach irgendwie leicht gemacht bekommt, das würde mich interessieren. Auch aus Erzählungen von meinem Opa merke ich es immer wieder, auf welche Eigenschaften unserer heutigen Gesellschaft wir uns keinesfalls etwas Einbilden brauchen. Egoismus als vorherrschende Charaktereigenschaft ist, wenn wir ehrlich sind, doch längst stark untertrieben.
Wenn man keinen Gegenwert irgend einer Art liefern kann, hat man gefälligst zu betteln! Egal, ob es sich um Dinge handelt, die nun anderweitig gebraucht würden oder nicht. Leider bin ich persönlich darin nicht sehr gut, was mich zur Not eher verzichten lässt, ich habe tatsächlich schon auf der Straße gesessen in Frankfurt... Hartz IV noch nie bis jetzt, da hab ich häufig lieber Dummheiten gemacht...
Das ist auch das, was mich wegen der anderen Scheiße so oft zweifeln lässt, Mobbing, Stalking, HappySlapping... WAS HAT MAN DAVON??? Ich meine, die Antworten die man findet oder gibt sind keine Antworten....

Ich klage ja nicht, aber ich die Frage verfolgt mich eben doch ein bisschen, ab und an... Wieso zerstört man anderen das komplette Leben, wenn man seine Zeit sicher auch sinnvoller vertun könnte... Ist alles nicht zu vergleichen mit den Abläufen von damals, weiß ich selber, ich komm mir gerade auch schon wieder fast scheiße vor, das in Relation zu stellen...

Aber ich bin weit entfernt davon, den Lebensmut zu verlieren, da musste dir keine Gedanken machen, alles wird seinen Sinn gebabt haben, am Ende. Wenn man zumindest etwas draus lernen konnte.

Peace

Seeräuber-Jenny

Re:Künstler des Lebens
« Antwort #12 am: Juli 28, 2014, 01:04:13 »
Ach so! An deinem Selbstvertrauen hatte ich eigentlich nie gezweifelt. Bis zu jenem Moment, da ich von deinem Sinneswandel erfuhr, der mich sehr, sehr nachdenklich stimmte. Rührte dieser Wandel womöglich von einer plötzlichen tiefen und wahren Erkenntnis her, vielleicht sogar von einer göttlichen Erleuchtung? Der Glorienschein, der nur die größten und bedeutendsten Dichter umgibt und der natürlich auch unsere Lyrik-Wiese hell erstrahlen lässt, schien dich geblendet und eingeschüchtert zu haben. Dass du auch weiterhin ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein zu verspüren vermeinst, beruhigt mich ungemein. Statt einen verängstigten blutigen Anfänger umhegen zu müssen, kann ich nun endlich wieder meinen administratorischen Routinearbeiten nachgehen.

Aha, dieser kleine blutige Anfänger will uns also glauben machen, er sei mutig! Nun gut, Frischfleisch, wir nehmen dich beim Wort! Mach dich schon mal bereit, bald ist Schlachttag! Au fein, das wird ein Fest! Zuerst werden wir dir deine Elaborate links und rechts um die Ohren hauen, bis du nicht mehr piep sagst. Dann kann das Gemetzel beginnen: Wir nehmen dich mitsamt deinem Machwerk haarklein auseinander, drehen und wenden das Ganze stundenlang hin und her, bis alle großen Töne heraus gequetscht sind, walken und kneten die ganze Chose durch, bis uns der Arm abfällt, würzen das fade Zeugs mit unseren klugen Sprüchen, spicken es mit spitzzüngigem Spott, spießen es satirisch auf und garen es schließlich über Dantes Höllenfeuer, bis nur noch ein verkohlter Klumpen übrig ist. - Oha! Na ja, was will man machen. Wahre Geistesgrößen werden mit zwei linken Händen geboren, weshalb sie für niedere Tätigkeiten jeglicher Art ungeeignet sind.

Jetzt weißt du Bescheid, Frischfleisch! Deine restlichen Tage sind gezählt. Da kann ich dir nur noch raten: Carpe diem! Mach das Beste aus deinen letzten Stündlein! Am besten lernst du noch schnell unser Gesamtwerk auswendig. Das wird dich hoffentlich inspirieren. Vielleicht löst ja das Wissen um dein unausweichliches nahes Ende noch einen frühen Reifeprozess in Gang, und unerwartet hinterlässt du uns ein paar Jahrhundertgedichte, ein paar echte Klassiker, welche wir dann posthum gewinnbringend vermarkten können.

Spaß beiseite: Ja, unser Wirtschaftssystem züchtet kalte Egoisten und nützliche Idioten heran. Diesem Teufelskreis kann man nur entrinnen, wenn man es selbst besser macht. Nur wer versucht, nach seinen Idealen zu leben, und anderen dieses bessere Leben vorlebt, vermag auch zu überzeugen.

In diesem Sinne
Laugh and Piece and Bullshit

Seeräuber-Jenny
(schon das Messer wetzend)  :P
« Letzte Änderung: Juli 28, 2014, 02:22:18 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz