Hi, Gum!
Exhibitionismus ist ja nur eine (vielleicht letzte) Vorstufe zum eigentlichen Missbrauch, wie das Gedicht in seinem Verlauf ja beschreibt.
Dass als Kind Missbrauchte später selber Täter werden, ist keine Seltenheit. Geprägt durch Erlebnis sozusagen auf diese Art der Triebauslebung, "erben" sie die unselige Fixierung von denen (daher der Titel), die sie ihnen in sensiblem Alter aufgezwungen haben. Das ist natürlich keine fixe Regel - es gibt genug Täter, die als Kinder nicht missbraucht wurden, und auch bei weitem nicht jeder einst Missbrauchte wird auf diese Konstellation fixiert - aber es kommt oft genug vor, um es auch mal so verarbeiten zu können.
Zugrunde liegt dem Text eine Episode von vor 15 Jahren, als ich noch an einer anderen Schule war - da hatten wir so einen Hinterm-Busch-Hocker vor der Schule, der sich vor den Kindern auf dem Schulweg befriedigte, einige sogar ansprach, bzw. zu anderer Gelegenheit unverfänglich Kontakt suchte. Es gelang uns zwar, ihn zu verscheuchen, aber er wird sein Unwesen sicher anderswo weiter getrieben haben. Ob der nun ein ehemaliger Missbrauchter war, weiß ich natürlich nicht, aber der Gedanke kam mir natürlich.
Das Fatale an solchen Tätern ist: Ihnen fehlt oft das Unrechtsbewusstsein für ihr Handeln. Kinder tun etwas deshalb nicht nicht, weil es "Unrecht" ist, sondern weil es verboten ist und sie Angst vor möglichen Konsequenzen haben. Grundsätzlich aber sind sie neugierig. Wie Kinder sind viele dieser Täter selbst unreif und haben nie gelernt, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen oder etwaige Konsequenzen für die Beteiligten zu überdenken. sie sind naiv-egoistisch wie die Kinder, die sie begehren, und so handeln sie dann eben auch - mit entsprechenden möglichen Folgen für ihre Opfer.
Diese (mögliche) Kette, diesen potentiellen Teufelskreis wollte ich im Gedicht beschreiben. Es soll keine Rechtfertigung für ihr Tun sein - jeder Erwachsene ist nun mal für sein Handeln verantwortlich, aber es ist auch nun mal so: Auch die Täter waren einst Kinder, möglicherweise selbst verletzte, und vielleicht, ja, vielleicht hilft das zu verstehen, dass auch sie Menschen sind, keine Monster und Dämonen, obwohl sie für andere später durchaus dazu werden können!
Das Thema ist heikel, und ein paar Strophen über einen von vielen möglichen Aspekten wird dem sicher nicht gerecht, das weiß ich schon. Es ist eben nur EIN möglicher Blickwinkel, der den Täter nicht völlig dämonisiert, sondern zeigt, dass auch er nur ein Mensch ist - was immer das heißen mag. So spricht ihn der Text zuletzt auch persönlich an als einen, dem man zutraut, über sich und sein Agieren nachzudenken und vielleicht die Größe zu finden, diesen Kreis des Widernatürlichen zu durchbrechen. Da lehne ich mich schon weit aus dem sozialen Fenster, ich weiß - vertuschte man solche Vorkommnisse früher gern oder schwieg sie einfach tot, um den Ruf der Gesellschaft "sauber" zu halten, so übertreibt man nun oft in die andere Richtung und bauscht die Fälle reißerisch auf, was meines Erachtens den Beteiligten zumindest ebenso sehr schadet wie das Verleugnen und Wegsehen davor. Extreme sind niemals zielführend, soviel sollte uns die Welt gelehrt haben.
LG, eKy