Autor Thema: Im November  (Gelesen 1163 mal)

gummibaum

Im November
« am: November 23, 2013, 15:04:16 »
Mein Tisch ist überhäuft mit alten Tassen,
drin Abgestandenes, schon halb zersetzt,
und hartes Brot, das mir den Mund verletzt,
muss ich zerbeißen, müde und verlassen.

Das Grauen nistet, lässt sich nicht mehr wenden,
die Lampe dringt durchs Dunkel kaum zu mir,
sie frisst ihr eignes Licht mit stiller Gier
und draußen lauert Tod an allen Enden.

Der Uhr sind ihre Zeiger abgebrochen,
es geht nicht weiter, dieses Dickicht hockt,
nur an der Tür fühl ein wildes Pochen

kaum hörbar deutlich, dass das Blut mir stockt,
dann reiß ich mich, die Angst lässt überkochen,
aus einem Blick, der mich gespenstisch lockt.

cyparis

Re:Im November
« Antwort #1 am: November 23, 2013, 15:41:58 »
Lieber Gummibaum,

welch ein düsteres, sinistres, schwarzes Sonett
(dessen Entstehungsgeschichte ich kenne).
Die Gestaltung ist großartig,
besonders der Vers mit den Uhrzeigern hat es mir angetan.
Insgesamt ist es doch seltsam, daß Schönheit gleichzeitig begeistern und beklemmen kann.

Laß Dich herzlich grüßen
von
Cyparis




Der Schönheit treu ergeben
(Lady Anne von Camster & Glencairn)
copyright auf alle Texte

gummibaum

Re:Im November
« Antwort #2 am: November 23, 2013, 16:58:27 »
Danke dir, Cyparis. Ein Gedicht, mit dem ich seit längerem mal wieder einigermaßen zufrieden bin. Ist auch recht unmittelbar und aktuell Empfundenes drin.

Ganz liebe Grüße
von gummibaum

Erich Kykal

Re:Im November
« Antwort #3 am: November 23, 2013, 18:04:57 »
Hi, Gum!

auch mir gefällt das Sonett.

Allerdings stören mich (o Wunder! ;)) ein paar Kleinigkeiten:

S3Z2 - Ich kann sagen, dass IM Dickicht einer hockt, aber dass ein Dickicht SELBER hocken kann, ist mir neu...

S3Z3 - hier fehlt ein "ich" nach "fühl". Außerdem erscheint der ganze Satz verwirrend: Das Lyrich "fühlt kaum hörbar deutlich" ein wildes Pochen - zumindest sollte das "kaum hörbar" hier zwischen Kommata oder Bindestrichen stehen, damit der Satz klarer wird.

S4Z2 - "die Angst lässt überkochen" - hier fehlt, WAS sie überkochen lässt. Sollte es gemeint sein wie in "...lässt bitten", erscheint es doch sprachlich nicht wohlgesetzt. Alternative: "dann reiß ich mich, die Angst in alten Knochen,"

Auch wird leider nicht erklärt, von wem und woher der Blick kommt, aus dem sich das Lyrich zuletzt reißt. Wenn die Tür zu ist, wie das wilde Pochen suggeriert, wo kommt "der Blick" dann her? Sollte es jener der "Angst" sein, wäre es besser, "aus ihrem Blick" zu schreiben. Allerdings wird ein Blick der personifizierten Angst kaum "locken", wenn auch "gespenstisch"!

Solche Kleinigkeiten, wenn sie sich nicht aus der Gescichte heraus selbst erklären, stören den Lesegenuss, weil sie unnötig Fragezeichen hinterlassen, wie in diesem Fall bei mir:  ???

Abgesehen davon sehr gerne gelesen!

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 23, 2013, 18:06:47 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re:Im November
« Antwort #4 am: Dezember 28, 2013, 14:32:52 »
Hallo Erich,

besten Dank. Ich bin oft langsam, aber heute (es sind ja Ferien und ich habe endlich Zeit) greife ich deinen Kommentar dankbar auf und lege eine entsprechend geänderte zur Begutachtung vor Version vor.  LG gummibaum

Im November

Mein Tisch ist überhäuft mit alten Tassen,
drin Abgestandenes, schon halb zersetzt,
und hartes Brot, das mir den Mund verletzt,
muss ich zerbeißen, müde und verlassen.

Das Grauen nistet, lässt sich nicht mehr wenden,
die Lampe dringt durchs Dunkel kaum zu mir,
sie frisst ihr eignes Licht mit stiller Gier
und draußen lauert Tod an allen Enden.

Der Uhr sind ihre Zeiger abgebrochen,
die Zeit steht still, an Lähmung angepflockt,
nur an der Tür in mir ein wildes Pochen,

unüberhörbar, dass das Blut mir stockt,
dann reiß ich mich, die Angst will überkochen,
aus einem Blick, der mich gespenstisch lockt.