Hinaus

[Seeräuber-Jenny]

Und bin doch frei so wie ein Spatz im Wind. -
Früh wollte ich dem engen Nest entfliehen,
mit wilden Schwänen durch die Lüfte ziehen
in Länder, die erst zu entdecken sind.

So träumte ich bereits als kleines Kind.
Der Wunschtraum war schon bald zur Tat gediehen,
ein Bilderbuch rasch aus dem Schrank entliehen
und fort ging’s über Stock und Stein geschwind.

Die Mama weinte sich die Augen aus,
der Papa fragte sich besorgt: "Was tun?"
Drauf liefen beide los, um mich zu finden.

Sie brachten mich am Abend heil nach Haus.
Seitdem sitz ich herum in Reiseschuhn,
bleib nur ganz kurz, um wieder zu verschwinden.

[cyparis]

Ein ebenso reizendes wie vielschichtiges Sonett!

Sehr gut gelungen und fast gar neidisch machend -
aber die einstigen Brüder/Schwestern hattens auch nicht leicht.

Ganz lieben Gruß
von
cyparis

[Seeräuber-Jenny]

Aye, vielleicht ist der Grund für meinen Freiheitsdrang darin zu finden, dass ich die lieben Brüder und Schwestern verlassen musste, als ich noch ganz klein war. Danach ging es munter weiter: Im Alter von drei oder vier Jahren die Flucht mit dem Bilderbuch, als ich Zehn war, machte ich mich samt Freundin, deren Bruder und Talisman auf zu Udo Jürgens (aber wir kamen nur 40 km weit), mit Fünfzehn trampte ich nach Amsterdam usw. usf. Habe inzwischen sowas wie meine Heimat in Berlin gefunden. Doch eines schönen Tages heißt es wieder: La Paloma ade!

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny

[cyparis]

Nicht
"La Paloma, ohé"?

[Seeräuber-Jenny]

Am Schluss singt Hans Albers:

"La Paloma, ade
auf Matrosen, ohé!"

[Erich Kykal]

Hi, Jenny!

Ein wunderbares Sonett mit sehr gelungenen 3-Zeilern als Conclusio, sprachlich wie inhaltlich.

Peanuts:
S1Z1 - Komma nach frei.
S1Z4 -  das "die erst" liest sich wegen des Vokalpralls sperrig. Vorschlag: "die noch".
S2Z1,2 - Wortwiederholung "träumte-Wunschtraum". Da fällt mir aber spontan nix zu ein. Ist aber auch nicht so auffällig.

Das Reimschema exakt durchgezogen, nur die 3-Zeiler haben 3 anstatt ebenfalls nur 2 Reime (wie es meines Wissens nach strengeren Sonettregeln sein sollte). Das fällt deshalb aber kaum auf, weil der Reim "finden-verschwinden" dem oben benutzten "Wind-sind-Kind-geschwind" sehr anverwandt und ähnlich ist.

Eine innige Liebeserklärung an die Reiselust und die Sehnsucht nach der Ferne. Wenn man dann noch Seeräuber werden kann...

Sehr gern gelesen!

LG, eKy

[Seeräuber-Jenny]

Hi Erich,

danke für dein Lob!

Und nun zu deinen Anregungen:

S1Z1 - Komma nach frei
Beim Komparativ, sofern kein Nebensatz gebildet wird, wird meines Erachtens kein Komma gesetzt. Prominentes Beispiel: "Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!"

S1Z4 -  das "die erst" liest sich wegen des Vokalpralls sperrig. Vorschlag: "die noch"
"erst" lag die Überlegung zugrunde, dass es sich um eine unbegrenzte Anzahl von Ländern handelt, auch die aus Märchen und Sagen und solche, die der eigenen Fantasie entspringen. Aber das ist vielleicht Haarspalterei und ich gebe dir recht, es klingt ein bisschen sperrig. Werde es mir durch den Kopf gehen lassen.

S2Z1,2 - Wortwiederholung "träumte-Wunschtraum"
Ist beabsichtigt. Aber ich könnte statt "Wunschtraum" auch "Vorsatz" schreiben, ist halt nicht so verträumt. Schaumermal.

Das Reimschema exakt durchgezogen, nur die 3-Zeiler haben 3 anstatt ebenfalls nur 2 Reime (wie es meines Wissens nach strengeren Sonettregeln sein sollte).
Gerade bei Sonetten gibt es ja viele Variationsmöglichkeiten. Hier habe ich mich mal an Cervantes orientiert.

Ach ja, die Reiselust... Ich fiebere schon dem Tag entgegen, an dem es wieder heißen wird: "Ins Mühlviertel!"

Lieben Gruß
Jenny

[a.c.larin]

hi jenny,

du wanderratte - bevor du wieder abzischt, lass ich dir noch rasch einen kommentar da:

mir kribbelts richtig unter den fußsohlen, wenn ich dein gedicht lesen - die kleine abenteurerin mit dem bilderbuch in der hand ist noch so deutlich zu spüren! 

(da werden deine eltern wohl einiges an schweißtropfen verbraucht haben, bis du groß warst...... )

nur so ne frage: muss das gedicht mit "und" anfangen?
das klingt , als wäre es aus einem größeren zusammenhang herausgelöst worden. "ich" ginge an der Stelle genauso.

Ich bin doch frei - so wie ein Spatz im Wind.

Lg, larin

[Alive]

Wind ist nur der trägt,
den, der mit Flügeln schlägt.
Wär Freiheit abgewägt,
gäbs Äste. Durchgesägt.

Der Horizont zeigt seinen Platz
für Raben, Elstern. Und den Spatz.
Ein Kinderherz will lachen.
Bleib hier, um mitzumachen!
;-)

[cyparis]

Ein wirklich kostbarer Kommentar!