Autor Thema: Weit im Osten  (Gelesen 1303 mal)

Erich Kykal

Weit im Osten
« am: November 15, 2023, 12:44:09 »
Wann kam die Menschenliebe uns abhanden,
bis Krieg und Tod uns nicht mehr groß erregten,
da in den Schoß wir unsre Hände legten
beim großen Sterben in entfernten Landen?

Wird uns ein fremder Wille erst berühren,
wenn kalt er sich auf eigne Lande legt,
wenn Grauen herrscht und sich kein Aber regt,
die Mutigen in Freiheit noch zu führen?

Wir wälzen uns in unserem Versagen,
das große Worte schwingt, die uns nichts kosten,
nur um zugleich die Mängel zu beklagen,

die uns ein Jota unsres Wohlstands stehlen,
weil sie sich niedermetzeln weit im Osten
und ungezählte Kinderseelen quälen.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Weit im Osten
« Antwort #1 am: November 17, 2023, 01:37:22 »
Lieber Erich,

schönes Gedicht.

Wegschauen und nicht helfen, um seinen Wohlstand nicht zu gefährden, ist nicht nur unmoralisch, sondern auch gefährlich, weil der Krieg schnell auf uns überspringen kann.

Der Osten galt schon im antiken Griechenland als Reich der Barbaren und die Abgrenzung des Westens vom Orient (Edward Said) hat eine lange Tradition. Im Zeitalter der Globalisierung sollten wir aber vielleicht begreifen, dass räumliche und kulturelle Entfernung keinen Unterschied machen, wenn es um Leid durch Kriegsfolgen geht. 

Gern gelesen.
Liebe Grüße von gummibaum 

Erich Kykal

Re: Weit im Osten
« Antwort #2 am: November 17, 2023, 18:35:51 »
Hi Gum!

Seit uns die Hunnen und Mongolen aus dem Osten heimsuchten, war dort der große Feind verortet, und als die Muselmanen sich anschickten, Wien zu belagern, bestätigte dies nur die gefassten Vorureile bezüglich dieser Himmelsrichtung.
Als am Ende des 2.WK 'die Russen kamen' und schrecklich hausten nach Hitlers Exzessen im Osten, wovon kaum einer hier wusste oder je wissen wollte, waren sie nur einmal mehr die grässlichen Primitivlinge aus der Steppe, kaum fähig, ganze Sätze zu bilden in all der degenerierten Hässlichkeit ihrer Karikaturen.
Die Mär vom 'Volk der Untermenschen' ist dieses Vielvölkerreich nie losgeworden, nicht unter Zarenherrschaft, und sicher nicht unter dem noch viel menschenverachtenderen Terror der sog. Sovietära, die mit echtem Kommunismus ungefähr so viel zu tun hatte wie ein Hahn mit dem Eierlegen! (Nicht dass mir die Idee des Kommunismus an sich gefiele ...)

Fazit: Die Russen sind immer die Bösen, und wenn sie einem Putin hinterherlaufen und willfahren, könnte man es beinahe wirklich glauben! Zumindest wenn man gern verallgemeinert und wenig differenziert ...
Dabei sind der Bösen nur eine Handvoll im Vergleich zu diesem riesigen Völkergemisch: Putin und seine willigen Handlanger! Russlandfaschisten unter dem Deckmäntelchen der 'guten alten Zeiten', korrupte Parasiten und Soziopathen - und weil diese Völker seit Jahrhunderten unterdrückt und dumm gehalten wurden, passiv und hilflos, haben sie nie gelernt, die Zeichen zu erkennen und rechtzeitig zu deuten, weshalb sie von einer Diktatur in die nächste torkeln, jedesmal mit neuem Heilsversprechen und der Vorschiebung eine anderen politischen Idee!

Höchst bedauernswert, und so verachtens- wie bemitleidenswert menschlich.

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 21, 2023, 16:56:04 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Weit im Osten
« Antwort #3 am: November 21, 2023, 17:15:44 »
Lieber Erich,

ich denke nicht, dass "uns Menschenliebe abhanden" gekommen ist - eher doch dem, der diesen Krieg unter Vorgabe fadenscheiniger Gründe angezettelt hat, bzw: Hatte der überhaupt jemals welche?

Und dass wir hier nach der ersten, zweiten, dritten, vierten Schrecksekunde zum Alltagstrott übergegangen sind, weil danach schon wieder weitere und noch ganz andere Schrecknisse und Dilemmata kamen....möglicherweise ist die menschliche Seele nur bedingt leidensfähig? Mehr als tieftraurig kann man nicht sein, mehr als Todesangst kann man nicht haben - und auch wenn uns die Medien alles von überall her bis ins Haus holen: Das eigene, unmittelbare Leben wird sich unweigerlich wieder in den Mittelpunkt des Bewusstsein drängen(müssrn)!

Egal wie wann wo warum gestorben wird: Das Leben geht weiter.
Wenn wir selber mal tot sind, wird sich die Erde auch weiter drehen....

Wer es fassen kann, der fasse es!
Doch vielen Ereignissen und Entwicklungen stehen wir auch ziemlich  ohnmächtig gegenüber.
Dieses Gefühl der Ohnmacht und Überforderung macht wohl auch teilnahmslos,

Keine schöne Bestandsaufnahme.

Tolles Gedicht. Formal wie inhaltlich!

Lg, larin

Erich Kykal

Re: Weit im Osten
« Antwort #4 am: November 21, 2023, 17:34:35 »
Hi larin!

Die Erde ist zu groß, um sie intellektuell oder emotional erfassen zu können. Wir denken und fühlen in familiären Kreisen, schon das Konstrukt eines einzelnen Staates oder Glaubens bedarf der ständigen patriotischen Schulung und Indoktrination. Klar, was gehen uns ferne Kriege an - oder der anonyme Nachbar, der wieder mal seine Frau und seine Kinder erschlägt ...

Traurig, aber menschlich.  :'(

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 21, 2023, 17:43:38 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Weit im Osten
« Antwort #5 am: November 21, 2023, 17:49:34 »
Es ist noch viel schlimmer, denke ich.
Da braucht man nicht die Erde herzunehmen, es reicht schon ein Mensch , den man seit Langem kennt; "Durchschaut" man den wirklich- ist man wirklich imstande, die Gefühls- und Denkwelt.eines anderen nachzuvollziehen - auch nur annähernd ?

Denn, um ganz ehrlich zu sein: Wir sind oft auch Fremde im eigenen Haus - und begreifen oft nicht mal die Tricksereien der eigenen Denkmaschine!
Wie denn auch - wenn so manches unbewusst  und/ oder automatisch ist?

Der Mensch - ein eigenwilliges Wirrwesen.

Larin

Erich Kykal

Re: Weit im Osten
« Antwort #6 am: November 21, 2023, 18:05:27 »
Es gibt ja den weisen Spruch:

Wenn wir lieben, dann lieben wir nur das Bild des/der Geliebten, so wie er/sie für uns sein sollte. Lernt man den anderen im Laufe der Jahre dann tatsächlich kennen, verfliegt die Liebe oft rasch.

Liebe ist eigentlich nur unerkannte Romantik des eigenen Verstandes, der nur wahrnimmt, was er sehen möchte, um das Gefühl von Bedeutung und Geborgenheit um (fast) jeden Preis aufrecht zu erhalten.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Weit im Osten
« Antwort #7 am: November 21, 2023, 19:22:00 »
Also, was die Verliebtheit betrifft, ist das schon so - denn sie ist zumeist Projektion eigener, unbewusster, ungelebter Persönlichkeitsanteile.
Dass die Projektion irgendwann einer Korrektur unterworfen werden muss - weil der andere nie und nimmer das halten kann, was man sich in der Projektion von ihm versprochen hat, ist logisch. Das kann eine kritische Phase für die Beziehung bedeuten - zumeist schmerzhaft - aber deren Bewältigung macht dann vielleicht den Weg frei für echte Liebe, jenem nteresse, das den anderen erkennt und anerkennt als das , was er IST - und nicht als das, was man sich erhofft und erwartet hätte.

Also verfliegt eher die Verliebtheit, ein Faszinosum, von dem man aber nur schwer lassen will, weil der Endorphinrausch das Belohnungszentrum im Gehirn mehr als nur stimuliert und anregt! In der Tat sind wir in einer solchen Hochphase aktiver, kreativer, mutiger - und wohl auch sozial verträglicher., versöhnlicher.
Die Sexualität  tut ein Übriges!

Ist das Nachlassen von Beidem ein Grund fürs Jammern und Granteln im Alter?  Fürs ekelhaft sein überhaupt? Ist Endorphinmangel, Mangel an Freude generell ein Grund für all die Dramen und Kriege weltweit?

Liebe ist für mich Interesse, Zuwendung und grundsätzliches Wohlwollen, eine Hinwendung zum Du - und ja: Manchmal gibt das Du sogar etwas zurück!
Das kann, muss aber nicht sein.

Man liebt, was man liebt, weil man es liebt.
So wie eine Blume einfach blüht.

Ob das Wetter passt, damit sie eine Biene anlock( und sich damit ein Zweck erfüllt), ob du oder ich oder sonstwer ein Gedicht darüber schreibt und dem Blühen auch Anerkennung zollt: Völlig wurst!

Das Blühen ist dem Leben immanent.
Und mit der Liebe ist es wohl genauso: La pour la!

Lets flourish!
Larin


Erich Kykal

Re: Weit im Osten
« Antwort #8 am: November 22, 2023, 17:23:20 »
Hi larin!

Danke für die wertolle Ergänzung und Vertiefung meines philosophischen Bildes.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.