Das Schüttelkind
Geschrei genug! Ich geh. Bleib liegen.
Ich werd ihn jetzt mal härter wiegen
in meinem Arm. - Tyrannisieren,
das soll er nicht mit mir probieren!
Auffliegt die Tür. Da liegt der Wurm
krebsrot, im Magen wühlt ein Sturm
von blähendem Verderben.
Die Mutter, bang, ahnt Scherben.
Er reißt ihn hoch, er schüttelt ihn.
Mein Chef wünscht morgen Disziplin
von mir - wie ich - von dir - kapier!
und schüttelt lange ihn - wie irr.
Der Kopf, zerbrechlich, aber schwer,
fliegt unbefestigt hin und her
und baumelt schließlich seltsam leer
in einer Stille - wie ein Meer.
Das Kind gedeiht, es schreit nicht mehr,
der Körper wächst, der Kopf bleibt leer.
Man schiebt es stumm in seinem Wagen -
und lebenslang verfolgen Fragen.
04/2011
Verwechslung
Mein Baby schlief im Kinderwagen,
als ich zur Puppenmesse ging.
Ich kaufte, wo die schönsten lagen,
ein wirklich lebensechtes Ding.
Ich legte es zu meiner Kleinen.
Sie schlummerten und glichen sich.
Ich schloss den Wagen, hörte Weinen,
und wie es klang, erschreckte mich.
„Mein Kind“, rief ich, und gab dem einen,
das aufgeschreckt schien, einen Kuss,
hielt das Verstockte an den Beinen
und schüttelte es aus Verdruss.
Zu Hause waren sie dann beide,
als wären sie aus Silikon
verstummt in ihrem rosa Kleide -
Sie sagten nie mehr einen Ton…
11/2023