Autor Thema: Im Feld  (Gelesen 1356 mal)

gummibaum

Im Feld
« am: September 14, 2023, 17:38:02 »
Der Tag war heiß, das Dorf am Abend
noch reich an spät erwachten Stimmen,
am Weg hinaus ein Schwarm von Immen
und wir, am weiten Blick uns labend.

Die Sonne stand schon tief im Feld,
die Luft war warm noch, schwer von Düften.
Ein Wogen ging durch unsre Hüften
und wir entglitten aller Welt.

Und Aug in Aug und Hand in Hand
so lagen wir bald unter Ähren,
als ob wir reife Körner wären
und anders noch, auch Ackerland.

Und jeder keimte schon im andern,
als sich der Mond am Himmel zeigte,
sich zärtlich zu uns niederneigte,
um zögernder als sonst zu wandern …

Erich Kykal

Re: Im Feld
« Antwort #1 am: September 14, 2023, 20:08:30 »
Hi Gum!

Der Zauber dieser Zeilen wirkt in den Vergleichen menschlicher Vereinigung mit Bildern von Ernte, Saat und Boden. Das Wogen der Ähren im Wind für das Wogen einladender Hüften. Die umgepflügte Erde für die Pentration, das ineinander Keimen für den Orgasmus und die mögliche Befruchtung (außer es waren zwei Kerle ...  ;)) - die Ernte des Lebens an sich in wundervoll poetischer Verklausulierung! Es verleiht dem Werk eine 'erdige' Tiefe, die ihresgleichen sucht. Schönes Gedicht, passend zum Herbst.

Allergernst gelesen und mit den Immen geschwärmt!  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: September 16, 2023, 21:27:10 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Im Feld
« Antwort #2 am: September 16, 2023, 11:18:53 »
Besten Dank, lieber Erich,

für diesen Kommentar, der genau zeigt, wie die Naturbilder das sexuelle Erlebnis zweier Liebender ausdrücken.

Dir ein schönes Wochenende.

grüße von g   

Sufnus

Re: Im Feld
« Antwort #3 am: September 17, 2023, 14:47:22 »
Hey gum!

"Im Feld" ist ja ein Euphemismus für einen Kriegsschauplatz (-schauplatz ist da auch schon wieder ein Euphemismus - offenbar erträgt man es nicht von der "orrenda carneficina" in realistischen Worten zu reden).
Du stellst hier aber, sogzusagen mit sanfter Wucht, dem missbrauchten Begriff seinen eigentlichen, friedlichen Wesenskern gegenüber. Das ist überaus ermutigend. :) Ein Plädoyer der Menschlichkeit. :)

Und nebenbefundlich - obwohl die wogenden Hüften die körperliche Seite der Liebe kenntlich machen - ist darauf hinzweisen, dass in Deinem Text ausdrücklich ein wechselseitiges Keimen (letzte Strophe) besungen wird. Sofern es sich bei dem Liebenden also nicht um Regenwürmer handelt, dürfte neben der körperlichen Befruchtung hier auch eine geistige Befruchtung mitgemeint sein, die im Gegensatz zur Nachwuchszeugung auch bei Menschen (in glücklichen Fällen) bidirektional ablaufen kann. :)

LG!

S.

gummibaum

Re: Im Feld
« Antwort #4 am: September 17, 2023, 15:48:39 »
Lieber Sufnus,

vielen Dank. Schöner Kommentar! Ja, der Titel kann zu Fehlschlüssen verleiten (ich hatte Sandie Holguíns Aufsatz zum battlefield turism gelesen). In der Tat geht es hier aber um Liebe, um seelischen und körperlichen Austausch und nicht um Soldaten, Leichen und Massengräber.

Beste Grüße von gummibaum