Autor Thema: Schlafhygiene  (Gelesen 1809 mal)

Sufnus

Schlafhygiene
« am: Juli 30, 2023, 14:48:01 »
Schlafhygiene

Ich stelle nackt mich in den Schlaf,
ein Regenduschenglück!
Was tags mich auch im Herzen traf,
schäumt in die Zeit zurück.

Erlösung durch das Ablaufsieb
zur Duschdasträumerei,
die Nacht als kluger Tagedieb
seift uns vom Dasein frei.

Ich brause Pflicht und Muße fort,
kanalwärts gluckst die Welt:
Am wohlverfliesten Fugenort
auf mich allein gestellt.


Erich Kykal

Re: Schlafhygiene
« Antwort #1 am: Juli 31, 2023, 00:20:18 »
Hi Suf!

Dein Schreibstil wie immer hervorragend, die Wortfindung genial - nur die Bilder wollen sich für mich in diesem Fall hier nicht so recht zu einem Gesamtbild fügen. Deine Intention scheint klar: du besingst die Dusche vor dem Schlafengehen, als regenerative Kraft, die vom Staub des Tages befreit, physikalisch wie metaphorisch.

Die erste Zeile erzeugt für mich den Eindruck, das LyrIch schlafe bereits unter der Dusche ein - ausdrücken wolltest du vielleicht nur, sehr müde zu sein?

S2Z2 - erscheint mir für eine versteckte Werbung für das Produkt 'Duschdas'. Gibt es das überhaupt noch? Auch falls nicht, wirkt die Zeile eher ein wenig wie ein Werbespruch denn wie Lyrik.

S2Z3/4 - Ich dachte, es geht um die Dusche? Jetzt befreit einen plötzlich die Nacht? Vielleicht wolltest du nur ausdrücken, dass es spät ist, aber für mich ergibt sich hier ein inhaltlicher Widerspruch, der Fragezeichen auslöst., ums mehr, als hier die Nacht 'freiseift', und nicht die zuvor propagierte Duschaktion.

S3Z1 - Pflicht fortzubrausen - okay. Pflicht kann lästig, ja belastend sein. Aber Muße? Soll das Duschbad nicht ebendiese Muße sein? Entspannen? Für mich noch ein Widerspruch.

S3Z4 - Die Schlusszeile ist in dieser Formulierung für mich eher negativ konnotiert, erzeugt das Gefühl von unangenehmer Einsamkeit anstatt wohlverdienter Isolation von der lauten, umtriebigen Welt. 'Auf sich allein gestellt sein' bedeutet für mich, dass einem keiner helfen will oder kann, obwohl man eigentlich Hilfe benötigt oder wünscht. Diese Phrase passt für mich nicht zur vermuteten Aussage des Werkes: die Wohltat einer entspannenden Dusche vor dem Zubettgehen zu loben.


Oder stehe ich wieder mal - zu bildlich direkt denkend - voll auf dem Schlauch und habe rein gar nichte kapiert?

Dennoch gern gelesen, aber mit Fragezeichen.  ???

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Schlafhygiene
« Antwort #2 am: Juli 31, 2023, 13:57:57 »
Hey eKy!
Lieben Dank für Dein zugewandtes Lob und die ebenso zugewandten Bedenkungen und Bedenken! :)
Dieses Gedicht hatte ich tatsächlich als weit weniger inhaltlich "verrätselt" empfunden als das davor eingestellte Gedicht, "Exil (Märchenwald)". Aber so ist man eben als Autor oft betriebsblind. ;) Also mit der Dusche hatte ich tatsächlich keine konkrete Dusche vor dem Zubettgehen gemeint, sondern die Dusche ist als eine Metapher für den Schlaf selbst gedacht gewesen.  Deshalb stellt sich das lyr. Ich "in den Schlaf" und nicht etwa "unter die Dusche". :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Schlafhygiene
« Antwort #3 am: August 01, 2023, 06:37:49 »
Hi Suf!

Nichts könnte für mein Kopfkino weiter auseinanderliegen als Schaf und eine belebende Regendusche, die, falls realer Regen gemeint ist, auch noch kalt wäre! Brrr!
Was veranlasst dich zu der Annahme, diese Fusion könnte verstanden werden, wenn die Begriffe nicht mal als Vergleich formuliert sind, der zumindest ansatzweise erläutern würde, dass sie in Zusammenhang stehen?
ZB. so:

In manchen Nächten ist mein Schlaf
ein Regenduschenglück!
Was tags mich auch im Herzen traf,
schäumt in die Zeit zurück.

Erlösung durch das Ablaufsieb
zur Tropfenträumerei,
die Nacht als kluger Tagedieb
seift mich vom Dasein frei.

Ich brause Pflicht und Makel fort,
kanalwärts gluckst die Welt:
Am wohlverfliesten Fugenort
in meinen Traum gestellt.


Auch zu meinen anderen Anmerkungen habe ich mir Vorschläge erlaubt, die das Werk - nach meinem Ermessen - besser abrunden und leichter verständlch machen würden. Nimm, was dir akzeptabel erscheint. Ich hoffe, nicht arrogant, besserwisserisch oder herablassend rüberzukommen, derlei liegt mir fern. Mir geht es einzig um die Optimierung eines würdigen Stückes schöner Lyrik aus meiner subjekitiven Sicht.

Gern gelesen und bevorschlagt.  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: August 03, 2023, 14:40:14 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Schlafhygiene
« Antwort #4 am: August 01, 2023, 15:46:40 »
Hey eKy (der gum ist hier nat. ein suf ;) )

Was veranlasst dich zu der Annahme, diese Fusion könnte verstanden werden, wenn die Begriffe nicht mal als Vergleich formuliert sind, der zumindest ansatzweise erläutern würde, dass sie in Zusammenhang stehen?

Ich glaube, manch anderen Lesern, zumal wenn sie ein wenig in Lyriklektüre eingeübt sind, fällt diese Übertragungsleistung tatsächlich etwas leichter als Dir - was einfach auf Deiner besonderen Denkstruktur beruht,  die Dir ganz hervorragende Fähigkeiten im Mustererkennen (daher Deine rhythmische und klangliche Musikalität) und im logischen Verknüpfen von Fakten ermöglicht (daher der klare, gedanklich strukturierte Aufbau Deiner Poeme). Dafür bist dann (Ausgleich muss sein ;) ) halt etwas weniger „dazu gemacht“, lockeren Assoziationsketten leichtfüßig zu folgen und halbversteckte Andeutungen rasch zu erfassen oder in scheinbarem Unsinn den Hintersinn aufzuspüren. Daraus ergeben sich dann wiederum klare Lesevorlieben :), wie das eben jedem von uns so ergeht. :)
Puh… tippe das grad auf einem Handy… keine leichte Übung für meine Wurschtfinger und die Autokorrektur hilft grad auch net…
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Schlafhygiene
« Antwort #5 am: August 03, 2023, 14:45:10 »
Hi SUF!

Sorry für die falsche Anrede, ein Konzentrationsfehler meinerseits. Hab's korrigiert.

Es stimmt, was du über mich sagst. Sprache soll bei mir ein wohlgeschliffenes Instrument sein, das zu klaren Aussagen ermächtigt. Schwammige Kausalverknüpfungen oder schlicht falsche Formulierung, Begriffsfindung oder Phrasierung hinterlassen mich bisweilen ratlos oder verärgert.

Ist mein Problem.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Schlafhygiene
« Antwort #6 am: August 04, 2023, 10:13:46 »
Hey eKy! :)
Interessant, dass Du - in Anknüpfung an meine Überlegung zu lockeren Assoziationsketten oder halbversteckten Andeutungen - direkt zu einer Wertung von Formulierungen als „falsch“ überleitest. Das ist, wie ich finde, ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Deine „Denke“ in ungewöhnlich starkem Ausmaß nach Klarheit und Eindeutigkeit strebt - um den Preis einer gewissen Starrheit. Hättest Du die Wahl (hilbertisch bzw. gödelisch gesprochen) zwischen der Vollständigkeit und der Widerspruchsfreiheit eines Aussagensystems würdest Du Dich wohl für Letzteres entscheiden… (am allerliebsten wäre es Dir aber, so vermute ich, beides realisiert zu sehen :) ).
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Schlafhygiene
« Antwort #7 am: August 04, 2023, 21:55:52 »
Hi Suf!

Ich habe als Teenager langwierig - und leider nicht absolut erfolgreich - lernen müssen, auf sprachliche Metaebenen, unterschwellige Botschaften oder Zweideutigkeiten in Gesprochenem oder Geschriebenem zu achten, denn ich war - und bin bis heute - schlecht darin, derlei aufzuspüren. Ich denke zu geradlinig, nehme alles oft zu wörtlich. Verklausulierungen - wie zB die versteckte Systemkritik in Liedern oder Sendungen der DDR - sind mir ein Gräuel.

Mein Albtraum war immer, wenn ich in Deutsch drankam und der Lehrer fragte: "Und was will und der Autor mit diesem Text wirklich sagen?" Der Text war für mich 'wirklich', so wie gelesen. Etwaige Anspielungen auf irgendwelche historischen Gesellschaftsgeschehnisse oder kulturelle Missstände interessierten mich nicht.

In der Kunst geht es auch so. Ich war zB bass erstaunt, dass gerade in den Bibel- oder Antikenszenen früherer Maler oft verborgene pornografische oder homoerotische Bedürfnisse angesprochen wurden, brav verkleidet in 'klassische Nacktheit'. Alles, was ich immer wahrgenommen hatte, war die Perfektion realistischer Darstellung, meisterlicher Schattenwurf, Dynamik der Bildkomposition, Farbpalette usw.
Bei moderner Kunst, die irgendeine 'Aussage' haben soll, tu ich mir noch schwerer! Für mich: die meisten Aussagen lohnen da die Sauerei nicht, die dafür gemacht wurde.

Ich bin nicht dumm oder einfältig, naiv oder starr. Ich habe nur Probleme mit allem, was nicht klar ausgesagt wird. Aber wie gesagt: Mein Versagen. Bin eben so gestrickt.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.