Autor Thema: Abu Nuwas  (Gelesen 795 mal)

Sufnus

Abu Nuwas
« am: August 02, 2023, 10:30:43 »
Hier mal was Ungereimtes zu Ehren eines alten Dichters, der in der frühen islamischen Zeit in Bagdad wirkte und berüchtigt für seine sehr lockeren Verse war. Wie mir andernorts kundig mitgeteilt wurde steht im modernen Bagdad eine Statue von ihm an prominenter Stelle, die ihn mit einem Becher Wein in der Hand zeigt, sehr zum Verdruss strenggläubiger Muslime… aber die Iraker sind bis heute wohl mehrheitlich stolz auf „ihren“ Abu Nuwas. :)

Abu Nuwas

Langsam ist der Tag nun müde
seiner selbst, er dunkelt ein und
unsre Augen sind wohl nicht
für so altes Licht gemacht.

Man sagt ja, die Traurigkeit darüber,
auf dieser allzuschönen Welt zu sein,
sei ein Schattengewächs,
schlage ihre Wurzeln in unsere Köpfe,
mache unsere Stimmen dumpf,
zum hohlen Echo an den Wänden,
die wir so würdevoll errichtet haben.

Jetzt komm, Al-Hasan,
mein lockiger Freund
mit dem Schelmenlachen, Schenk
uns den schwarzen Wein aus,
der stärker ist als die
vergänglichen Sorgen.

Erzähle von Deinen neuesten Eroberungen,
von Deinen großen Jungenträumen,
wie Du's schamlos treibst
mit der göttlichen Inān,
wenn auch leider nur in Gedanken.

Ja ich weiß, die Unerreichte
ließ Dich einfach stehen
und wünschte Dir noch
viel Glück und Gelenkigkeit,
damit Du von jetzt an
alleine klar kommst.

Und wir werden mit unserem
Gejohle den Nachbarn beweisen,
dass sie noch nicht völlig ertaubt sind
und dem Alkohol eine süße Niederlage bereiten
und uns Geschichten erzählen,
die schon lange nicht mehr wahr sind,
und werden lachen (ganz unter uns)
über Gott und die Welt.


gummibaum

Re: Abu Nuwas
« Antwort #1 am: August 03, 2023, 11:46:31 »
Lieber Sufnus,

schön, dass du einen hier weniger bekannten guten  Dichter vorstellst, indem du ihn in seiner Art sprechen lässt, gekonnt seine Thematik, seinen Stil benutzt.

Sehr gern gelesen.
LG g

Erich Kykal

Re: Abu Nuwas
« Antwort #2 am: August 03, 2023, 15:01:54 »
Hi Suf!

Altbekanntes Argument: Für mich keine Lyrik, sondern in Lyrikform struktirierter Prosatext.

Witzig zu lesen. Dass den strenggläubigen intoleranten Schubladenschädeln im Irak bis heute die Statue eines weintrinkenden Muslims vor der Nase steht, hat mich allerdings viel mehr erheitert als der Text an sich. Es versöhnt mich ein Stück weit mit der Dummheit der Welt und nährt die Hoffnung, die Menschheit habe tatsächlich das Entwicklungspotential, sich dereinst irgendwann über diese lebenslustfeindlichen Kleingeister und arroganten moralischen Erbsenzähler zu erheben, die für einfach alles ein 'göttliches Gebot' brauchen, um ihre traurigen Leben zu stützen und zu organisieren, und die sich dann auch noch selbstgefällig erfrechen, dieses intellektuelle wie charakterliche Versagen dem Rest der Welt aufzwingen zu wollen, weil ihr gewaltiger Minderwertigkeitskomplex mit anderen, freieren Lebensentwürfen nicht zurande kommt!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.