Hi eKy!
Danke für die Gedanken!
Bei Deinen Punkten kann ich bei 2) bis 4) ein Kreuzchen setzen (nur die "moralische" Ebene bei so etwas harmlosem wie einem Gedicht über einen kleinen Schmetterling verstehe ich nicht so ganz - ich nehme an, dass Du da gedanklich andere mögliche Nutzungsfelder von KI mitmeinst und weniger das Gedichteschreiben).
Bei Punkt 1 gibt es nur ein Teilkreuzchen. Ich kann zwar selbst tatsächlich nicht gut dichten (gemessen an dem, was theoretisch an wunderbarer Sprachkunst möglich wäre), aber durch einen Vergleich mit jedmand, der es noch schlechter kann, das eigene Ego aufpolieren zu wollen, hielte ich für den Auftakt zu einer Selbstverschlechterungsspirale.
Was nun das Produkt angeht, das bei diesem Experiment entstanden ist, so finde ich es gar nicht so übel, wie Du (das ist jetzt ja quasi nur ein Halbeigenlob, ich produziere also nur Halbgestank).
Dein Vorwurf bzgl. fehlenden Reims und fehlender Melodiosität (gibts dieses Wort?), trifft dabei nur mich und nicht das arme KI-Programm, denn mein Auftrag lautete: "Schreibe bitte ein Gedicht in zeitgenössischem Stil über einen Schmetterling.". Tatsächlich hat das Programm daraufhin ein zwar metrisch eher locker gefügtes, aber durchgängig gereimtes Werk rausgehauen und ist erst nach meiner anschließenden Mäkelei, das sei jetzt aber formal zu altmodisch, umgeschwenkt und ins Reimlose ausgewichen.
Ich hätte naiverweise gedacht, dass es der KI schwerer fällt, ein sauber gereimtes Gedicht zu produzieren als einen Text in freien Versen und wollte dem Programm sozusagen mit der Aufforderung zu einem "modernen" Gedicht entgegen kommen. Möglicherweise ist dem gar nicht so - ich werde es beim nächsten Versuch darum bitten, ein streng gereimtes Gedicht zu verfassen.
Was nun die Zukunftsperspektive angeht, sehe ich die KI tatsächlich als Forschritt beim Gedichteschreiben. Nach dem anfänglichen Enthusiasmus, den jede technische Neuerung mit sich bringt, wird man beim Publikum bald wieder nach Gedichten von "echten Menschen" verlangen. Daraufhin werden sich zwei Strömungen entwickeln:
1) Gedichte, die ein echter Mensch unter Nutzung von KI als Hilfsmittel verfasst hat. Durch die Entscheidungshoheit des als Autor firmierenden Menschen, welche Idee der KI er weiter ausbaut und welche er verwirft, ist hier nach wie vor eine (wenn auch etwas relativierte) menschliche Autorenschaft gegeben. Bei diesen Gedichten wird das Publikum aber einen extrem hohen Grad an Perfektion erwarten. Die Ausrede, naja, es ist ja menschlich, wenn bei einem Gedicht ein kleinerer Lapsus übersehen wurde, zählt dann nicht mehr.
2) Gedichte, die unter kontrollierten Bedingungen nachvollziehbar ohne "KI-Doping" verfasst wurden. Zum Beispiel spontane Stegreifgedichte oder Gedichte, die der Dichter in einer Art "Klausur", abgeschirmt von der technischen Welt da draußen, verfasst hat; das wird dann bei Kunstwerken, für die ein echter "Markt" existiert (Gemälde z. B. oder Pop-Hits) durch entsprechende Überwachungsstellen zertifiziert werden, so dass die Käufer des Kunstwerks das gute Gefühl haben, ein "rein Menschliches" Werk erworben zu haben. Mangels ökonomischem Interesse werden solche Zertifikate bei Gedichten wahrscheinlich aber nicht so die Rolle spielen, außer es ändert sich nachhaltig was am Kunstgeschmack eines zahlungskräftigen Publikums, was ja immer mal passieren kann - auch da gibt es Modeströmungen.
Was auf alle Fälle passiert ist, dass die Schwelle, selbst einmal ein Gedicht zu "verfassen" (mit KI-Hilfe) deutlich sinkt. Und das ist eigentlich gar nicht so übel. Vielleicht hilft die KI der Lyrik sogar, wieder etwas breitere Bevölkerungsschichten zu erreichen.
LG!
S.