Hey gum!
Der Lebenslauf (Curriculum vitae) ist ja eine so gängige Metapher, dass sie als solche kaum noch erkennbar ist. Dahinter steckt das Bild eines mehr oder weniger verschlungenen, mehr oder weniger langen Reisewegs von der Geburt bis... naja... zum Zieleinlauf.
Du hast in Deiner Beschreibung das Zielgerichtete der Reise von Alpha nach Omega in Frage gestellt, der Protagonist irrt in dem Lebenslabyrinth sogar im Kreis. In S2 wird geschildet, wie das lyrische Ich in seine eigenen Fußstapfen tritt, wobei er diese nicht sieht sondern nur fühlt. Die Auflösung für diese sensorische Einschränkung folgt dann in S3: Der Ich-Erzähler ist nicht nur mit einem labyrinthischen Lebenslauf geschlagen, sondern muss diesen Parcours auch noch mit einer Augenbinde absolvieren, dabei immer angetrieben von der (vergeblichen?) Hoffnung einmal doch den Ausgang zu finden.
Ich muss an den argentinischen Karikaturisten Mordillo denken. Außer von Giraffen, Hochzeitspaaren und einsamen Inseln war dieser melancholische Zeichner offensichtlich auch von Labyrinthen fasziniert, die immer wieder in seinen Zeichnungen auftauchen und eine Chiffre für die Absurdität des Lebens darstellen. Mir fällt z. B. sein Cartoon ein, in dem ein offenbar von einem wehen Zahn geplagter Patient den Trick mit der Schnur und dem Türknauf anwenden möchte: Schnur um den Zahn, mit Türknauf verbinden, drauf warten, dass jemand die Tür aufreißt. Dumm nur, dass sich hinter der Tür ein unüberschaubar verwinkeltes Labyrinth erstreckt und das Zahnopfer daher wohl lange auf Erlösung warten muss.
LG!
S.