Autor Thema: Versunkener Sinn  (Gelesen 1147 mal)

gummibaum

Versunkener Sinn
« am: April 09, 2023, 02:47:35 »
Wie altes, morsches Holz sind meine Tage.
Sie treiben auf dem Meer der Zeit dahin.
Dereinst versunken ist darin ihr Sinn.
Er flüstert nur vom tiefen Grunde vage.

Im Traum ist mir, als ob mein Geist ihn fände,
wenn groß ein Mond das Meer beiseite zieht,
und etwas Unbegreifliches geschieht,   
wenn sich der Sinn die Tage nur verbände ...
« Letzte Änderung: April 10, 2023, 18:01:33 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Versunkener Sinn
« Antwort #1 am: April 10, 2023, 02:08:32 »
Wie altes, morsches Holz sind meine Tage.
Sie treiben auf dem Meer der Zeit dahin.
Gesunken ist im ihm dereinst ihr Sinn.
Er flüstert nur vom tiefen Grund her vage. 

Im Traum ist mir, als ob mein Geist ihn findet,
ein großer Mond das Meer beiseite zieht,
und etwas Unbegreifliches geschieht,   
indem der Sinn die Tage neu verbindet…

Hi Gum!

Schön das! S1Z3 'in ihm' statt 'im ihm'.

Was hältst du von dieser Version?


Wie altes, morsches Holz sind meine Tage.
Sie treiben auf dem Meer der Zeit dahin.
Dereinst versunken ist darin ihr Sinn.
Er flüstert nur vom tiefen Grunde vage. 

Im Traum ist mir, als ob mein Geist ihn fände,
wenn groß ein Mond das Meer beiseite zieht,
und etwas Unbegreifliches geschieht,   
wenn sich der Sinn die Tage nur verbände ...


Nur eine Spielerei nach meinem eigenen Gusto. Hat mich einfach so überfallen. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht krumm. Sollte dir das eine oder andere davon zusagen, nur zu.

Sehr gern gelesen!  :)


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Versunkener Sinn
« Antwort #2 am: April 10, 2023, 13:32:39 »
Ja, sehr gut, lieber Erich, ich schaue. Bin auch nicht zufrieden gewesen und habe gerade noch diese Version entwickelt:

Wie altes, weiches Holz sind meine Tage
und treiben auf dem Meer der Zeit dahin.
Es kam bei mir zu Schiffbruch, und der Sinn,
der sie verband, tönt nur aus Tiefen vage. 

Allein im Traum gibt sich das Meer geschlagen,
wenn hell ein Mond die Zeit beiseite zieht,
mit Ebbe meine große Trauer flieht -   
Dann fühl ich plötzlich Sinn in meinen Tagen…


Ich bin drei- bis viermal die Woche im Zug unterwegs, um 60 km entfernt den kleinen Enkel zu hüten, was Spaß macht, aber aber auch Rückenschmerzen beschert ... und dann müde noch zu schreiben, bringt wenig und macht eher missmutig. Aber ganz lassen kann ich es nicht.

Liebe Grüße schickt und schöne Ferien wünscht dir
g

gummibaum

Re: Versunkener Sinn
« Antwort #3 am: April 10, 2023, 17:59:33 »
Ich übernehme deine "Spielerei" gern, da "versunken", der Konjunktiv "fände/verbände" und das "wenn" eine träumerischere Stimmung entfalten.

Danke und LG
g

   

Sufnus

Re: Versunkener Sinn
« Antwort #4 am: April 19, 2023, 20:22:20 »
Hey!
Ja... da schließe ich mich eKys Erfreunis sehr gerne an! Das ist ein wirklich schöner Text.
Bei der Änderung mit Neueinführung des Konjunktiv-Paares fände-verbände bin ich allerdings nicht ganz so 100%ig abgeholt - irgendwie klingt jetzt die Verbindung von Indikativen (zieht-flieht) mit Konjuntiven grammatisch ein bisschen grenzwertig. Dass eine durch "wenn" eingeleitete Bedingung im Konjunktiv II steht und das unter dieser Bedingung eintretende Ereignis dann im Indikativ daherkommt, erscheint mir etwas unlogisch.
Ich glaube, das muss eigentlich kongruent gebildet werden, wie bei dem "si tacuisses... "-Spruch: Wenn Du geschwiegen hättest, wärest Du ein Philosoph geblieben (und nicht: bist Du ein Philosoph geblieben). Oder?
LG!
S.

gummibaum

Re: Versunkener Sinn
« Antwort #5 am: April 27, 2023, 20:03:38 »
Danke, lieber Sufnus.

Du hast recht. Der Konjunktiv II müsste durchgängig stehen, d.h., es müsste "zöge" und geschähe" heißen. Ich werde es nochmals ändern.

LG g 

Sufnus

Re: Versunkener Sinn
« Antwort #6 am: April 28, 2023, 10:09:48 »
Hi gum!

Ich hab nochmal genauer nachgedacht. :)

Ich glaube in Fällen, bei denen das "wenn" im Sinne von "falls" (also in konditionalem Sinn) gebraucht wird, sollte der "wenn-Satz", der die Bedingung oder Voraussetzung enthält, normalerweise, wie oben bereits ausgeführt, im gleichen Modus stehen wie der "dann-Satz", der die Folge beschreibt:
"Wenn ich den Schlüssel nicht verloren hätte, dann stünde ich nicht so blöd vor der verschlossenen Tür."
und nicht:
"Wenn ich... verloren hätte, dann stehe (oder stand etc.) ich usw..."

ABER:
Bei Deiner Konstruktion ist es dann doch noch etwas komplexer. Der "dann-Satz" steht ja hier vor dem "wenn-Satz" (was erstmal egal ist) und (das ist jetzt der springende Punkt) besteht wiederum aus einem Mini-Satzgefüge: "Im Traum ist mir" und "als ob mein Geist ihn fände". Hierbei wird ja der Konjunktiv II nur im zweiten Teil verwwendet, denn "Im Traum ist mir" steht offensichtlich im Indikativ. Eine Satzperiode, bei der "Im Traum ist mir" sich auf "wenn groß ein Mond usw." bezieht ist voll ok, weil hier ja in beiden Fällen der Indikativ benutzt wird. Auch das beigeordnete "und etwas Unbegreifliches geschieht" ist insofern ok (allerdings dürfte dann vor dem "und" kein Komma stehen), indem es eine Erweiterung des "wenn groß ein Mond usw."-Konditionalsatzes ist.

Die Probleme stellen sich also m. E. erst dadurch ein, dass dann nochmal ein zweiter Konditionalsatz im Konjunktiv II folgt mit der letzten Zeile "wenn sich der Sinn usw." Diesen Konditionalsatz kann man aufgrund der Parallelkonstruktion kaum anders lesen, als eine Ergänzung zum ersten Konditionalsatz im Indikativ. Er müsste aber, damit es grammatisch korrekt ist, als Konditionalsatz zu dem von "Im Taum ist mir" abhängigen Konjunktiv II in S2Z1, also dem "als ob mein Geist in fände" gelesen werden. Und das wiederum würde bedeuten, dass wir ein Satzgeflecht hätten in der Reihung A-B-C+D-E, bei dem sich C+D (die beigeordneten Gedanken in S2Z2+3) auf A (im Traum ist mir) rückbeziehen und E (S2Z4) auf B rekurriert. Ich denke, im Lateinischen könnte man solche vetrackten Durcheinanderbezüge basteln, aber im Deutschen ist das vielleicht grammatisch im weitesten Sinne noch "erlaubt" aber doch gar zu komplex verschachtelt.
Mein erster Einwand in meinem Beitrag vorne dran war also zu ungenau, aber grundsätzlich ist die Satzreihung in S2 m. E. tatsächlich so stark "verknotet", dass das nicht so richtig trägt.

Vorschlag daher:

Im Traum ist mir, als ob mein Geist ihn fände,
wenn groß ein Mond das Meer beiseite zieht
und etwas Unbegreifliches geschieht.   

Jetzt könnte man in S2Z4 ganz neu ansetzen und das schöne Bild, dass die Ebbe einen Sinn-Schatz freilegt, abrunden. Die "wenn sich der Sinn usw."-Zeile in S2Z4, die für das ganze Konjunktiv-II-Schlamassel verantwortlich ist, findet eh keinen so richtigen Anschluss an die stimmungsvolle Szenerie, die in den Zeilen davor anmoderiert wurde. "Fände" ist zwar nicht das allereinfachste Reimwort, aber da finden sich sicherlich korrespondierende Wörtchen für die Verklammerung. :)

LG!

S.
« Letzte Änderung: April 28, 2023, 10:24:45 von Sufnus »

gummibaum

Re: Versunkener Sinn
« Antwort #7 am: April 29, 2023, 13:32:57 »
Danke, lieber Sufnus,

für die beharrliche und mühevolle Arbeit, die grammatischen und logischen Strukturen einander anzupassen. Ich komme darauf zurück.

LG g