Autor Thema: Manethos Lied  (Gelesen 747 mal)

Sufnus

Manethos Lied
« am: Dezember 12, 2022, 10:37:15 »
Manethos Lied

Sphingenlächeln in Cachetten.
Was durchdauert? Was vergeht?
Du und ich. Antikenstätten.
Weltvergessen, weltverweht.

Seelenglyphen. Thebenschöne
Sonnentempelpriesterin,
die ich in die Jetztzeit sehne,
Herz und Ufer, Angst und Sinn.

Und die Horuswunde bergend
ist der Himmel menschenblind,
und der Pharao, verzwergend,
überlässt sein Reich dem Wind.



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Manetho war ein ägyptischer Priester, der wahrscheinlich im dritten vorchristlichen Jahrhundert lebte und eine (lange schon verschollene) Geschichte Ägyptens "von den ältesten Zeiten an bis zur makedonischen Eroberung" verfasste.

Erich Kykal

Re: Manethos Lied
« Antwort #1 am: Dezember 13, 2022, 17:00:38 »
Hi Suf!

Eine würdige Ehrung für diesen antiken Geschichtsschreiber. Ehrlicherweise muss man sagen, dass Historiker damals eher Fantasyromane verfassten, da sie die Geschichten der Geschichte ja auch nur vom Hörensagen kannten, zigmal über Generationen hinweg verändert, weitergesponnen - oder sie wollten ohnehin nur einem Pharao und dessen Linie schmeicheln und seiner Familie die Herrschaft rechtfertigen und sichern, indem sie ihm göttliche Vorfahren andichteten.

Dein Werk ist sehr gelungen, obwohl man manche der Anspielungen erst mal googeln muss, da sie vom normalen Sprachgebrauch weit entfernt siedeln. Für mich: 'Cachetten', 'Horuswunde'. Den Falkengott Horus kenne ich zwar, bin aber in dessen Legende nicht bewandert genug, um die 'Wunde' zuordnen zu können.

Dennoch sehr gern gelesen und genossen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Manethos Lied
« Antwort #2 am: Dezember 15, 2022, 20:04:04 »
Dankesehrst, lieber eKy für die Bekommentierung! :)
Ja... Cachetten ist ein Begriff zum er-googeln, schon die Sphingen als Plural zur Sphinx düften den meisten Leser (sofern ein Plural hier überhaupt angebracht ist) prätentiös vorkommen (etwa so wie das Wort prätentiös - um mal einen Kängurucomicwitz leicht abgewandelt einzuflechten).
Ich schreib immer wieder mal so Dinger, die sich in zweiter Linie an die solide Halb(ein)gebildeten (so wie meinesgleichen) richten und in erster Linie an Menschen, die Spaß am googeln haben und gerne solchen verschrobenen Bildungsbuzzwords hinterherrecherchieren. Die gibts halt auch und es sollte ja irgendwie in der Lyrik (fast) jeder zufriedengestellt werden. :)
Und noch zur Horuswunde: Irgendwann gab es in der ägyptischen Mythologie mal einen heftigen Krieg zwischen den zwei rivalisierenden Göttern Horus und Seth, wobei Horus unter anderem ein Auge einbüßte. Und zwar sein Mond-Auge (was es nicht alles gibt). Die Sache ging noch ziemlich lang hin und her - und am Ende hatte Horus im Großen und Ganzen die Oberhand und sein Auge war auch glücklich wiederhergestellt. Dieses wieder heil gemachte Horusauge ist als apotropäisches Symbol (apotropäisch = Unheil abweisend) erhalten geblieben. Man kennt das vielleicht aus Asterix-Comics, wo die Schiffe manchmal am Bug so komische Augen aufgemalt haben. Das ist nicht ganz unhistorisch und diente der sicheren Fahrt in reichlich unsicheren Zeiten. GPS-Navigation und Handy-Notruf gabs halt noch nicht. Was sollte man machen?
LG!
S.
« Letzte Änderung: Dezember 15, 2022, 20:54:40 von Sufnus »