Hi gum!
Ja, das ist ein wirklich famoses Sonett! Bei Deinen Gedichten gibt es ja immer diese ganz Gum-typische Verbindung von Formsicherheit und Leichtigkeit, eine Leichtigkeit, die sich wohl zum Teil aus der vollkommenen Beherrschung der formalen Mittel ergibt, die zum Teil aber einer humorgrundierten Tiefenschicht entspringt.
eKys Deutung, eine Übertragung der Jahreszeiten auf die menschlichen Alters- oder Entwicklungsstufen, erscheint mir sehr nachvollziehbar und dementsprechend die Interpretation des krisenhaften Wintereinbruchs im Frühjahr als eine Art transgenerationaler Konflikt. Jetzt bin ich ja etwas zwiespältig gegenüber den klassischen Übertragungen von Naturbildern auf die menschliche Existenz, ein Ansatz der in der bürgerlichen Lyrik der zweiten Hälfte des 19. Jh. durchaus zur Standardpoetologie gehörte.
Vielleicht deshalb lese ich aus Deinen Zeilen, lieber gum, auch noch weitere Nuancen heraus: So ist "der Alte" in den Oktetten für mich noch keineswegs als Jahreszeit erkennbar (hier wird ja schließlich auch dem Frühjahr das Wort geredet, kaum eine Jahreszeit, die durch einen "Alten" personifiziert würde). Vielmehr denke ich hier an Gott, der ja oft als alter Mann auftritt (im Märchen meist als gutmütiger, in naiven Bibelderungen von Szenen des alten Testaments als gestrenger Alter). Bei Dir wäre er nun weder gutmütig noch streng (aber gerecht), sondern eher erratisch in seinem Handeln, womöglich eine Demenz? Diese Idee von Alter = Herrgott wird in den Terzetten dann vorsichtig aufgelöst, am Ende ist es dann doch der Winter, der vom Lenz vertrieben wird. Man kann an Goethe denken: "Der alte Winter in seiner Schwäche, zog sich in rauhe Berge zurück.". Dennoch bleibt so ein letztes Quentchen Ungewissheit zurück, diese gum-typische ins hintergründige (gerne auch mal ins Absurde) spielende Mehrbödigkeit.
Ich mag das sehr!
LG!
S.