Autor Thema: Wetterbericht  (Gelesen 892 mal)

Sufnus

Wetterbericht
« am: November 07, 2022, 20:28:12 »
Wetterbericht

O nein! Es regnet rein! Mit beiden Flossen
steht meine gute Laune im Getropfe!
Heiß ich jetzt "Pudel" oder wird begossen
alljeder, der zu unbedacht den Kopfe

in den Betrieb streckt, den wir Leben nennen?
Ich mein, ich will mich hier nicht gar zu grämlich
gerieren, ob des Launeschadens, nämlich:
Das Spiel sollt ich wohl langsam kennen …

Allein, was morgen Besserung verspricht,
nutzt heute nichts, wo ich mich selber plage.
Bei guter Laune schadet auch der Regen nicht,

doch wenn das Herz nur Trauermärsche klopft,
verheißt der blauste Himmel graue Tage
und Sonnenschein ist trügerisch: Es tropft!


« Letzte Änderung: November 10, 2022, 22:20:51 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Wetterbericht
« Antwort #1 am: November 07, 2022, 22:58:23 »
Hi Suf!

Mal wieder ein Sonett, wie nett!

Ein paar kleine Vorschläge:

O nein! Es regnet rein! Mit beiden Flossen
steht meine gute Laune im Getropfe!
Heiß ich jetzt "Pudel" oder wird begossen
alljeder, der zu unbedacht im Kopfe (Schöner!)

des Lümmels steckt, den wir das Leben nennen?
Ich mein, ich will mich hier nicht gar zu grämlich
gerieren, ob des Launeschadens, nämlich:
Das Spiel sollt ich wohl langsam endlich kennen … (Sonst vierhebig!)

Allein, was morgen Besserung verspricht,
nutzt heute nichts, wo ich mich selber plage.
Bei guter Laune schadet Regen nicht, (sonst sechshebg!)

doch wenn das Herz nur Trauermärsche klopft,
verheißt der blauste Himmel graue Tage
und Sonnenschein ist trügerisch: Es tropft!


Sehr gern gelesen und beklugscheißert!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Wetterbericht
« Antwort #2 am: November 10, 2022, 16:50:32 »
Hi eKy!
Auch hier ist noch ein herzliches Hab-Dank von meiner Seite nachzutragen! :)
Den Typo nach dem Doppelpunkt korrigiere ich gerne. :) Deine anderen Vorschlägen kann ich sehr gut nachvollziehen, aber sie liegen nicht so ganz auf der Linie, die ich hier verfolge. Es ging mir hier auch wieder um eine Mischung unterschiedlicher "Komponenten": Einerseits verwende ich hier die ehrwürdige Form des Sonetts, benutze ziemlich lange Sätze, die mehrfach über die Zeilenenden hinausreichen und baue einige recht "gewählte" Ausrücke ein (gerieren, grämlich), andererseits sind viele Formulierungen eher flapsig, alltagssprachlich oder sogar fehlerhaft (das "Kopfe" ist für einen Akkusativ eigentlich eine falsche Form, es wäre, im altmodischen Sprechen, allenfalls im Dativ statthaft und so hast Du es ja auch korrigiert). Diese etwa wilde Mischung soll ein bisschen zum (hoffentlich) erheiternden Gestus des Textes beitragen. So die Idee... ;) Und das ist auch der Grund, warum ich hier bei den Hebungen pro Zeile (absichtlich) rumschlampe... es soll ein bisschen schnoddrig rüberkommen. :)
Ich sonne mich dabei in der Selbstgewissheit, dass ich mir derartiges leisten kann, ohne in den Verdacht der sprachlichen Inkompetenz zu geraten, da ich bei Bedarf natürlich auch ein perfekt gefügtes Gustostückerl raushauen kann *jetzt aber schnell den Arroganzmodus wieder abschalten ;D*
LG!
S.
« Letzte Änderung: November 10, 2022, 16:53:20 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Wetterbericht
« Antwort #3 am: November 10, 2022, 23:45:01 »
Hi Suf!

Das Gerüst eines Sonetts absichtlich zu verschlampen, um 'Schnoddrigkeit' zu generieren - ist das nicht schon extreme Hirnwixerei, die der gemeine Leser wohl kaum so wie vom Autor gedacht nachempfinden oder interpretieren kann, wenn ihn kein entsprechendes Vorwort darauf hinweist, was exakt sich der Dichter dabei gedacht hat?
Wird genannter Leser auch die derbe Wortwahl nicht eher für sprachliche Flüchtigkeitsfehler oder lyrisches Unvermögen halten, oder zumindest denken, der ansonsten gute Autor habe einen schlechten Tag gehabt?

Wie auch immer: Mit der Wortwahl zu spielen, um einen bestimmten erwünschten Effekt - mit welcher letztendlichen Effektivität auch immer - zu erzielen, mag noch statthaft sein, aber das absichtliche Beschädigen der Sonettstruktur KANN vom Leser eigentlich nur als unbeabsichtigte Schlamperei oder lyrisches Unvermögen (aus welchen Gründen auch immer ...) interpretiert werden, wenn er keine anderslautenden Informationen dazu erhält.

Zuletzt soll nicht unerwähnt bleiben, dass mir die Sonettform (so gern ich in anderer Hinsicht zuweilen selbst damit spiele) in ihrem strikten Regelmaß einigermaßen 'heilig' ist. Einfach absichtlich, um eines eher zweifelhaften Effektes willen, den Takt und das harmonische Gleichmaß zu sabotieren, erscheint mir wie ein Sakrileg.  :o >:(

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Wetterbericht
« Antwort #4 am: November 11, 2022, 14:21:26 »
Moin eKy!
Wie bereits gerade eben schon erwähnt (bei meinem Kommentar zu Deinem Kommentar bei den "Herztönen"):
Deine durch metrische Synkopierungen außerordentlich stark irritierbaeren Lese-Nerven sind sicherlich nicht allgemeinrepräsentativ. Nicht mal die strengsten Barockdichter  haben sich so eng an metrische Gleichförmigkeit geklammert, wie Du es tust und beispielsweise Dein Leib-und-Magen-(und Seelen)-Dichter RMR hat durchaus häufig die metrischen Zügel recht locker geführt. In seinem herrlichen Sonett "Leda" unterschlägt er doch z. B. in S2Z4 glatt eine ganze Silbe und mithin eine Hebung (vier statt fünf Hebungen). Das erzeugt eine wunderbare Sprechpause, einen kurzen atemlosen Moment der Stille. Mithin mag ich die Stelle sehr, aber für Dich muss das gar gruselig sein...

Wie auch immer: Mit der Wortwahl zu spielen, um einen bestimmten erwünschten Effekt - mit welcher letztendlichen Effektivität auch immer - zu erzielen, mag noch statthaft sein, aber das absichtliche Beschädigen der Sonettstruktur KANN vom Leser eigentlich nur als unbeabsichtigte Schlamperei oder lyrisches Unvermögen (aus welchen Gründen auch immer ...) interpretiert werden, wenn er keine anderslautenden Informationen dazu erhält.

Ich lehne mich jetzt einfach mal aus dem Fenster und behaupte, dass Du als Lese-Sonderling (nicht beleidigend zu verstehen) nicht beurteilen kannst, was ein Leser (der von Dir verschieden ist) wann wie interpretiert. Mag wohl sein: Du wirst Abweichungen von einer gleichmäßigen Struktur immer als Schlamperei/Unvermögen etc. wahrnehmen... der "normale" Leser hingegen wird diese Modifikationen oft geradezu als belebend empfinden und manchmal eher an Deiner Schreibweise einer knallhart durchgezogenen metrischen Uniformität verzweifeln.
Am Ende des Tages lob ich mir dann den Pluralismus und lasse Deine Vorliebe genauso gelten wie abweichende Geschmäcker. Bei meinem Getexte bediene ich mich dann aus allen denkbaren Poetiken und machs mal so, mal so. :)
LG!
S.
« Letzte Änderung: November 12, 2022, 13:08:18 von Sufnus »