Autor Thema: Unbelehrbar (Alphabetisches Akrostichon)  (Gelesen 777 mal)

Erich Kykal

Unbelehrbar (Alphabetisches Akrostichon)
« am: Juli 27, 2022, 15:52:39 »
Aberwitzig schreiben wir Geschichte,
Brüllen Zorn und speien Unflat aus.
Chaos macht Erreichtes jäh zunichte,
Doch wir lernen einfach nie daraus.
Einmal wird die letzte Bombe fallen,
Fällt der letzte Schuss, der töten will.
Gnädig ist die Ruhe nach uns allen,
Hassbefreit wird es auf Erden still.
In Gedanken dichte ich das Ende
Jeglicher Gewalt mir grausig an,
Kummervoll, denn eine gute Wende -
Leider glaube ich nicht mehr daran!
Mehr noch werden die Parolen tönen,
Notgeil nach Eroberung und Mord,
Ohne Achten für den Wert des Schönen
Prügeln sie die Welt in Wunsch und Wort.
Querulanten untergraben alle
Restlichen beschützenden Systeme,
Stacheln auf und locken in die Falle
Tumber Weltsicht kreischender Extreme.
Ungeschlachte toben immer wilder,
Voll Verachtung, ohne jede Ahnung.
Weltenbrand nimmt wütend seinen Lauf,
X-beliebig bald die Feindesbilder.
Ypern war die erste grelle Mahnung -
Zynisch warten wir der letzten auf.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Unbelehrbar (Alphabetisches Akrostichon)
« Antwort #1 am: Oktober 25, 2022, 09:54:16 »
Hi eKy!
Ein Akrostichon kann eine formal durchaus fordernde Angelegenheit sein, zumindest dann, wenn man ein Wort mit seltenen Buchstaben in diese Gestalt zu bringen sich anschickt, weshalb Akrosticha über Axolotl, Ozymandias oder gar das Xylophon zu den seltenen Vögeln am Lyrikhimmel zu zählen sind.
Noch eine Schwierigkeitsschippe drauf legt der Autor, der diese sperrigen Buchstaben auch noch in einer metrisch gebundenen und endgereimten Facon darbietet. Hier will der wohlmeinende Ratgeb dem kühnen Textverfasser zumindest angeraten sein lassen, sich auf kurze Wörter zu beschränken, auf dass dem Unterfangen nicht auf halber Strecke die kreative Luft ausgeht.
Jetzt gibt es aber schon seit eh und je Zeitgenossen, die auf solcherlei kluge Selbstbeschränkung scheißen und die formale Diffizilität gerne schön hochgeschraubt einpegeln. Heraus könnte dabei z. B. eine artistische Sonderform des Akrostichon kommen, die auf den schönen Namen Abecedarius hört. In den alten Zeiten oraler Dichtung gehörte solcherlei sprachmagische Virtuosität zum künstlerlichen Grundbesteck, sogar im alten Testament findet man noch Ankklänge daran.
Und jetzt hast Du Dich dieser ehrwürdigen Form angenommen und vor Q, X, Y usw. nicht zurückgeschreckt!
Tja... ich muss sagen... Chapeau!!!!
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Unbelehrbar (Alphabetisches Akrostichon)
« Antwort #2 am: Oktober 25, 2022, 18:46:08 »
Hi Suf!

Danke für die verbalen Bumen! Das ist, glaube ich, mein zweites oder drittes alphabetisches Akrostichon. Es scheint mir vergleichsweise relativ leicht zu fallen, alles sinnvoll zu fügen, ohne dass es allzu  herbeigezwungen wirkt. Dennoch mache ich Akrostichons an sich eher selten. Mein Dichten bevorzugt gemeinhin ein Sichentwickeln im Gedicht ohne zuvor festgelegten Bezugsrahmen.

Es freut mich, dass es dir gefallen hat.  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Februar 06, 2023, 21:25:10 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.