Autor Thema: Der Golem I-V  (Gelesen 729 mal)

Erich Kykal

Der Golem I-V
« am: Juli 22, 2022, 09:13:56 »
I

Geknetet aus dem Bodensatz der Regeln
historischer und kultureller Normung,
dann eingeschlagen in Gesetzes Segeln
und damit feucht gehalten bis zur Formung,

bestehe ich aus Grenzen, um zu dienen,
damit das große Ganze funktioniert.
Ein starker Körper und ein Geist auf Schienen,
der seines Glaubens Himmel anvisiert.

Der Wille und der Plan sind nicht der meine,
nach denen die Beflissenheit sich dehnt,
die mich betreibt. Ich bin der Leere, Reine,
der nur nach dem Verordneten sich sehnt.

Danach nur, was mich meine Meister lehren
auf jenem unverbrüchlichen Pamphlet
in meinem hohlen Herzen, dessen schweren,
entrückten Schlägen sonst nichts nahe geht.

Und keine Zweifel hemmen meine Schritte
zu jedem Ziel, dahin man mich bewegt.
Ich ruhe in der Stille einer Mitte,
in der sich nichts, auch kein Gewissen, regt.


II

Wer hat meinen Lehm geknetet,
gab ihm die gewählte Form?
Wer hat mich herbeigebetet
aus der Leere kaltem Born?

Welches Feuer buk mich endlich,
wirkte meine Gegenwart?
Endlich ward ich gegenständlich,
ohne Pulsschlag, aber hart.

Was mag mir der Herr befehlen,
und zu welcherlei Behuf?
Welcher Geist im Lied der Seelen,
der mich dachte und erschuf?

Meister, gib mir deine Worte
für das Blatt in meiner Brust,
dass mir, was für eine Sorte
ich dir sein soll, wird bewusst.

Schick mich, einen Feind zu richten,
unumkehrbar will ich sein.
Alles werde ich vernichten,
was nicht lauter ist – und dein.

Fremden Willen muss ich tragen,
bis das Wort in mir zerfällt,
bis, das eigne Werk zu wagen,
keine Bande mich mehr hält.


III

Ich gehorche einem Herrn und Meister,
der mich schuf, damit ich Werkzeug sei.
Mein Wege, meine Taten weist er,
und ich bin und fühle nichts dabei.

Doch in dunklen, bitterkalten Nächten,
wenn der Lehm an meinem Saum gefriert,
ist mir manchmal beinah so, als brächten
sie ein Ahnen, das mir Schuld gebiert.

Ist das Wort in meinem stummen Herzen
wirklich alles, was mein Sein betreibt?
Ist da gar nichts sonst, was unter Schmerzen
ein Gefühl in meinen Umriss schreibt?

Kann ich mehr sein als ein Klumpen Erde,
dem ein alter Zauber innewohnt?
Und darf das, was ich ganz innen werde,
je beweinen, was die Faust nicht schont?

Noch bin ich verpflichtet zu erfüllen,
was die Schrift in meiner Mitte weist,
doch mag sein, ich finde jenen Willen,
der den Herrn aus meinem Herzen reißt!

Dann wird endlich, was ich bin und werde,
mir gehören, meinem neuen Geist,
werden alle Wege dieser Erde
Möglichkeiten, die er frei bereist.


IV

Der Herr und seine Kinder sind erschlagen,
ihr Blut gerinnt auf meinen harten Händen:
nun kann mich keiner mehr für sich verwenden,
mir endlich niemand mehr Befehle sagen!

Ich höre ihre Freunde sie beklagen -
schon finden sie sich raunend vor den Toren,
in Rachedurst versammelt und verschworen:
Geschärfte Klingen, die gen Himmel ragen!

Ich stehe still – was mich bewegen machte,
erlosch mit meinen ungeschlachten Plänen,
als ich die Fäuste rasend niederbrachte!

Der Wind der Welt von draußen streift mich sachte,
doch die Verlockung schwindet unter Tränen:
Ich stehe still: Der viel zu spät Erwachte!


V

Mein Körper ist zerschlagen und zermahlen
und mischt sich wieder mit dem Uferschlick.
Kein Weg führt mehr in meine Form zurück,
vorbei die Zeit des Dienens und der Qualen.

Erinnerungen schweben lautlos über
dem Wasser noch, bevor auch sie verblassen:
An den Gehorsam und das blinde Hassen -
und nur mein Lehm macht noch die Wasser trüber.

Der Fluss der Zeit wird weiterhin sich wandeln,
und alle Taten müssen Wellen schlagen,
um doch am Ufersaume zu versanden.

Ich bin die Erde wieder, wo sie landen,
ihr Tun mit meiner Ewigkeit verhandeln,
als wollten sie ihr Schicksal weitersagen.
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Der Golem I-V
« Antwort #1 am: Juli 25, 2022, 23:46:32 »
Hallo Erich,

es tut mir leid, aber hier will kein Funke der Begeisterung überspringen.

Im ersten Gedicht ergeben die Vergleiche kein einheitliches Bild.

Nummer zwei ist ok.

Bei Nummer drei hätte ich Meine Wege gesagt...

Zudem: Wie kann ein Lehmklumpen ohne Puls Schmerzen empfinden?

Nummer vier ist der beste Teil.

Nummer fünf...

Jemand, der zu Schlick zerfallen ist, stellt philosophische Fragen.

Abschließend:

Du schreibst:

"Und keine Zweifel hemmen meine Schritte
zu jedem Ziel, dahin man mich bewegt.
Ich ruhe in der Stille einer Mitte,
in der sich nichts, auch kein Gewissen, regt."

Das ist interessant und hätte mich bewegen können. Hat aber nicht. Mich hat das Drumherum abgelenkt und ich finde die Story zu unkonkret, als dass ich mich hätte einfühlen können.

Auch weiß ich nicht, was der genaue Sinn ist?

Soll ich mit einem Mörder Mitleid haben, weil er von "höheren Mächten" missbraucht wird?

Ratlos...

Dir einen schönen Abend!

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Der Golem I-V
« Antwort #2 am: Juli 26, 2022, 00:38:19 »
Hi Rocco!

Ich weiß nicht, inwieweit du mit der klassischen Erzählung des "Golem" vertraut bist, die von einem mittelalterlichen weisen Rabbi zum Leben erweckte Lehmfigur, die den Befehlen folgen muss, die auf dem Blatt Papier geschrieben stehen, das in seine Brust gelegt wird.

Meine Werke hinterfragen dieses philosophische Konzept des willenlosen Dieners und perfekten Soldaten, der immer nur soviel Gewissen hat wie jene, die seine Befehle schreiben - bis der Golem anfängt, eine egene Persönlichkeit zu entwickeln, und damit lernt, selbst zu begehren.

Ein Klassiker.


Tut mit leid, wenn dieses Werk nicht so dein Ding ist - es ist im Grunde nur eine Zusammenstellung früher hier geposteter Gedichte, die ich damals leider nicht in denselben Faden stellte.

Dennoch vielen Dank für's Vorbeischauen! Schön, dass hier überhaupt noch jemand kommentiert.  :)


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.