I
Geknetet aus dem Bodensatz der Regeln
historischer und kultureller Normung,
dann eingeschlagen in Gesetzes Segeln
und damit feucht gehalten bis zur Formung,
bestehe ich aus Grenzen, um zu dienen,
damit das große Ganze funktioniert.
Ein starker Körper und ein Geist auf Schienen,
der seines Glaubens Himmel anvisiert.
Der Wille und der Plan sind nicht der meine,
nach denen die Beflissenheit sich dehnt,
die mich betreibt. Ich bin der Leere, Reine,
der nur nach dem Verordneten sich sehnt.
Danach nur, was mich meine Meister lehren
auf jenem unverbrüchlichen Pamphlet
in meinem hohlen Herzen, dessen schweren,
entrückten Schlägen sonst nichts nahe geht.
Und keine Zweifel hemmen meine Schritte
zu jedem Ziel, dahin man mich bewegt.
Ich ruhe in der Stille einer Mitte,
in der sich nichts, auch kein Gewissen, regt.
II
Wer hat meinen Lehm geknetet,
gab ihm die gewählte Form?
Wer hat mich herbeigebetet
aus der Leere kaltem Born?
Welches Feuer buk mich endlich,
wirkte meine Gegenwart?
Endlich ward ich gegenständlich,
ohne Pulsschlag, aber hart.
Was mag mir der Herr befehlen,
und zu welcherlei Behuf?
Welcher Geist im Lied der Seelen,
der mich dachte und erschuf?
Meister, gib mir deine Worte
für das Blatt in meiner Brust,
dass mir, was für eine Sorte
ich dir sein soll, wird bewusst.
Schick mich, einen Feind zu richten,
unumkehrbar will ich sein.
Alles werde ich vernichten,
was nicht lauter ist – und dein.
Fremden Willen muss ich tragen,
bis das Wort in mir zerfällt,
bis, das eigne Werk zu wagen,
keine Bande mich mehr hält.
III
Ich gehorche einem Herrn und Meister,
der mich schuf, damit ich Werkzeug sei.
Mein Wege, meine Taten weist er,
und ich bin und fühle nichts dabei.
Doch in dunklen, bitterkalten Nächten,
wenn der Lehm an meinem Saum gefriert,
ist mir manchmal beinah so, als brächten
sie ein Ahnen, das mir Schuld gebiert.
Ist das Wort in meinem stummen Herzen
wirklich alles, was mein Sein betreibt?
Ist da gar nichts sonst, was unter Schmerzen
ein Gefühl in meinen Umriss schreibt?
Kann ich mehr sein als ein Klumpen Erde,
dem ein alter Zauber innewohnt?
Und darf das, was ich ganz innen werde,
je beweinen, was die Faust nicht schont?
Noch bin ich verpflichtet zu erfüllen,
was die Schrift in meiner Mitte weist,
doch mag sein, ich finde jenen Willen,
der den Herrn aus meinem Herzen reißt!
Dann wird endlich, was ich bin und werde,
mir gehören, meinem neuen Geist,
werden alle Wege dieser Erde
Möglichkeiten, die er frei bereist.
IV
Der Herr und seine Kinder sind erschlagen,
ihr Blut gerinnt auf meinen harten Händen:
nun kann mich keiner mehr für sich verwenden,
mir endlich niemand mehr Befehle sagen!
Ich höre ihre Freunde sie beklagen -
schon finden sie sich raunend vor den Toren,
in Rachedurst versammelt und verschworen:
Geschärfte Klingen, die gen Himmel ragen!
Ich stehe still – was mich bewegen machte,
erlosch mit meinen ungeschlachten Plänen,
als ich die Fäuste rasend niederbrachte!
Der Wind der Welt von draußen streift mich sachte,
doch die Verlockung schwindet unter Tränen:
Ich stehe still: Der viel zu spät Erwachte!
V
Mein Körper ist zerschlagen und zermahlen
und mischt sich wieder mit dem Uferschlick.
Kein Weg führt mehr in meine Form zurück,
vorbei die Zeit des Dienens und der Qualen.
Erinnerungen schweben lautlos über
dem Wasser noch, bevor auch sie verblassen:
An den Gehorsam und das blinde Hassen -
und nur mein Lehm macht noch die Wasser trüber.
Der Fluss der Zeit wird weiterhin sich wandeln,
und alle Taten müssen Wellen schlagen,
um doch am Ufersaume zu versanden.
Ich bin die Erde wieder, wo sie landen,
ihr Tun mit meiner Ewigkeit verhandeln,
als wollten sie ihr Schicksal weitersagen.