Hi eKy!
Dies ist das zweite erotische (Doppel-)Gedicht, welches noch unkommentiert blieb - was ich nun gerne, wie versprochen, ändern möchte.
Thematisch und formal ist hier eine enge Korrespondenz zu dem Doppel-Text "D/s" gegeben, zu dem ich ja heute schon einen Kommentar abgegeben habe. Sinnvollerweise kann man diesen (Nur Rollenspiele?) und jenen (D/s) Kommentar von mir auch im Zusammenhang lesen, ähnlich wie die beiden Texte von Dir.
Im Prinzip übst Du Dich bei diesem Text hier in einem gegenüber dem "D/s"-Text noch um eine Stufe eskalierten
"hohes Reden". Die Sprache geht an einigen Stellen schon ins Ekstatische und der Pathos-Regler ist allgemein auf maximal eingestellt. Hier paart sich somit die rhetorische Wucht eines Bombaststils mit der süchtigen Bildsprache eines rilkeanischen Symbolismus.
Das erzeugt für mich ein durchaus verstörendes Lese-Erlebnis. Und während ich dies schreibe, muss ich gerade daran denken, dass Du wahrscheinlich in ähnlicher Weise irritiert (oder zumindest nicht "abgeholt") wirst , wenn Du einen der Texte von mir liest, die Du als übertrieben
reduktionistisch empfindest.
Am Ende könnte man also sagen: Naja... das ist halt alles Geschmackssache, Uhl und Nachtigall eben.
Dann gäbe es kaum einen kommunikativen Freiraum für einen Diskurs, weil jeder begründungslos sagen könnte: Ich mag es eben so und nicht anders, basta.
Hier würde ich gerne versuchen, noch einen gewissen Spielraum für einen wechselseitigen Austausch zu eröffnen (nicht mit dem Ziel meine subjektive Position zu verteidigen oder Deine zu widerlegen!), in dem ich die Frage nach dem Kontext eines bestimmten Stils aufwerfe. Ich denke, es macht eben einen großen Unterschied, ob (um eines Beispiels willen) ein reduktionistisches Gedicht bei einer Lyriklesung vorgetragen oder bei einer Beerdigung rezitiert oder bei einer heiteren Geburtstagsrunde zum Besten gegeben wird. Wenn es im einen Kontext womöglich "funktioniert", wird es in anderem Zusammenhang durchaus deplatziert wirken. Wie "robust" oder "empfindlich" das Sensorium des Rezipienten nun auf einen Text in einem bestimmten Kontext reagiert, ist dann natürlich wieder "Geschmackssache", am Ende kommen wir also immer zu einem Punkt, wo man sagen muss: Ich mags halt so (oder eben nicht). Mir scheint aber wert, festzuhalten, dass es Kontexte gibt, in denen einen rhetorisch "auftrumpfender" Text für mich (sogar sehr gut) funktioniert und andere, wo das weniger hinhaut. Umgekehrt, wirst Du reduktionistische Texte vielleicht grundsätzlich nicht besonders goutieren, in bestimmten thematischen oder Kontext-abhängigen Settings, wirst Du sie aber mit einem etwas schiefen Grinsen "schlucken", in anderen Settings wirst Du hingegen nur den Kopf schütteln können und Dich von dem Text abwenden.
Bei mir persönlich scheint es nun also so zu sein, dass mir ein starker rhetorische Ornat von Liebesgedichten im Allgemeinen eher gewisse Probleme bereitet (Dir aber nicht), während ein "hoher Ton" bei einem weniger stark "aufgeladenen" Thema als der Liebe (vielleicht einer Hymne auf eine Tasse Kaffee oder beim Lob des morgendlichen Ausschlafens) mich weniger stark irritiert. Wobei das sicher auch nur eine sehr grobe Regel ist, die durch viele Ausnahmen bestätigt wird. Rilkes Leda-Sonett haut z. B. rhetorisch auch unglaublich stark auf die Pauke (und ist natürlich, dem Mythos geschuldet, ein durch und durch sexualisierter Text), ich kann mich aber dennoch sehr an ihm erfreuen. Und dann wieder: Würde ein zeitgenössischer Dichter ein (neu verfasstes) Sonett in diesem Stil bei einer Lesung vortragen, wäre ich wieder gelinde verwirrt ob dieses ästhetischen Salto rückwärts in eine andere Epoche. Es ist also kompliziert. Und das ist auch gut so!
LG!
S.